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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Schatze hatten ihm die Geister eine goldne Krone und ein silbernes Kreuz verheißen, auch vorgegeben, daß in dem genannten Kloster die wahre Goldtinctur zu finden sei. Zur Hülfe bei Hebung dieses Schatzes sollten dem Herzog zwei Priester gesendet, denselben aber dafür eine Capelle an dem Orte, wo in den ehemaligen Klosterzeiten die Nikolauscapelle gestanden, von diesem Reichthume erbaut werden. Nach dem aufgefundenen Tagebuche des Herzogs wurde demselben im Jahre 1704 angesagt: „Er solle nun seine unentbehrlichen Zimmer und Kammern bewachen, in welche die verheißenen Schätze durch die Pfaffen hineingetragen werden sollten.“ Hunderte von Säcken mußte er herbeischaffen und die Schlüssel zu den Zimmern abgeben. „Wären dieselben gefüllt,“ hieß es weiter, „so wolle ihn der König von Waldeck hineinführen und ihm Alles, was darin sei, feierlich übergeben.“

Während der Herzog erwartungsvoll diesem glücklichen Tage entgegensah und in seinem edlen, menschenfreundlichen Herzen bereits die Rechnung, wie das zu Erhaltende zum Besten seiner Unterthanen verwendet werden sollte, entworfen hatte, erfahren wir aber, daß der König von Waldeck plötzlich hatte verreisen müssen. Ehe derselbe aus der neuen Welt, wo er sich befand, zurückgekehrt wäre, könnte durchaus nichts Entscheidendes geschehen. Inzwischen wurde der betrogene Herzog mit neuen Versprechungen hingehalten. Laut dem Tagebuch schrieb der König von Waldeck am 22. Februar 1706 dem Herzoge, „daß er große Last tragen müsse“, und am 10. März abermals, „er verhoffe, die Ostermesse im Kloster zu Laußnitz zu halten“. Der Herzog harrte vergeblich. Endlich kam die Nachricht: „Er könne unter vierzehn Tagen oder drei Wochen noch nicht kommen; der Herzog solle sich aber auf Gott verlassen und fleißig beten. Denn Gott habe versprochen, den reisenden König wieder in sein Land zu schaffen. Drei Tage vor seiner Ankunft solle der Herzog Nachricht davon erhalten, so wahr Gott lebe.“ Der König von Waldeck war damals in Jerusalem, wohin derselbe angeblich zur Regulirung der projectirten Schatzgräberei sich begeben haben wollte, und dahin mußte ihm der Herzog durch einen Boten die Säcke schicken. Hiermit endigt der historische Theil des Tagebuchs.

Der Herzog scheint zuletzt des langen fruchtlosen Harrens müde geworden zu sein. Die entworfene Rechnung aber ist als fingirte Ausgabe in dem vorgefundenen fingirten Einnahmebuche des Herzogs noch heutigen Tages zu lesen. Danach hatten ihm die Geister für das Jahr 1704 allein an baarem Gelde beinahe fünf und eine halbe Million Thaler zu bringen versprochen, die Kleinodien, das geschmolzene Gold und Silber, die Perlen und anderen Kostbarkeiten ungerechnet, deren Werth jene baare Summe wohl zehnmal überstiege. Für diese Schätze hatte Christian bereits einen ganz speciellen Verwendungsplan entworfen. Seine Gattin sollte eine halbe Million, seine Tochter 600,000 Thaler, von seinen Brüdern jeder 500,000 Thaler erhalten und seine Hofchargen waren sämmtlich mit hohen Summen bedacht, ja Niemand von des Herzogs Dienerschaft war vergessen, selbst Stubenheizer, Stallmägde und Wäscherinnen waren berücksichtigt.

Mit der aufopferndsten Hingebung und standhaftesten Geduld war die treue Gemahlin bemüht, den Herzog von seinen alchymistischen Träumereien möglichst abzuziehen. Es gelang ihr nicht. Vielmehr vertiefte sich der Herzog mit der Zunahme der Jahre immer eifriger in seine kostspieligen Versuche und anstrengenden Untersuchungen, so daß er endlich in seinen schwärmerischen Träumereien noch im vorletzten Jahre seines Lebens durch eine Geistererscheinung sich täuschen ließ.

Herzog Christian lag im Jahre 1705 auf dem Ruhebette seines noch jetzt ganz in dem früheren Zustande erhaltenen Betzimmers, mit seinen mystischen Fragen beschäftigt, als er an die Thür anklopfen hörte. Ohne zu begreifen, wie Jemand unangemeldet sich ihm nähern und unbemerkt von der Wache und der Dienerschaft zu ihm kommen könne, rief er dennoch: „Herein!“ Eine Dame in altfürstlicher Tracht trat ein. Den Herzog überlief ein leichter Schauer. Schnell jedoch wieder gefaßt überzeugte er sich, daß er wache, und fragte die Dame nach ihrem Begehr.

„Entsetze Dich nicht,“ antwortete dieselbe freundlich, „ich bin kein böser Geist. Ich bin Anna, eine Fürstin Deines Geschlechtes, und war die unglückselige Gemahlin Herzog Johann Casimir’s von Coburg.[1] Du wirst meine Geschichte kennen.“

„Ich kenne sie. Was bringt Dich aber jetzt aus Deiner stillen Ruhe in die Welt zurück?“

„Eine Bitte an Dich.“

„An mich eine Bitte? und welche?“

„Ich starb, ohne mit meinem Gemahl ausgesöhnt zu sein. Gott hat in seinem Gerichte diese Söhnungszeit bestimmt, die nun sich nahet, und Du bist erkoren, uns auszusöhnen. Selig bin ich zwar, doch stehe ich noch nicht vor Gottes Throne und befand mich bisher an einem stillen Orte angenehmer Ruhe. Mein unversöhnlicher Gemahl aber hat zwischen Zeit und Ewigkeit in Finsterniß und Kälte gelebt, jedoch nicht ohne Hoffnung der Seligkeit.“

„Wie aber sollte das möglich sein? Wie sollte zugehen, daß –“ frug der Herzog.

„Glaube meinen Worten, denn was ich sage, ist Wahrheit. Wie viele Dinge kann der menschliche Verstand nicht fassen, und dennoch sind sie! Was Du jetzt nicht begreifen kannst, wirst Du dereinst schon begreifen lernen. Dich mit vielen Worten zu belehren, ist mir nicht erlaubt. Die Erfahrung wird Dein Lehrmeister sein, dort, wo wir Alle gläubig sehen und erfahren, was wir hier kaum ahnen.“

Der Herzog schwieg betroffen still, und der belehrende Geist sprach weiter: „Wir sind erfreut, Dich als das Werkzeug unserer Versöhnung erlesen zu wissen. Nach acht Tagen werde ich wiederkommen, um Deine Erklärung zu vernehmen. Gott sei mit Dir!“ Sie sprach’s und verschwand.

Der Herzog blieb verlegen zurück und dachte dem nach, was er soeben gesehen und erlebt. Endlich beschloß er, sich an den Superintendenten Hofkunz in Torgau, einen berühmten Gottesgelehrten, der zugleich einer seiner fleißigsten Correspondenten war, zu wenden, diesem seine Lage zu schildern und sich bei ihm Raths zu erholen. Hofkunz schrieb dem Herzoge: „Wenn nichts Abergläubisches dabei vorkomme und er Muth genug habe, möge er sich mit Gebet und Vorsicht dem Versöhnungsgeschäfte unterziehen.“

Die bestimmte Zeit verfloß. Die Herzogin kam wieder und fragte, ob der Herzog bereit sei, ihren Wunsch zu erfüllen. Als dieser bejahte, sprach sie: „Mein Gemahl that mir Unrecht. Vergebens ließ ich ihn auf meinem Todtenbette um Vergebung bitten; er wollte mir dieselbe nicht gewähren. Damit wir nun Beide zur Verklärung und zum göttlichen Anschauen gelangen können, wollen wir uns versöhnen. Ich habe Dir schon gesagt, wo wir uns jetzt befinden. Diesen Aufenthalt sollen wir nach Gottes Willen jetzt verlassen, und Du bist von der Vorsicht erkoren, das Werk unserer Versöhnung zu vollziehen.“

„Was soll ich aber bei der Sache thun, wie mich dabei verhalten?“

„Künftige Nacht sei bereit, uns Beide zu empfangen. Denn nur ich kann am Tage kommen, nicht mein Gemahl. Dann wollen wir Dich bitten, Recht unter uns zu sprechen, unsere Hände zum Zeichen der Versöhnung ineinander zu legen, den Segen des Herrn uns zu geben und mit uns Gott zu loben.“

Dies versprach der Herzog und die Dame verschwand wieder. Die Erscheinenden würdig zu empfangen, bereitete sich Christian vor. Er ließ Wachskerzen anzünden und dieselben auf einen Tisch zwischen Bibel und Gesangbuch setzen, verdoppelte die Wachen vor seinem Zimmer, überließ sich geistlichen Betrachtungen, betete und erwartete die Zeit der Erscheinung mit Fassung, doch nicht ganz unbefangen.

Es schlug eilf Uhr. Die Herzogin trat ein, lebhaft und freundlich wie immer, und trug dem Herzog ihre Sache vor. Nach ihr kam ihr Gemahl, finster und bleich, und sagte, was er zu sagen hatte, ziemlich rauh und unfreundlich. „Nun entscheide Du,“ sprach die Herzogin Anna, „auf den wir unser Vertrauen setzen, Sprosse unseres Stammes, geliebter Nachkomme unseres Geschlechts!“

Herzog Christian fand sich bewogen, dem Herzoge Casimir Unrecht zu geben, und rieth ihm zur Versöhnung mit seiner schönen Gemahlin. Der Geist sagte: „Du hast weise Worte gesprochen und recht geredet; ich versöhne mich mit meiner Gemahlin.“

Der Herzog ergriff des Sprechenden eiskalte Hand, legte sie in die warme, runde Hand der Fürstin und sprach den Segen über die Versöhnten. Beide sprachen „Amen!“ und die Herzogin setzte freundlich hinzu: „Habe Dank!“ Hierauf stimmte der Herzog den Gesang an: „Herr Gott, dich loben wir,“ und die Versöhnten sangen Beide mit.

  1. Dieser ließ diese seine Gemahlin im Jahre 1593 aus eifersüchtigem Verdachte anfangs in Eisenach gefangen setzen und dann in’s Kloster Sonnenfeld bringen. Im Jahre 1603 ward sie auf die Veste Coburg zurückgebracht, wo sie 1613 starb.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 766. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_766.jpg&oldid=- (Version vom 4.12.2022)