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de Mackenzie zu machen und in dessen Herz die Fackel einer brennenden Leidenschaft zu werfen. Das jugendliche Paar mag glückliche Tage verlebt haben, so glückliche, daß, als der vom König vollzogene Vertrag endlich anlangte, die Schöne sich weigerte, denselben zu halten, und erklärte, sie zöge es vor, mit ihrem Lord nach Frankreich und England zu gehen. Umsonst versuchte Graf Cataneo sie zur Erfüllung der eingegangenen Verpflichtung anzuhalten. Alle Künste der Ueberredung, alle Androhungen von Zwangsmaßregeln scheiterten an der Hartnäckigkeit der stolzen Italienerin, welche, als ihr nach und nach jede Ausflucht genommen war, als letzten Trumpf die Lüge ausspielte, sie sei bereits mit Lord Stuart vermählt und könne ohne Genehmigung ihres Gatten überhaupt keinen gültigen Vertrag abschließen. Aus dem Bericht, welchen der Graf über diese Angelegenheit nach Berlin erstattete, geht hervor, daß er sich, um sein Recht durchzusetzen, vergebens an die Behörden der Republik Venedig gewandt. Es heißt in diesem interessanten Document: „Auf den Allerhöchsten Befehl Sr. Majestät vom 31. (December 1743), von dem Engagement der Barbarina mich durch kein Hinderniß zurückschrecken zu lassen, habe ich die Ehre, Ew. Excellenz (den Minister von Podewils) zu ersuchen, Sr. Majestät mitzutheilen, daß, da ich die Regierung bisher nicht geneigt gefunden habe, sich in diese Angelegenheit zu mischen, ich mich an die Gesandten von Frankreich und von Spanien gewandt habe. Der Erstere hat in Folge dessen genannte Barbarina für den nächsten Sonntag zu Mittag bei sich eingeladen, und wir werden ebenfalls dort sein, um ihr gütlich zuzureden. Sollte ihr Engländer auf seinem Widerstand beharren, so werden wir sie entführen lassen, um sie auf der Gesandtschaft unterzubringen und dann unter sicherem Geleit zu den Füßen des Königs zu führen; denn ich habe ein von ihr eigenhändig unterzeichnetes Papier in Händen, durch welches sie sich verpflichtet, in den Dienst des Königs zu treten, und ihre gute Mutter ist eine in ihren Entschlüssen sehr feste Frau, die ihr Wort hält. So haben wir das Recht und zugleich die Sittlichkeit für uns; denn das arme Mädchen würde durch eine Verbindung mit dem Engländer sich zweifellos unglücklich machen. Aber es bedarf der umgehenden Uebersendung einer von Sr. Majestät eigenhändig unterzeichneten Vollmacht für das Engagement gedachter Barbarina, welche die in meiner ergebensten Depesche Nr. 223 vom 13. November angegebenen Bedingungen enthält; ich bürge dafür, daß, sobald dies Mädchen erst in Berlin ist, es Sr. Majestät sehr leicht werden wird, sie durch ein lebenslängliches Engagement zu binden.“

Der Widerstand, welchen die kleine Tänzerin dem großen König entgegenzusetzen wagte, brachte diesen in den äußersten Zorn, und er beschloß, seinen Willen um jeden Preis, selbst um den eines officiellen Conflicts mit der Republik Venedig, durchzusetzen. Die Sache hatte ihre Schwierigkeiten. Friedrich Wilhelm der Erste, der Vater des großen Königs, laborirte nämlich an einer unheilbaren chronischen Republikenscheu. Sein Widerwille gegen die republikanische Staatsform hatte so pathologische Formen angenommen, daß ein directer diplomatischer Verkehr des jungen Königreichs Preußen mit der alten Republik Venedig geradezu eine Unmöglichkeit geworden war. Auch der junge König hatte während seiner ersten Regierungsjahre im Drange wichtigerer Geschäfte die Anknüpfung einer diplomatischen Verbindung mit der Republik versäumt. Graf Cataneo war nur preußischer Resident in Venedig ohne jeden officiellen Charakter und daher nicht in der Lage, mit der Staatsregierung unmittelbar zu verhandeln. Man sah sich deshalb genöthigt, einen weiten Umweg einzuschlagen und die Verhandlungen durch den Grafen Dohna, den preußischen Gesandten in Wien, mit Contarini, dem venetianischen Gesandten ebendaselbst, führen zu lassen. Graf Dohna erhielt den Befehl, dem Signore Contarini anzudeuten, daß der König von der Republik Venedig die Auslieferung der Signora Barbara Campanini sofort und alles Ernstes verlange. Contarini theilte dies seiner Regierung mit; der Senat der Republik aber wies die Sache sehr kühl von der Hand, indem er es unter seiner Würde hielt, sich um das Engagement einer Tänzerin zu bekümmern.

Darüber auf’s Aeußerste gereizt, ließ der König mit Umgehung alles Rechtes und Gesetzes durch einen unerhörten Gewaltstreich die Equipagen des venetianischen Gesandten Capello, welcher im Begriff stand, von London über Hamburg durch die preußischen Staaten zu reisen, an der Grenze mit Beschlag belegen. Das große Aufsehen und die allgemeine Entrüstung, welche dieses unglaubliche Verfahren in der ganzen diplomatischen Welt hervorrief, veranlaßte den Grafen Dohna, dem Könige seine allerunterthänigsten Vorstellungen über einen Schritt zu machen, der geeignet sei, die besorglichsten Folgen herbeizuführen.

Diesen Brief beantwortete der König durch folgende vom 17. März 1744 datirte, französisch geschriebene Cabinetsordre: „Das Gerücht, dessen Sie in Ihrer Depesche vom 7. d. M. erwähnen, als hätte Ich die Equipagen des venetianischen Gesandten Capello anhalten lassen, ist so falsch, daß jene Equipagen sogar ohne irgend eine Abgabe zu zahlen durch meine Staaten gegangen sind, da die Befehle, welche Ich zur Einforderung derselben erlassen, auf die erste Nachricht, daß die Republik Venedig Mich in Sachen der Barbarina zu befriedigen gesonnen, sofort widerrufen worden. Ich hoffe, daß sie nicht vergessen werde, ihr Versprechen zu erfüllen, und bitte Gott etc. etc. Friedrich.“

Zweierlei geht aus diesem königlichen Schreiben hervor: erstens, daß die Thatsache, die es bestreitet, nämlich die Beschlagnahme der Equipagen, unleugbar wahr gewesen und erst später rückgängig gemacht worden ist; zweitens, daß der Senat der Republik trotz seiner anfänglichen Weigerung dennoch später dem so energisch ausgesprochenen Wunsch des Königs nachgegeben hat. Das Letztere erhellt auch aus einer vom 4. April 1744 datirten Cabinetsordre an den Grafen Dohna, in welcher der König den Wunsch ausspricht, der venetianische Senat möge die Tänzerin durch ein paar Leute, welche aber die volle Verantwortlichkeit für sie zu tragen hätten, nach Wien befördern lassen. „Sie,“ so heißt es dann weiter, „werden sie dann auf die für ihre Sicherheit angemessenste Weise auf dem Wege durch Schlesien nach Berlin bringen lassen und für die Ausführung dieses Befehls Sorge tragen. Sie werden nicht verfehlen, Alles dieses dem venetianischen Gesandten mitzutheilen, und Ich hoffe, die Republik werde Mir diesen kleinen Beweis von Aufmerksamkeit, welchen Ich von ihr verlange, nicht verweigern.“ Unter dieser Depesche bemerkte der König noch eigenhändig, der Graf Dohna habe sich „mit dem venetianischen Gesandten in Einvernehmen zu setzen über die Mittel, dieses Geschöpf sicher an Ort und Stelle zu schaffen.“

Das Resultat der Unterhandlungen zwischen dem Grafen Dohna und Contarini war folgendes: Der Senat verpflichtete sich, die Signora Barbara Campanini während der Nacht, geleitet von einer Compagnie Reiterei, aus Venedig fort und bis zur österreichischen Grenze bringen zu lassen; von dort habe der Graf Dohna sie in Begleitung eines der italienischen oder französischen Sprache mächtigen Menschen weiter zu befördern. Dagegen mußte der Graf Dohna dafür bürgen, daß die Tänzerin nach Ablauf ihres Vertrags keinen Augenblick mehr in Berlin festgehalten werden sollte.

Graf Dohna hatte einen Haushofmeister Namens Mayer, einen vielgereisten und ebenso gewandten wie energischen Mann. Diesem wurde der peinliche Auftrag ertheilt, die Barbarina auf ihrer unfreiwilligen Reise zu begleiten. Von Contarini erhielt er eine dem Militär-Commando an der Grenze vorzuzeigende Vollmacht, welche also lautete: „Dem Vorzeiger dieses Scheines ist an der venetianisch-österreichischen Gränze in Friaul zwischen Palmada und Gorizia die Frau Barbara (ihres Gewerbes Tänzerin) ohne Weiteres auszuliefern.“ Gleichzeitig wurde Mayer von dem Grafen Dohna mit einer ganz genauen Instruction für den Transport der Barbarina versehen, welche der Graf noch durch folgenden eigenhändigen Zusatz vervollständigte: „Als welche Barberina er auf alle Weise zu flattiren, ihr die Reise bequem zu machen und sie in guten Humeur zu setzen suchen, auch ihr versichern wird, daß sie in eine schöne Stadt, an einen großen Hof und in eines gnädigen Königs Dienste käme, worin sie alle Ursache vergnügt und zufrieden zu seyn, haben wird.“

Mit dieser Instruction und seiner Vollmacht versehen, langte Mayer am 16. April in Palma nova an der österreichisch-venetianischen Grenze an, woselbst er die unglückliche Barbarina in Empfang nahm. Vergebens hatten Lord Stuart de Mackenzie und der junge Graf von Calenberg, sein Freund und gleich ihm ein Verehrer der schönen Tänzerin, in Venedig Alles aufgeboten, um den preußischen Residenten zur Freigebung der wider alles Recht und Gesetz verhafteten Dame zu bewegen; vergebens waren sie der Reisenden vorausgeeilt, um auf österreichischem Boden ihre Befreiung durch Gewalt, durch List oder Bestechung, kurz, durch Mittel zu versuchen, deren Anwendung auf venetianischem Gebiete durch die starke Cavalerie-Escorte unmöglich gemacht wurde. Alles umsonst.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 217. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_217.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)