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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Hause finde, und wenn er ausgeht, so begleitet sie ihn überall hin, wo es nur thunlich.

Das ist gewiß etwas, wird unsere deutsche Leserin sagen. Aber mehr: wieviel sie auch immer von ihm verlangen möge, so lange es ihm gut geht, so zufrieden ist sie, mit ihm die bescheidenste Existenz zu theilen, wenn er im Geschäfte Unglück hat. Hatte sie vorher kaum gefragt, woher er nur das viele Geld nehme, welches seine Hauswirthschaft beansprucht; hatte sie seine geschäftlichen Sorgen auch vorher nie getheilt, ja, um die Art seines Gelderwerbs sich gar nicht gekümmert: von nun an wird sie seine Rathgeberin, Freundin, Helferin, schränkt sich ein, thut für ihn Fürsprache, eröffnet ihm Hülfsquellen, opfert für ihn, was irgend entbehrlich, und wird ihm so ein Engel in der Noth. Muß er, um seine zerrütteten Vermögensumstände wieder aufzubessern, in den fernen Westen, oder nach Californien, geduldig bleibt sie daheim, nimmt mit den spärlichen Geldsendungen fürlieb, die ihr von ihm zukommen, ernährt sich und ihre Kinder gar oft selbst, oder unterwirft sich den Beschränkungen, welche ein längeres Verweilen bei wohlhabenden Verwandten ihr auferlegt, damit er mit ungehemmter Kraft sein Glück neu aufbauen könne. Und obwohl in der Zwischenzeit bis zur Wiedervereinigung mit ihm zahlreiche Versuchungen zur Untreue an sie herantreten mögen, wie selten ist der Fall, daß sie denselben erliegt! Es giebt im Osten Zehntausende solcher Strohwittwen mit Männern im fernen Westen, und doch, wie wenig Fälle der Untreue kommen zur allgemeineren Kenntniß, und das in einem Lande, wo die privatesten Angelegenheiten so häufig den Weg in die hundertäugigen Zeitungen finden!

Ueberhaupt ist die Amerikanerin, wenn sie Wittwe, Strohwittwe, oder geschieden, oder durch Untreue oder Verlumpung des Mannes auf ihren eigenen Witz angewiesen wird, bei Weitem weniger hülflos als eine Europäerin in gleicher Lage. Theils sorgen beiderseitige Verwandte, Bekannte, überhaupt der großartige Wohlthätigkeitssinn des Angloamerikaners dafür, daß sie sich selbst weiterhelfen könne; theils erleichtert ihr diese Aufgabe die herrschende Gewerbfreiheit und die behäbige Natur der Verhältnisse; theils entfaltet sie selbst eine Energie und einen Mittelreichthum, wie keine andere Frau. Sie wird Putzmacherin, Gewürzhändlerin, Buchhalterin, studirte Aerztin für Frauen und Kinder, Postmeisterin, Schriftstellerin, Künstlerin, Lehrerin, Kosthaushalterin, Matrone in öffentlichen Anstalten, Fabrikantin, Leihbibliothekarin, Krankenwärterin, Kirchensängerin, Clavierlehrerin, Schauspielerin – kurz, tausenderlei, wozu manche Europäerin nicht wohl im Stande wäre.

Wir erinnern uns einer Frau Paxton, welche ihren Mann, einen Schiffscapitän, auf einer Seereise um das Cap Horn begleitete, von ihm Navigationskunde lernte und, als er auf halbem Wege starb, das Schiff unter den schwierigsten Umständen, selbst einer Meuterei der Matrosen zum Trotz, in den Hafen von San Francisco steuerte. Eine ganze Anzahl Frauen, von denen die Miß Edmonds schon in diesen Blättern erwähnt worden ist, haben im Unionskriege als Spioninnen und Officiere ausgezeichnete Dienste gethan, während tausend andere zur Krankenpflege in den Hospitälern, zum Unterricht der aus der Sclaverei entronnenen Neger und zu andern patriotischen Berufsarten herbeieilten. Die Frau Jane Swißhelm begründete zu einer Zeit und in einer Gegend, wo höchste Gefahr damit verbunden war, in Wisconsin, eine abolitionistische, Weiberrechts-freundliche und sonst radicale Zeitung, erhielt sie allen Anfechtungen zum Trotz jahrelang mit großem Erfolg und widmete sich schließlich nach Ausbruch des Krieges dem Hospitaldienste und der Sammlung von Beiträgen für Verwundete. Die Miß Peabody hat ihr ganzes Leben der Verbesserung des Schulwesens geweiht, und ihre Schwester, die Frau des berühmten Horace Mann, des amerikanischen Schul-Reformators, der Lebensbeschreibung ihres Gatten und der Verbreitung seiner Grundsätze und Erfahrungen. Zahlreiche renommirte Erziehungsanstalten werden von Frauen geleitet, und nicht minder sind es die großen Kosthäuser der Fabriken von Lawrence und Lowell in Massachusetts, in denen Mädchen und Frauen zu Tausenden arbeiten und dabei ein anständiges, der Bildung und Ehrbarkeit gewidmetes Leben führen. Drei Viertel aller Lehrer an den Volks- und anderen Schulen der Union sind Frauen, allerdings kaum zum Vortheile des Unterrichts und der Erziehung, und von den Schriftstellern, Künstlern und Fachverwandten sind es immerhin Hunderte. Die Kosthäuser des Landes, in welchen ein so großer Theil der ledigen Bevölkerung lebt, sind fast alle im Besitz von Frauen (Wittwen und Strohwittwen), und die Anzahl der Berufsarten, in welche sie um lohnender Beschäftigung willen Bresche legen, nimmt noch immer zu. Wie lange wird es noch dauern, und die Frauen haben sich das Stimmrecht errungen, sind Bürgerinnen geworden und helfen die Geschicke des Landes mittels der Gesetzgebung mit bestimmen!

Denn schon gegenwärtig ist ihr Einfluß auf die Politik außerordentlich groß. Ohne ihre lebhafte Antheilnahme daran wäre schwerlich die Abschaffung der Sclaverei so glatt von statten gegangen, als sie einmal zur Verhandlung kam, wäre schwerlich die Mehrheit des Volkes so rasch für eine freisinnigere Auffassung dieser und anderer wichtiger Nationalfragen vorbereitet worden. Sie hielten zwar nicht, wie die Männer, große politische Versammlungen zu diesem Zwecke ab, aber sie begleiteten ihre Gatten in dieselben und halfen sie enthusiasmiren; sie unterstützten die freisinnigen Zeitungen, die Sammlungen für die Verwundeten im Kriege, sie brachten die riesigen Sanitary-Fairs (Bazars zum Besten des Sanitätswesens im Kriege) zu Stande, welche der Nationalsache so großen Vorschub leisteten. Sie brachten ungeheure Opfer an Allem, was ihnen theuer war, und bekehrten Hunderttausende von Männern und Jünglingen zum Radicalismus. Sie sind die Vorkämpferinnen für alle Bildungs- und Erziehungszwecke, für die Sache der Menschenveredlung gegenüber der Rohheit und Barbarei – sie sind das Salz Amerikas!

Und weil die protestantische Kirche und Geistlichkeit hier zu Lande auf Seiten des Fortschritts stehen und gute Bundesgenossen gegen die Aristokratie der Sclavenhalter-Barone und aller aufstrebenden Aristokratie sind, sowie gegen die verkommene und verdummte Einwanderer-Bevölkerung von Irländern und manchen andern Europäern, die politischen Werkzeuge und lenksamen Massen der Rückschrittler, so erklärt sich, weshalb die protestantischen Geistlichen einen so bedeutenden Einfluß auf die Frauen und durch sie auf die Männer ausüben. Die Angloamerikanerin hat begriffen, oder sie ahnt wenigstens, daß ihre bevorzugte Stellung gegenüber der der Europäerin auf dem fortschreitenden Siege der Bildung und Humanität über die eingewanderte wie eingeborene Rohheit und Barbarei beruht, und sie schätzt Kirche und Geistlichkeit als Helfer bei der Entwilderung und Gesittung des Landes und leistet ihnen ungemeinen Vorschub.

Deswegen also besonders – nicht blos aus alter, süßer Gewohnheit – geht sie sonntäglich dreimal, mindestens einmal, und außerdem auch Wochentags in die Kirche, nimmt dahin auch Ehemann und Kinder mit, schwärmt für ihren Prediger, sieht ihn häufig bei sich, sucht seine Stellung so einträglich und so einflußreich wie möglich zu machen und unterstützt alle Zwecke ihrer Kirche. Der Ehemann und der Jüngling sind in der Regel kirchlich aus Sucht nach Ehrbarkeit und zum Vortheile ihres Geschäftes; die Ehefrau und Jungfrau sind es aus inniger Ueberzeugung, sogar aus Frömmigkeit. Wenn dieser große Einfluß der Geistlichkeit auch seine sehr schädlichen Seiten hat, so erlauben unsere Leserinnen diesmal sie zu übergehen.

Durch das Beispiel der deutschen Frauen im Lande lernen übrigens die Angloamerikanerinnen mehr und mehr auch das Wirthschaften im europäischen Sinne. Sie legen mehr und mehr ihre Abneigung gegen weibliche Handarbeiten und vervollkommnete Kochkunst ab und eignen sich Sparsamkeit und Häuslichkeit in höherem Grade an. Dazu tragen nicht minder die häufigeren Reisen nach Europa bei. Auch ist die amerikanische Farmerin, wenngleich sie die Kühe nicht selbst melkt und alle schwereren und unsauberen Arbeiten den Ehemännern und Gehülfen überläßt, doch eine gute Wirthin und vervollkommnet sich durch Lesen guter Zeitschriften möglichst in der Kunst der Haushaltung, weshalb alle Ackerbau-Zeitungen eine besondere Abtheilung für die Frauen, gefüllt mit Recepten, Rathschlägen und Fingerzeigen wirthschaftlicher und erzieherischer Art, neben gesunder Unterhaltungslectüre, bieten. Kurz, die Amerikanerin ist immer mit an der Spitze der Fortschrittsbewegung und äußerst selten der starren Gewohnheit, dem alten Schlendrian verfallen.

Daher wird unsern Leserinnen das, was wir zum Schluß mittheilen wollen, nun weniger auffallen. Soeben hat ein Schiff den Hafen von New-York verlassen, welches mit achthundert Frauen, d. h. Mädchen und jungen Wittwen, beladen ist, welche nach Californien und Oregon gehen, um Männer zu suchen, oder, wenn das

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_121.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)