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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

eben so gut vorgetragenen wie sinnreichen Anrede, aus der wir die folgenden Worte wiederholen:

„Herr Präsident! Ich übergebe Ihnen hiermit im Namen der Concordia diese schwarz-roth-goldene Fahne, an welcher wir mit ebensoviel Eifer wie Liebe zu unserm herrlichen Vereine gearbeitet haben. Es ist das schönste Erinnerungszeichen an unsere alte Heimath, an unser liebes, schönes Deutschland, auf dessen ruhmvolle Vergangenheit eine ebenso ruhmvolle Zukunft folgen möge. Neben dem Sternenbanner, dem Symbol der errungenen und bewahrten Freiheit, giebt es keine schönere Fahne, als die schwarz-roth-goldene. Ihre Farben hat kein Zufall, keine Laune eines Fürsten, kein erfindungsreicher Wappenherold, sondern der tiefe, ewig schöpferische deutsche Geist aneinandergereiht, und schön und erhebend ist ihre Bedeutung: durch Nacht und Blut zum Morgenlicht der Einheit und Freiheit. So prange denn, herrliche Fahne, in den Hallen unseres neuen Gebäudes, als eine seiner sinnigsten Zierden, hoch geschätzt von den Mitgliedern der Concordia und ehrfurchtsvoll begrüßt von ihren Gästen.“

Sie schloß mit einem hübschen, für die Gelegenheit verfaßten Gedichte und überreichte die Fahne, die dann von Herrn Nödel im Namen des Vereins entgegengenommen wurde. Nach einer kurzen, sehr passenden und sinnreichen Danksagung an die Damen, wendete sich Herr Nödel an die Gesellschaft. Zuerst der Verdienste gedenkend, die sich die Mitglieder und namentlich die Beamten durch unendliche Opferbereitwilligkeit und Ausdauer bei dem schönen Unternehmen erworben hatten, sprach er die folgenden Worte:

„Als wir vor einem Jahre den Grundstein legten, sagte ich: ,Der deutschen Kunst wollen wir einen Tempel bauen!‘ Wollen wir dieser Worte eingedenk sein! Möge die deutsche Kunst hier eine Heimstätte finden, wo sie mit regem Sinn gepflegt wird! Was wir, Dank den bisherigen Bemühungen und im Einverständnisse mit der Aufgabe der Concordia, bereits leisten können, das wird Ihnen morgen Abend unser Concert, übermorgen unsere erste Theatervorstellung zeigen. Ich möchte mit diesen Worten die Mahnung verbinden, daß der jedesmalige Präsident der Concordia ein Protector der Kunst sein möge, damit nicht prosaische Gewinnsucht unsere schönen Zwecke in den Hintergrund dränge. Ebenfalls sagte ich an dem denkwürdigen Tage: ,Der deutschen Energie ein Denkmal‘. Wenn wir Deutsche bisher etwas anfingen, wurde es gemeiniglich von vornherein belächelt und bespöttelt. Wohl Mancher mag heute Abend hier sein, der mit Achselzucken die Kunde von unserm Vorhaben entgegennahm. Freilich waren es sechszig nicht sehr bemittelte Männer, aber in redlicher Durchführung eines so schönen Unternehmens waren sie unermüdlich, sie, die nimmer wichen und fest zu mir und zusammen standen. Sie hielten das Ziel unverwandt im Auge, und heute sind wir im Stande, die Eröffnung der Halle anzeigen zu können. Und dieses Denkmal ist nicht allein gebaut für uns in Baltimore. Es ist errichtet worden zu Ehren aller Deutschen in Amerika. Könnte ich doch auch meinem alten Vaterlande heute die Worte zurufen: ,Einigkeit macht stark‘. Möchten meine Worte wiederhallen in den Gauen Deutschlands, daß der Einigkeit auch die Freiheit auf dem Fuße folgt. Sodann sagte ich vorm Jahre: ,Der deutschen Gemüthlichkeit eine Stätte‘. Wenn nach des Tages Last und Mühen der Vater sich eine Erholung suchen will, dann findet er hier Alles, was er nur zur Geistes- und Körperstärkung wünschen mag. Und wie der Deutsche in Bezug auf Kunst, und besonders in der Musik, der Pionier auf amerikanischem Boden war, so soll nun auch die Gesellschaft Concordia darthun, was wir im geselligen, gemüthlichen Leben, ohne unser großes Ziel aus dem Auge zu lassen, zu leisten im Stande sind. Wir müssen unseren amerikanischen Mitbürgern nicht als deutsche ,Knownothings‘ uns gegenüberstellen. Wir müssen sie in unsere Mitte laden, sie zu uns heranziehen, damit sie den Inbegriff deutschen Lebens in unserer eigenen Mitte kennen lernen.“

Nicht weniger als drei Festgedichte von verschiedenen deutschen Dichtern Amerikas verherrlichten die Weihe des Tages in gelungenen Versen. Einige Männerchöre und Orchesteraufführungen schlossen den ersten Festtag, denen sich Jeder mit Vergnügen erinnern wird, welcher der Feier beiwohnte.

Am nächsten Abende fand die musikalische Weihe statt, welche in einem meisterhaften Concerte die akustische Vollendung der Halle über allen Zweifel erhob. Der dritte Abend war der Bühnenweihe gewidmet; für diesen Zweck wurde „Narciß“ von Brachvogel aufgeführt. Tüchtige Kräfte, wunderschöne Costüme und Decorationen ließen auch an diesem Abende nichts zu wünschen übrig und zeigten, daß Dramaturgie und Concertmusik schon jetzt in der Concordia in mehr als gewöhnlich würdiger Weise vertreten sind. Die letzten zwei Tage der Festwoche waren der Gemüthlichkeit geweiht, und zwar am Mittwoch durch einen glanzvollen Ball, am Freitag durch ein luxuriöses Banket.

Während der ganzen Woche, mit Ausnahme des ersten Abends, stritten sich angesehene Gäste um die Ehre, gegenwärtig zu sein. Der Präsident der Vereinigten Staaten war leider durch Geschäfte verhindert, selbst zu kommen, doch waren mehrere hohe Würdenträger zugegen, unter denen wir Herrn Chapman, Bürgermeister von Baltimore, und General-Major Hancock von amerikanischer Seite, Herrn General-Major Franz Sigel aber von deutscher Seite erwähnen. Die gesammte Festwoche war eine Reihe von in Amerika unerhörten Genüssen und Vergnügen, die auf Mitglieder und Gäste einen unauslöschlichen Eindruck machten.

Es ist eine Thatsache: die Concordia hat Unglaubliches geleistet, und die Errichtung ihrer Kunsthalle wird fortan eine Epoche in der deutschen Kunstgeschichte Amerikas ausmachen: Nicht nur eine Pflanzschule für dramatische und musikalische Ausbildung wird sie sein, sondern als erstes Beispiel von deutscher Einigkeit und Energie im edlen Streben wird sich von ihrer Entstehung die künftige Entwickelung und Erhebung der edlen Künste unter den Deutschen Amerikas datiren, und Städte wie New-York und Philadelphia werden bald versuchen, die Leistungen Baltimore’s nicht nur nachzuahmen, sondern zu übertreffen. Doch auch in anderer Beziehung ist ihr Entstehen von unberechenbarer Tragweite; wir meinen mit Rücksicht auf unser liebes altes Vaterland. Die Errichtung der Concordia muß in natürlicher Folge bald die Bande noch enger knüpfen, die zwischen den Deutschen an beiden Küsten des atlantischen Oceans schon jetzt bestehen. Um Tüchtiges zu leisten, müssen wir bald um neue Vorbilder, neue Kräfte in den bildenden Künsten nach Deutschland senden, und bald werden deutsche Künstler, die, gewöhnt an die Ansprüche des classischen alten Vaterlandes, spöttisch auf Amerika herniedersahen, ihre Vorurtheile bekämpfen und die Gestade suchen, welche ihnen so viele Aufmunterung bieten. Schon jetzt betreten Schauspieler die Bühnenbreter der Concordia, die allein für diesen Zweck aus Deutschland verschrieben waren.

Wir möchten gern die Namen aller der Künstler nennen, die bei Bau und Aufführung der Concordia mitgewirkt haben, doch der uns zugemessene Raum verbietet dies; dagegen wäre es ungerecht, den Lesern der Gartenlaube die Namen derjenigen zu entziehen, deren Energie und Hochsinnigkeit das verdienstvolle Unternehmen seinen Ursprung und sein Gelingen zu verdanken hat. Damit wollen wir nicht die Verdienste der Mitglieder im Allgemeinen verkennen oder verkleinern, sondern meinen nur, daß von der Leitung und Verwaltung eines solchen Unternehmens das Meiste abhängt und deshalb der Präsident und die Beamten desselben eine besondere Anerkennung verdienen. Es sind dies die Herren: G. W. Nödel, Präsident der Gesellschaft, gebürtig aus Melsungen in Kurhessen, Carl Pracht aus Grünberg im Großherzogthum Hessen, Christian Ax aus Daaden, Kreis Altenkirchen, Regierungsbezirk Coblenz, Georg Wilhelm Gail aus Gießen, Heinrich Meyer aus Battbergen in Hannover, Johann Uhrich aus Rüdigheim in Kurhessen, August Wattenscheidt aus Elberfeld, H. Q. Brink aus Bramsche in Hannover, A. Weiskettel aus Dassel in Hannover, W. F. Bissing aus Burgdorf in Hannover, Adolph Hinze aus Nordhausen (ist zugleich Verbreiter der Gartenlaube in Baltimore), Xavier Köhler aus Schwäbisch Gemünd, Eduard Neumann aus Greifenberg in Schlesien, Julius Stesch aus Breslau, G. Fazius aus Biedenkopf im Großherzogthum Hessen, A. C. Hirsch aus Frankfurt am Main, August Weidenbach aus Naumburg an der Saale, Emanuel Klein aus Pest in Ungarn und Carl Lenschow aus Dassow in Mecklenburg-Schwerin. Adolph Claß aus Heilbronn und W. Kammerhueber aus München waren die Architekten.

Möge der reichste Segen auf ihrem schönen Werke ruhen!

C. F. M. Fähty,     
Oberst in der Vereinigten-Staaten-Armee.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_078.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)