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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Hebelpresse mit dem Fabrikzeichen gestempelt wird; dann kommen die Bleistifte in den Saal, wo sie gebunden und verpackt werden. Sie werden zu Dutzenden zusammengebunden, mit Etiquetten versehen und dutzend- oder großweise eingepackt.

So bringen uns diese acht Säle, die wir durchschreiten, die Bleistiftfabrikation in ihren hauptsächlichsten Momenten zur Anschauung. Durch vollständige Beherrschung des Materials gelang es Faber, so viele Härtegrade zu erzeugen und ein so bedeutendes Assortiment herzustellen, daß jedes Bedürfniß bei der großen Auswahl der Fabrikate seine Befriedigung findet. Die feinsten Sorten insbesondere übertreffen nach dem Urtheile der Sachverständigen selbst die besten englischen Cumberlandstifte durch ihre stets gleichbleibenden Härtegrade, durch ihre größere Festigkeit und Haltbarkeit, sowie durch die größere Reinheit des Bleies. Sie besitzen überdies einen solchen Grad von Milde und Zartheit, mit der sich das Blei auf dem Papier aufträgt, daß sie auch in dieser Beziehung jeden Vergleich mit den Cumberlandstiften aushalten. Ueberdies wurden neben vielen anderen Verbesserungen, welche sich auf das Aeußere beziehen, die schönsten und zweckmäßigsten Formen für die Bleistifte feinerer Gattung ersonnen und eingeführt, und in neuester Zeit auch die sogenannten Künstlerstifte erfunden, welche sich rasch die allgemeinste Anerkennung erwarben und die übrigen Fabrikanten bald zur Nachahmung veranlaßten.

So weit war die Fabrik gediehen, ihre Erzeugnisse entsprachen den höchsten Anforderungen, ihr Ruf war festgegründet, da eröffnete sich unerwartet eine neue günstige Aussicht. Es war gefunden, wonach die Engländer so lange gesucht hatten und was eine vollendete Fabrikation immer noch bedurfte, um noch mehr zu leisten, als bisher möglich war: eine neue Graphitgrube war entdeckt: Alibert, Kaufmann erster Gilde von Tabasthus in Sibirien, hatte nach langen Nachforschungen in einem Zweige der Gebirgskette von Saian auf der Höhe des Felsengebirges Batougol vierhundert Werst westlich von der Stadt Irkutsk, nahe an den Grenzen von China, ein primitives Lager von Graphit aufgefunden. Die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, welcher Alibert Proben seines Graphits zur Analyse vorlegte, erklärte, daß derselbe ganz die nämlichen Bestandtheile und die nämlichen Eigenschaften besitze, d. i. ganz von derselben Natur sei, wie der Cumberlandgraphit. Alibert ging nun nach England. Er besuchte die versiechende Graphitgrube von Cumberland und überzeugte sich mit eigenen Augen von der Erschöpfung und dem Verfall derselben. Dann ließ er Proben seines Graphits von den bedeutendsten englischen Bleistiftfabrikanten untersuchen und erhielt von diesen einstimmig das Urtheil der Petersburger Akademie bestätigt, indem sie die Qualität dieses sibirischen Graphits ausgezeichnet und in keiner Weise der des Cumberlandbleies nachstehend erklärten.

Achtjährige Arbeit und ein Capital von einer Million Franken hatte es Alibert gekostet, bis er sein Unternehmen mit diesem allerdings unerwarteten Erfolge gekrönt sah. Er dachte nun daran, das neuentdeckte Material der Bleistiftfabrikation nutzbar zu machen. Nach der gewonnenen Ueberzeugung, daß die Faber’sche Fabrik die größte jetzt existirende sei und die meiste feine Waare in die civilisirte Welt versende, wandte er sich an diese mit dem Vorschlag zu einem Vertrag, in dessen Folge er seinen Graphit zur Fabrikation von Bleistiften nur an sie allein abgeben werde. Faber überzeugte sich, daß der neuentdeckte Graphit dem echten und besten Cumberlandgraphit an Güte gleichkomme, und ging auf den Vorschlag Alibert’s bereitwillig ein, nach welchem aller Graphit, der aus den siibirischen Minen kommt, zum Zwecke der Bleistiftfabrikation jetzt und für alle Zukunft einzig und allein nur an die Faber’sche Fabrik geliefert werden darf. So kommt denn in Folge des von der russischen Regierung 1856 bestätigten Vertrages jetzt der Graphit, welchen die Fabrik verarbeitet, aus dem fernen Sibirien; sorgfältig in Holzkisten verpackt, wandern die Graphitblöcke auf dem Rücken der Rennthiere eine ungeheure Gebietsstrecke, auf der keine Spur von einer Straße zu finden ist, bis zum nächsten Hafen, um von dort den weiten Seeweg nach Europa zu machen, oder sie werden lediglich auf dem Landwege zur Fabrik geschafft.

Auf der letzten internationalen Ausstellung zu London fand sich dieser sibirische Graphit in der russischen Abtheilung in großen Blöcken – bis zu achtzig Pfund Schwere – und modellirt in Büsten unter dem Namen „Graphit Alibert“ und zog als etwas Neues die größte Aufmerksamkeit auf sich.

Im September 1861 feierte die Fabrik ihr hundertjähriges Jubelfest, und wohl durfte ihr Besitzer mit einer inneren Genugthuung auf den Anfang und das nun Gewonnene zurückblicken. Wie den noch rüstigen Mann seine Familie in inniger Liebe umgiebt, so zeigte sich bei jenem Feste auch die Anhänglichkeit und Dankbarkeit, mit der ihm seine Arbeiter ergeben sind, in schlichter, aber rührender Weise. Daß dem Chef eines so großartigen Etablissements bei solcher Gelegenheit auch die äußeren Ehrenbezeigungen vom König seines Landes und von der Stadt Nürnberg nicht ausblieben, braucht unsern Lesern nicht umständlich erzählt zu werden. Freilich müssen wir beklagen, daß er nicht den Muth und das Selbstgefühl des freien Bürgers besaß, den ihm von seinem Monarchen ertheilten Adel abzulehnen, denn der strahlendste Orden, die glänzendste Auszeichnung, welche der thätige Mann empfangen konnte, wiegt unsers Erachtens leicht gegen das erhebende Bewußtsein, so viel Gutes geschaffen und so große Erfolge errungen zu haben – Erfolge, welche seine kühnsten Jugendhoffnungen weit überflügeln dürften.




Blätter und Blüthen.

Napoleon und die voltaische Säule. Humphry Davv, der ausgezeichnete britische Chemiker, hatte eine die ganze gelehrte Welt in Staunen und Aufregung versetzende Entdeckung gemacht. Im November 1806 hielt er vor der sogenannten „Königlichen Gesellschaft“ in London zuerst eine Vorlesung über die chemischen Wirkungen der Elektricität, in der er darlegte, daß die ungemeine Kraft der galvanischen Elektricität alle bis dahin für unzerlegbar gehaltenen Stoffe dennoch zerfetzen und damit zur Kenntniß der wirklichen einfachen Körper oder wahren Elemente, der Bestandtheile alles Irdischen, führen müsse. Weitere Versuche bestätigten dies, und bereits in zwei weiteren Vorlesungen, am 12. und 19. November 1807 konnte er jener Gesellschaft sichere Ergebnisse über die Zerlegung der Alkalien, zunächst der Soda und der Pottasche, mittheilen.

Diese wichtige Entdeckung war allmählich auch bin zu dem wissenschaftlichen Publicum den Continents gedrungen; man beschäftigte sich namentlich mit den so merkwürdig erscheinenden Eigenschaften dieser Alkalien-Metalle, welche, in’s Wasser geworfen, eine Feuererscheinung hervorbringen und das Wasser zersetzen sollten, und, wie fast sämmtliche hervorragenden Chemiker aller Nationen, so sprachen sich auch die französischen, besonders Gay-Lussac und Thénard, sofort Davy’s Ansicht beipflichtend, dahin öffentlich aus, daß man alle Alkalien (und ebenso sämmtliche Erden) hinfort für nichts Anderes, als eine Verbindung ihrer Metalle mit Sauerstoff anzusehen habe.

Auch Napoleon’s Adlerblick war diese Entdeckung, obwohl ihm doch so fernliegend, nicht entgangen, und wenn er ihre ganze Bedeutung auch wohl nicht zu ermessen vermochte, so ahnte er die außerordentliche Wichtigkeit derselben doch vielleicht. Aber er konnte keineswegs die Freutde darüber empfinden welche die Männer der Wissenschaft ohne Ausnahme, gleichviel welcher Nationalität sie auch angehörten, dabei erfüllen mußte. Ihn ärgerte es vielmehr nicht wenig, daß gerade ein Engländer, ein Angehöriger des ihm in den Tod verhaßten Volkes, diesen Triumph errungen hatte – und diesen Verdruß gab er den Chemikern von Paris im vollsten Maße zu erkennen.

Die Vorwürfe den allgewaltigen Imperators suchte man mit der Vorstellung abzuweisen, daß ihnen, den Pariser Chemikern, ja gar nicht die Gelegenheit zu derartigen Entdeckungen geboten sei, da es durchaus an den genügenden Apparaten und besonders an den voltaischen Säulen von genügender Größe, Kraft und Energie fehle.

„Bah!“ hatte der erzürnte Kaiser erwidert, „Bah! construiren wir sofort solche Säulen und noch viel größere, als die der englischen Chemiker, allons!

Und jetzt ließ er große, ja wahrhaft ungeheure voltaische Säulen zur Erzeugung massenhafter Elektricität erbauen und beaufsichtigte selbst die Ausführung derselben. Der große Feldherr und Politiker wußte sich die Zeit zu erübrigen, um das sonst doch so kleinlich erscheinende Treiben der Chemiker zu verfolgen. Ja, er war in der That ein so großer Staatsmann, daß er auch die Bedeutung der Chemie, mindestens in Bezug auf Schießpulver, Salpeter etc., also die Bedürfnisse seiner Kriegshülfsmittel-Laboratorien, wohl zu würdigen wußte. Tagtäglich sprach er in dem chemischen Laboratorium vor und man konnte ihm unschwer die Ungeduld anmerken, mit der er dem Beginn der Experimente entgegensah.

Endlich war der Tag gekommen. Die gewaltigen Säulen waren vollendet, die Maschinerien wurden in Bewegung gesetzt, die elektrischen Batterien geladen und bald war Alles für die beabsichtigten Versuche in Bereitschaft gesetzt. Die Koryphäen, nicht blos der Chemie, sondern auch anderer Zweige der Naturwissenschaft, ja fast der gesammten gelehrten Welt von Paris waren versammelt. Endlich trat auch der Kaiser ein und, was schon damals selten der Fall war, ein liebenswürdiges und zugleich erwartungsvolles Lächeln umspielte seine ehernen Züge.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 751. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_751.jpg&oldid=- (Version vom 28.11.2022)