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dem zweiten, diesmal siegreichen Gefecht bei Trautenau sind unter seiner Führung geschlagen worden. In Steinmetz sehen wir einen grauen Kämpfer der Befreiungskriege, den das eiserne Kreuz schmückt. Später war er Commandeur des Düsseldorfer Garde-Landwehr-Bataillons, führte, nach dem Berliner Barrikadenkampfe, zwei Bataillone des zweiten Infanterie-Regiments nach Schleswig und in der Schlacht bei Schleswig, überwachte dann die preußische Nationalversammlung in Brandenburg und war zuletzt Commandeur des Berliner Cadettenhauses. Nach seinen Siegen an der Grenze Böhmens bildete das von ihm befehligte fünfte Armeecorps das Reservecorps in der Königgrätzer Schlacht und ist mit diesem nach Mähren und Oesterreich vorgerückt.

Zu den Feldherren der böhmischen Siege gehört auch der General Herwarth von Bittenfeld, der Chef des achten Armeecorps, das erst Sachsen besetzte, dann bei Münchengrätz zuerst im Feuer stand und gemeinsam mit der ersten Armee des Prinzen Friedrich Karl bei Gitschin den blutigen Sieg errang. Auch dieser Feldherr gehört zu den Veteranen des Befreiungskriegs und hat fünfzig Jahre später in einem zweiten Befreiungskrieg, im Sturm auf Alsen, noch den alten, jugendkräftigen und doch ruhigen und besonnenen Geist bewährt.

Auf dem rechten Flügel der großen preußischen Heeresstellung, die jetzt von den Karpathen bis an den Rhein reicht, hat vor Allen der Chef des siebenten Armeecorps, General Vogel von Falckenstein, sich ausgezeichnet. Sein Zug von Hessen aus zwischen die Armeen Baierns und des Bundes hinein, deren jede der seinigen überlegen war, und nach blutigen Gefechten bei Lohr und Aschaffenburg nach Frankfurt gehört zu den kühnsten Unternehmungen, die je gelungen sind, und wird einst eines der interessantesten Blätter dieses an sich so traurigen Kriegs füllen. Vogel von Falckenstein trat 1813 als freiwilliger Jäger in die preußische Armee. Man erzählt, daß er damals seiner Mutter davongelaufen und so schwächlich gewesen sei, daß man ihm kaum habe eine Büchse anvertrauen wollen. Dennoch war er schon im December desselben Jahres Lieutenant und führte bei Montmirail, als alle Officiere kampfunfähig geworden waren, allein das Bataillon und erhielt das eiserne Kreuz. Auch er stand im Berliner Barrikadenkampf; 1864 ward er Chef des Generalstabs von Wrangel und 1866 General der Infanterie. Sein Antheil an den gegenwärtigen Kämpfen ist bekannt; die vollständige Sicherung des rechten Flügels des preußischen Heeres an der Mainlinie ist sein Werk.




Das Thor Amerika’s.[1]
1. New-Yorks Hafen und Umgebung.
Von H. Raster.


New-York ist die drittgrößte deutsche Stadt der Welt, soweit die Größe nach der Einwohnerschaft bemessen wird, denn außer Berlin und Wien hat keine andere eine größere Zahl deutscher Einwohner. Weiter freilich reichen die Ansprüche von New-York auf den Namen einer deutschen Stadt nicht. Der Einfluß, welchen die deutschen Bewohner derselben auf die Gestaltung ihres Charakters und ihrer Bedeutung als eine commercielle Weltstadt üben, steht keineswegs im Verhältniß zu ihrer Kopfzahl. Das ist deshalb nicht zu verwundern, weil unter ihnen selbst diejenigen Bedingungen, welche äußere Geltung oder moralischen und gesellschaftlichen Einfluß bestimmen, sich in weit geringerer Proportion vorfinden, als unter der gleichstarken seßhaften Bevölkerung einer Stadt in Deutschland. Mehr als neun Zehntel der Deutschen, die sich in New-York niederlassen, oft auch nur kleben bleiben, weil ihnen die Mittel zur Weiterreise in’s Inneres des Landes fehlen, gehören dem Arbeiterstande an. Sie sind durchweg sehr nützliche und willkommene Mitglieder des Gemeinwesens und sehr viele von ihnen arbeiten sich durch Fleiß und Ausdauer binnen kurzer Zeit zu mäßigem Wohlstande, nicht eben wenige sogar zu Reichthum empor, aber sie vermögen das nur, indem sie ihr deutsches Wesen mit größerem oder geringerem Erfolg dem amerikanischen anpassen, und dabei geht denn die Fähigkeit, ihrerseits gestaltend und verändernd auf das amerikanische Wesen einzuwirken, oft leider auch die Lust dazu größtentheils verloren.

Allein, wie dem auch sei, immerhin ist die Stadt New-York eine hinlänglich deutsche, um als solche auch in Deutschland zu gelten. Eine solche Stadt sollte in ihrer äußern Erscheinung wie in ihrem gesellschaftlichen Treiben der Anschauung des deutschen Publicums näher stehen, als es der Fall ist. Man sollte davon so bestimmte Eindrücke haben, wie man sie bei der Nennung der Städtenamen Berlin, Wien, Köln, Frankfurt oder Hamburg hat.

Freilich hat die Stadt weder jene große geschichtliche Vergangenheit aufzuweisen, welche das Gemüth erregt, noch stolze Baudenkmäler, welche als Merkmale und Erinnerungszeichen dieser Vergangenheit dienen. An öffentlichen Sammlungen von Werken der bildenden und darstellenden Kunst fehlt es gänzlich; Alles, was in dieser Beziehung vorhanden ist, befindet sich in den von außen unscheinbaren, innen aber mit fürstlicher Pracht eingerichteten Wohnungen begüterter Privatleute. Gleichwohl hat die Stadt ihre eigenthümlichen Schönheiten, nur muß sie der Realist suchen und nicht der lyrische Dichter. Denn sie sind nicht in Gemüthsbeziehungen auf eine durch die Entfernung in der Zeit verschönte Vergangenheit zu finden, sondern in der Betrachtung des stürmisch brausenden und lärmenden Getriebes einer in titanenhafter Anstrengung breite Grundlagen für eine große, reiche Zukunft legenden Gegenwart, in dem großartigen Kriege, welchen die amerikanische Cultur mit der rohen Naturkraft führt und dessen Hauptquartier die Stadt New-York ist. Nicht in Tempeln und Palästen, welche eine vergangene Gesittungsperiode himmlischen oder irdischen Herrschern errichtet hat, sondern in den Stätten, wo der die bewältigte Naturkraft als Sclavin verwendende Menschengeist zahllose neue Werthe schafft, um allen Menschen diejenigen Lebensgenüsse erreichbar zu machen, die sonst nur wenigen Auserwählten zugänglich waren; in den gewaltigen Speichern, welche die Arbeitserzeugnisse Hunderttausender von Menschen bergen, in den mächtigen Flotten, welche diese Erzeugnisse vertheilen, kurz, in den Wahrzeichen nützlicher, das Wohlergehen und Behagen freier Menschen fördernder Thätigkeit ist die Poesie amerikanischer Großstädte zu suchen und da ist sie auch zu finden.

Und zwar kann man sie in New-York finden, ohne nur die Stadt selbst zu betreten. Bei einer bloßen Umschiffung der Insel, welche die Stadt bildet, drängt sich von allen Seiten eine erdrückende Fülle der buntesten Mannigfaltigkeit von Erscheinungen heran, zu welcher die Natur und die Menschenhand zu gleichen Theilen beigesteuert haben. Der Hafen von New-York ist eine Welt für sich, und wenn von den Hauptstraßen der westlichen Metropole die Rede ist, sollte nicht der Broadway mit seinen meilenlangen Façaden von Marmor, Granit, Sandstein und dem fast ganz verdrängten Backstein, sondern der East-River in erster Reihe genannt werden.

Außer dem Golf von Neapel hat Europa wohl kaum eine Meeresbucht aufzuweisen, welche sich an lieblicher Schönheit mit der von New-York messen kann. Zwar an majestätischer Pracht der Uferbildung muß sie hinter mancher zurückstehen, – die grünen Gefilde von Long Island und die waldigen Hügel von Staten Island und New-Jersey erfrischen und erheitern das Auge, aber blenden es nicht durch imposante Größe. Doch der stillen Großartigkeit des von diesen Feldern und Hügeln eingeschlossenen Wasserbeckens, auf welchem sich die Flotten von ganz Europa in vollster Sicherheit schaukeln können, und der beiden gewaltigen Ströme, die sich von Norden her in dasselbe ergießen, giebt es nichts an die Seite zu stellen. Noch bieten die Ufer dieser Ströme landschaftliche Schönheiten genug dar, die Fernsichten von den felsigen Hügeln auf dem westlichen Ufer des Hudson sind von einer Herrlichkeit, welcher nicht einmal der Pinsel des Malers, geschweige das geschriebene Wort genugthun kann. Aber der Hauptreiz des

  1. Wir eröffnen mit obigem Artikel, aus der Feder des bekannten und geistreichen Correspondenten der Nationalzeitung, eine Reihe von Skizzen über New-York, die in ihrer Gesammtheit ein treues und interessantes Bild der amerikanischen Weltstadt, für uns Deutsche gewissermaßen des Thores von Amerika, liefern werden. Die vorstehende Schilderung will der Verfasser nur als Einleitung angesehen wissen, als eine Art Vogelperspective zur topographischen Orientirung, welcher Detailschilderungen und Genrebilder folgen werden.
    D. Red.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 477. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_477.jpg&oldid=- (Version vom 5.7.2016)