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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

zwei rothen Streifen, durch welche drei Felder ein goldgestickter Eichenzweig sich quer hinzieht; die Fransen sind ebenfalls golden, die Quasten schwarz-roth-golden, die schwarze Spitze ist goldberandet mit rothem E. F. V. („Ehre, Freiheit, Vaterland“, der Burschenwahlspruch). Diese Fahne wehte seitdem der Burschenschaft bei jedem öffentlichen feierlichen Aufzug voran und zog 1817 an der Spitze des Festzugs, vom Grafen Keller getragen, in die Wartburg ein. In der Zeit der Demagogen-Verfolgungen, im Jahre 1822, als auch ein Befehl zur Confiscation dieser Fahne erlassen worden war und ganz besonders auf sie gefahndet wurde, hielt man sie, das Heiligthum der Burschenschaft, in Jena nicht mehr sicher. Ein Vorsteher der Burschenschaft, Stud. theol. W., überbrachte sie im Jahre 1822 seinem Bruder W. W., ebenfalls einem gediegenen, alten Burschenschafter, in das väterliche Haus nach Dornburg. Dort wurde sie mit Wachstuchüberzug in dem Schlote aufbewahrt. Die Mutter wußte darum. Der Schlotfeger wurde nicht eher zugelassen, bis die Fahne unbemerkt anderwärts geborgen war. Sie bewachten dieselbe wie ein Heiligthum. Die Brüder W. kamen von Dornburg fort, der ehemalige Stud. theol. W. gab daher die Fahne zur Aufbewahrung an einen andern ehemaligen Burschenschafter, Pfarrer T., damals in Sch. in der Nähe von Camburg. Sie soll dort mehrjähriges sicheres Versteck unter dem Altar gefunden haben. In der Zeit der Arminen und Germanen wurde einem der Vorsteher der Arminen die Vollmacht zu Theil, die Fahne für die Arminen in Empfang zu nehmen. Eine Deputation der Letzteren holte sie nach Jena ab. Als aber auf eine vertrauliche Anfrage die Eröffnung erfolgte, daß der Confiscationsbefehl noch nicht zurückgezogen sei, und man daher die Fahne in einer Studentenwohnung nicht sicher glaubte, wurde sie einem damals in Jena lebenden Burschenschafter Prof. R. S. anvertraut, mit welchem sie über die Grenze Deutschlands in die freie Schweiz nach Bern wanderte. Im Jahre 1848 bot Prof. S. den Burschenschaften Jenas, falls sie sich vereinigen wollten, die Fahne an, die Einigung kam aber nicht zu Stande. Zum Jubiläum 1858 kam die Fahne nach Jena, aber sie erschien nicht im Festzuge. Man erzählte sich, daß die weimarische Regierung das Wiederenthüllen der Fahne nicht gestattet habe. Da man damals das Fest der Universität, folglich aller Studenten und aller Verbindungen feierte, so hätte das Enthüllen der alten Burschenschaftsfahne wohl ein zu einseitiges Interesse auf sich gezogen und jenen zu einem politischeren Anstrich Gelegenheit geboten, als man wünschte; dies mochte damals für die Beseitigung der alten Burschenschaftsfahne einen Grund bieten, der natürlich bei dem Feste des Burschenschaftsjubiläums wegfiel.

Und es ist auch wahr geworden, was die obige Vermuthung ausspricht, und dadurch ist zugleich auch der Titel dieses Artikeln schließlich gerechtfertigt: man konnte in der That „das Jubiläum des schwarz-roth-goldenen Banners“ feiern, denn das erste dieser Farbe beging das Fest seiner Wiedererstehung in großartigster Weise. Die Festfeier selbst ist unseren Lesern durch die Tagesblätter wohl ausführlich genug geschildert worden. Wir haben hier blos hinzuzufügen, daß diese Jubelfeier sich bis nach Amerika erstreckte, wo die alten Burschen in New-York sie begingen und von wo Carl Schramm einen poetischen Gruß und ein Bändchen seiner recht frischen, warmen Gedichte (das wir auch dem großen Publicum zur Berücksichtigung empfehlen) an die Festgenossen in Jena sandte. Es ist eine hohe Genugthuung auf dieses fünfzigjährige Jubiläum der Burschenschaft mit dem Gedanken zurückblicken zu können, daß dasselbe vor allen bisherigen Nationalfesten – denn ein solches war es im besten Sinne den Wortes – sich dadurch auszeichnete, daß es nicht nur Gesinnungsgenossen im Streben für Freiheit, Vaterland, National- und Mannesehre zu einem Feste vereinte, bei welchem die Jüngeren sich am Anblick der tapfern Alten stärken und die Alten ihr Mühen und Leiden belohnt sehen sollten an dem frischen Zukunftsmuth der Jugend; sondern, daß es zugleich glänzender als irgend Etwas einen Triumph des Rechts gegen die Gewalt darstellte, indem es zeigte, wie das von der Burschenschaft verfolgte Ziel der Einigung der deutschen Volksstämme und Staaten sammt dem schwarz-roth-goldnen Zeichen dieser Einigung trotz heiliger Allianz und trotz Bundestag, trotz Rußland und Metternich, kurz trotz alle-alle-alledem zum Ziel und Zeichen der deutschen Nation geworden ist, die von Tag zu Tag deutlicher darthut, daß sie diese Errungenschaft nicht so leicht wieder aufgiebt, wie einst andere.




Ein Besuch bei Miß Braddon. Welche unserer freundlichen Leserinnen kennte wohl nicht Miß Braddon, die Verfasserin der Romane „Lady Audley’s Geheimniß“, „Aurora Floyd“, „Eleanor’s Sieg“ und noch vieler anderer spannend interessanter Werke? Sie zeichnet sich unter der zahlreichen Legion der englischen Schriftstellerinnen bedeutend aus, indem sie den von ihren Vorgängerinnen breitgetretenen Weg der Moralpredigten, der Proselytenmacherei für Mäßigkeitsvereine, Industrieschulen und religiöse Secten, der guten Lehren für Dienstboten, kurz, der sanften Langeweile entschieden gänzlich verließ und mit Wilkie Collins den englischen Sensationsroman schuf, welcher den französischen Werken dieses Genres an Reinheit und Feinheit der Ausführung weit überlegen ist.

Auch für die Bühne wurden die Romane Miß Braddon’s bearbeitet, und auch hier feierte die schöne Lady Audley mit den sonniggoldenen Locken und dem kindlich-lieblichen Antlitz, die kaltblütige Verbrecherin, sowie die ebenso reiche wie reizende Aurora Floyd, die als romantisches junges Mädchen mit einem Groom durchgegangen ist und dann einen achtbaren Gatten geheirathet hat, während der todtgeglaubte Jockey ihr unablässiger Quälgeist wird, gleiche Triumphe.

Miß Braddon vermählte sich vor etwa zwei Jahren mit dem Verleger ihrer Werke, dem Buchhändler Maxwell in London, der hierbei durchaus nicht blos aus Speculation handelte, wie manche boshafte Zungen behaupten wollten, sondern wohl meist durch aufrichtige Zuneigung für die liebenswürdige, geistvolle Dame dazu bewogen wurde, ihr seine Hand anzubieten.

Ich war so glücklich, mehrere Empfehlungsbriefe sowohl an Herrn Maxwell, wie auch an dessen Gattin zu besitzen, als mich mein Weg vor Kurzem nach London führte. Bei meinem ersten Besuch traf ich blos Herrn Maxwell an, welcher mich auf den folgenden Tag zum Essen einlud, so daß ich meine Neugierde, die vielgenannte Schriftstellerin zu sehen, noch etwas zügeln mußte.

Endlich war doch die erwünschte Stunde erschienen und ich klingelte abermals an der Hausthür des allerliebsten, eleganten Hauses in Mecklenburg-Square, einem sehr ruhigen und stillen Stadttheil, der ganz besonders für solche Schriftsteller geschaffen zu sein scheint, die wie Frau Maxwell zwanzig- bis fünfundzwanzigtausend Thaler des Jahres verdienen. Ich wurde von der berühmten Dame sehr anmuthig und freundlich empfangen und erhielt bei Tische einen Platz ihr gegenüber, so daß ich alle Gelegenheit hatte, sie zu betrachten und zu beobachten. Sie ist eine kleine, ziemlich volle Blondine mit ansprechenden Zügen, einfach, aber sehr geschmackvoll gekleidet, ohne irgend etwas Auffallendes in ihrem Wesen, ihrer Haltung und Sprache. Nichts an ihr verräth im Mindesten den „Blaustrumpf“ nach der Idee, die man sich von einem solchen macht; Niemand ahnt in der freundlichen, zierlichen Hausfrau die kühne Phantasie, welche sich in allen ihren Schriften zeigt.

Den vorherrschenden Auddruck ihres Gesichts bilden Güte und Sanftmuth; ihre Urtheile sind stets wohlwollend, und obgleich sie reiche Kenntnisse besitzt, macht sie doch mit ihrer Gelehrsamkeit in keiner Weise Parade, sie läßt ruhig ihr Licht unter dem Scheffel stehen, wie dies so wenigen ihrer Colleginnen möglich ist, aber gerade dadurch wird ihre Unterhaltung so wohlthuend und liebenswürdig. Sie ist eine sehr fleißige Arbeiterin, die Arbeit wird ihr indeß ungemein leicht. Fast immer arbeitet sie zu gleicher Zeit an zwei bis drei Romanen, die in verschiedenen illustrirten Journalen erscheinen. Ihr Gatte, Herr Maxwell, welcher äußerst thätig und speculativ ist, weiß die schriftstellerische Beliebtheit seiner Frau gehörig zu benützen und verfährt bei der Veröffentlichung ihrer Werke mit vieler Klugheit. Miß Braddon, oder vielmehr Frau Maxwell, steht sehr früh auf und arbeitet den ganzen Morgen, so daß sie gegen Mittag ihr Tagewerk beendet hat, worauf sie entweder spazieren fährt oder spazieren reitet, was sie besonders gern thut, da sie eine sehr gewandte Reiterin ist.

Sie spricht Französisch und auch ziemlich gut Deutsch, liest viel, da sie auch für die neuen Literaturerscheinungen des Auslandrs großes Interesse hegt, und sieht des Abends gewöhnlich einen gewählten Kreis von Bekannten und Freunden um sich, geht aber selbst wenig in Gesellschaft, weil sie sich zeitig zur Ruhe zu begeben pflegt, um des Morgens mit frischen Kräften an die Arbeit gehen zu können.

Sie hat mir einen sehr angenehmen Eindruck hinterlassen, weit angenehmer, als ich nach der Lectüre einiger ihrer letzten Romane, wie „Henry Dunbar“ und „die Frau Doctorin“ etc., die allerdings mit manchem bizarren Beiwerk ausstaffirt sind, für möglich gehalten hätte.



Kleiner Briefkasten.

H–n, Colonie Blumenau in Brasilien. Die Gartenlaube steht zu keiner Partei in dieser Sache. Senden Sie also Ihre Entgegnung ein; wir werden dann sehen, ob sie sich zum Abdruck eignet. Nur ja keine Abhandlung, sondern Bilder frisch aus dem Leben heraus! An gutem Humor dazu scheint es Ihnen ja nicht zu fehlen.

S. K. in Paris. Heute endlich können wir Ihnen die erfreuliche Mittheilung machen, daß schon in einer der nächsten Nummern unsers Blattes die Erinnerungen an meinen Bruder Heinrich Heine, von Maximilian von Heine, Staatsrath in St. Petersburg, zu erscheinen beginnen werden.

F. R. in Potsdam. Sie irren sich wohl, wenn Sie von einem Abdrucke des Spielhagen’schen Romanes „In Reihe und Glied“ in der Janke’schen Romanzeitung sprechen. Derselbe erscheint ja bereits seit mehreren Wochen im Feuilleton der „Neuen freien Presse“.


Nicht zu übersehen!

Mit dieser Nummer schließt das vierte Quartal und der dreizehnte Jahrgang unserer Zeitschrift. Wir ersuchen die geehrten Abonnenten ihre Bestellungen auf das erste Quartal des neuen (vierzehnten) Jahrgangs in dem selbstverständlich, ebenso wie in den frühern Jahrgängen,

Tagesereignisse und Zeiterscheinungen

jede mögliche Berücksichtigung finden werden, schleunigst aufgeben zu wollen.

Alle Buchhandlungen und Postämter nehmen Bestellungen an.
Die Verlagshandlung von Ernst Keil.

Zur Beachtung.

Der Weihnachtsfeiertage wegen und um mit der Woche des Jahres zu gehen, wird Nr. 1 des neuen Jahrgangs erst am 5. Januar 1866 ausgegeben. Der Titel und das Inhaltsverzeichniss zum Jahrgang 1865 hingegen werden schon am 29. December dieses Jahres expedirt.

Die Verlagshandlung.

Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 832. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_832.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2022)