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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Spannung, noch mehr aber deshalb, weil die Querschwingungen der Decke und des Bodens dann weniger Widerstand finden, muß die Faserrichtung der Decke den Saiten parallel gehen. Ist der Boden aus Ahornholz, so werden die Töne des Instruments kräftiger, als wenn er ebenfalls aus Fichtenholz besteht, wie die Decke. Beide, Boden und Decke, müssen eine solche Stärke haben, daß sie nahezu denselben Ton geben, wie die für sich vibrirende Luft des Resonanzraums. Dabei ist es für die Harmonie dieser drei Theile in ihrer Verbindung von Wichtigkeit, wenn Decke und Boden für sich beim Anschlagen mindestens um einen halben Ton auseinder tönen. Beim Zusammenfügen beider geben sie dann einen und denselben Ton ohne alle Disharmonie.

Zum Spielen der Violine gehört endlich ein Bogen. Der Name desselben deutet schon genügend an, welche Form diese nothwendige Ergänzung aller Streichinstrumente anfangs gehabt hat. Die vollkommenste Form des Bogens hat noch ein volles Jahrhundert länger auf sich warten lassen, als die der Violine selbst. Der Franzose Tourte verfertigte Ende des vorigen Jahrhunderts zuerst Violinbogen in der heutigen Gestalt und Einrichtung; seine Bogen haben noch heute hohen Ruf.

Die Stange des Violinbogens wird am liebsten aus Fernambukholz gemacht; weniger gut ist schon das Schlangenholz (aus Brasilien); zu den billigeren Bogen verwendet man die sogenannte amerikanische Eiche. Der untere Theil des Bogens dient zum Anspannen der Haare und führt den Namen Frosch, das obere Ende wird der Kopf genannt. Die Stange, welche beide verbindet, muß sehr elastisch sein, weshalb die Auswahl des Holzes nicht unwichtig ist. Die zwischen Kopf und Frosch ausgespannten Haare sind Roßschweifen entnommen. Sie sind an ihrer Oberfläche mit lauter dachziegelartig übereinandergreifenden mikroskopischen Höckerchen besetzt, welche zum Theil die Reibung und dadurch das Tönen der Saiten verursachen und hierbei durch das Colophonium unterstützt werden.

Fig. 1. Violine der Neuzeit. a. Decke oder Brust, b. die Zargen, c. der Saitenhalter, c1. der Knopf, d. der Steg, e. das Griffbret, f. der Hals, g. der Haken, h. der Sattel, h1. der Wirbelkasten und die Wirbel, k. die F-Löcher der Violine, l. der Frosch und m. der Kopf des Bogens.
Fig. 2. Das dreisaitige Rebec. – Fig. 3, 4, 5. Violinen aus der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts.

Trotz der im Vorhergehenden angeführten Einflüsse der verschiedenen Theile der Violine auf ihren Klang, ist es doch ihre ganze Form und Bauart, in welcher das Geheimniß ihrer mächtig ergreifenden musikalischen Wirkung liegt. Es giebt alte Violinen, an denen mit Ausnahme der Decke nach und nach Alles erneuert worden ist, und doch werden sie noch eben so sehr geschätzt, wie die Originale. Da man nun jetzt nach den alten Modellen arbeitet, so sind unsere feinen Instrumente gewiß eben so gut, wie jene zu ihrer Zeit gewesen sind, und werden durch den Gebrauch künftig gleich vortrefflich, wie die Werke Amati’s und seiner Nachfolger. Daß neue Violinen einen etwas härteren und rauheren Klang haben als alte, ist ganz natürlich. Durch das Zusammenleimen, Biegen und Zusammenpressen der Theile müssen auch bei der größten Sorgfalt Ungleichheiten in der Elasticität derselben entstehen; ebenso durch die ungleiche Dichtigkeit des Holzes. Wird aber eine Violine lange Zeit gespielt, so wird vorzüglich in der Decke durch die fortwährenden Erzitterungen manche Veränderung in der Lagerung der Fasern hervorgebracht, und es werden nach und nach die mancherlei Hindernisse entfernt, welche einer ungestörten Verbreitung der Schwingungen des Resonanzkörpers anfangs hindernd im Wege standen.

Die eingehendsten Versuche zur Auffindung der eigenthümlichen Schwingungsverhältnisse der Violine hat Savart gemacht und in den Berichten der Pariser Akademie publicirt. Außerdem lehrt auch ein neueres Werk, „Zamminer, die Musik und die musikalischen Instrumente“, das Nähere über den Bau der Violinen wie über die Bedeutung derselben im Verhältniß zu den übrigen Instrumenten.




Ein vergessener Dichter.

Wie aus dem Staub der Bibliotheken noch immer, von Zeit zu Zeit, Schätze an das Licht des Tages gezogen werden, die man längst zerfallen und vermodert wähnte, oder von deren Dasein man überhaupt keine Ahnung hatte; und wie noch täglich anderseits, unter der Fülle und dem Wust des neu Erscheinenden, Einzelnes Gute und Bedeutende versinkt, vergraben und im Lauf der Jahre vergessen wird: so auch giebt es Dichter, bedeutende, anerkennungswerthe Talente, die niemals zur Geltung kommen, deren Name, kaum aufgetaucht, verschwindet, die schon vergessen und verschollen sind, ehe noch der Tod sie hinweggerafft, ehe noch der Abendwind durch den Hollunderstrauch ihres Grabhügels weht. Die Verhältnisse machten es so, das Glück stand nicht an ihrer Seite, oder der Drang nach Anerkennung, Ruhm und Ehre lag nicht in ihrem Innern. In treuer Pflichterfüllung des von ihnen erwählten Lebensberufes fanden sie Ruhe und Beruhigung, und das Stückchen Poesie, das der Himmel ihnen in das Herz gelegt, meinten sie nicht vorzugsweise, sondern einzig und allein für sich empfangen zu haben. Die Lieder ihrer Brust werden für sie nicht zu Lorbeerreisern die Stirne zu schmücken; für sie sind es nur Rosen und Lilien, um die Einförmigkeit des Lebens zu unterbrechen, das Haus mit Duft zu erfüllen, Tisch und Consolen gleichsam wie mit Blumen zu schmücken.

Und solch ein fast vergessener, verschollener Dichter ist Ludwig Giesebrecht, der alte Professor am Gymnasium zu Stettin, der Geschichtsforscher, als welcher er seine wendischen Geschichten und andere rühmlichst bewährte Werke der Art veröffentlichte. Wer kennt seine Lieder, wer besitzt seine Gedichte?

Es war im Jahre 1816, als Giesebrecht, geboren 1792 zu Mirow in Mecklenburg, an das Gymnasium nach Stettin berufen wurde, nachdem er als Husar an dem Kriege 1813 bis 1815 Theil genommen hatte. In den ersten Jahren seiner Wirksamkeit als Lehrer soll er noch in altdeutscher Tracht einhergegangen sein; in den dreißiger Jahren schlug er sich nur noch des Winters den Mantel, gleich einer Toga, über die Schulter und schritt sonst wie

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 776. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_776.jpg&oldid=- (Version vom 11.12.2022)