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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

dauernden (zweiten) Zeitraume (der Wundreinigung) werden durch die beginnende Eiterung die die Wunde (besonders den Schußcanal) verunreinigenden Körper entfernt, und diese können ebensowohl von außen eingedrungene sein (wie Erde, Sand, Geschosse, Kleidungsstücke etc.), wie auch zerstörte oder abgestoßene Körperbestandtheile. – Nach der Wundreinigung schießen auf der Wundfläche unter dem fortwährend abfließenden Eiter schöne, lebhaft rothe, sogenannte Fleischwärzchen (Granulationen) empor und die Heilung (per secundam intentionem s. suppurationem) und Vernarbung beginnt. Dieser Zeitraum der Wundheilung ist natürlich von ganz unbestimmter Dauer und kann viele Jahre in Anspruch nehmen. – Das Zurückbleiben der fremden Körper hat den größten Einfluß auf die Verlangsamung der Heilung, und gar nicht selten bleiben dieselben (eingekapselt oder sich allmählich von ihrer Stelle entfernend) für’s ganze Leben beim Verwundeten.– Die Aufgabe des Chirurgen ist es, die angegebene Heilung einer Wunde durch die Natur, so viel es die Wissenschaft vermag, zu unterstützen. Er stillt die vorhandene Blutung, entfernt etwaige fremde Körper, vereinigt die Wundflächen, giebt dem Verwundeten und besonders dem verletzten Theile die gehörige Lage, mäßigt die Entzündung und das Wundfieber, sucht die Eiterung in gutem Zustande und in Grenzen zu halten, hält durch äußerstes Reinhalten der Wunde die Jauchebildung und den Brand von derselben ab, hebt die Kräfte des Verwundeten durch richtige Diät und beschleunigt die Vernarbung.

Die feinere (mikroskopische) Arbeit des Naturheilungsprocesses bei Verwundungen soll in einem nächsten Aufsatze beleuchtet werden. Schließlich wollen wir nur nochmals erwähnen, daß jede Wunde, zumal bei Soldaten in den Spitälern, mit der allergrößten Reinlichkeit zu behandeln ist. Schon das Verbinden mit Charpie aus alter Leinwand, die nicht vorher gewaschen und gereinigt wurde, oder mit Charpie, die von unreinen, mit Geschwüren oder eiternden Stellen behafteten Händen gezupft wurde, kann eine ungefährliche Wunde gefährlich machen. Die Charpie ist überhaupt ein sehr gefährlicher Infectionsträger, und deshalb sollte dieselbe stets vor ihrem Gebrauche gereinigt, ja desinficirt werden. Noch besser ist es aber, wenn anstatt der Charpie die rohe amerikanische Baumwolle angewendet wird, welche sowohl an Gleichförmigkeit beim Bedecken, als beim Aufnehmen der Wundwässer und beim Aufsaugen des Eiters der Charpie weit vorzuziehen ist. Auch wenn man feines französisches Seidenpapier mit Leinöl, essigsaurem Blei, Bleiglätte, gelbem Wachs und Terpentin (nach Gautier), oder (nach Lauer) mit Leinöl, borsaurem Manganoxyd und gelbem Wachse tränkt, so hat man ein gutes Verbandmaterial, welches jedenfalls besser und billiger als Charpie ist und selbst der Baumwolle nicht viel nachsteht. Auch sehr dünne (ein Drittel Millimeter dicke) Platten von Kautschuk (Paragummi), die aber stets sorgsam (durch tagelanges Einlegen in Wasser) gereinigt werden müssen, wirken sehr wohlthätig als Verbandmittel auf die Wunde (nach Neudörfer) und sind der Charpie vorzuziehen, zumal da sie auch noch ganz unverwüstlich sind.

Die Badeschwämme, welche gewöhnlich zur Reinigung von Wunden benutzt werden, tragen gar nicht selten die Schuld an Verschlechterung der Wunde, ja sogar am Tode des Verwundeten. In ihnen erzeugen und verbergen sich nämlich äußerst leicht und gern schlechte, ansteckende, in Fäulniß begriffene und sehr schwer daraus zu entfernende Stoffe, welche die Wunde brandig zu machen im Stande sind. Selbst wenn jeder Verwundete seinen eigenen Schwamm hätte, der fortwährend im Wasser läge, so könnte sich doch Schädliches in demselben bilden. Deshalb verbanne man den Schwamm ganz und gar und reinige die Wunde entweder mit einem ganz reinen, weichen, alten Leinwandläppchen, das nach dem Gebrauche wegzuwerfen ist, oder, und das dürfte wohl das Beste sein, durch Wasser, welches mittels einer kleinen Gießkanne aufgegossen wird. Kurz, die Gesetze der Reinlichkeit, sowie der Ventilation müssen bei Behandlung Verwundeter mit scrupulösester Strenge gehandhabt werden; reine Luft ist neben reizloser nahrhafter Kost für den Verwundeten unentbehrlich. – Diese wenigen Andeutungen für die Behandlung und Heilung von Wunden sind für Laien bestimmt, die sich bei Mangel an Chirurgen an den Hülfsleistungen, die man allen Verwundeten als Mensch schuldig ist, betheiligen.

Bock.




Blätter und Blüthen.


Der Kuß von Weib und Kind. Der preußische Husarenlieutenant v. T. war von Eisenach aus mit einer Patrouille nach dem Werrathal zur Recognoscirung gesandt. v. T. war erst kurz vor Ausbruch des Krieges in preußische Dienste getreten; vorher gehörte er dem Contingent des Herzogs von Meiningen an. Seine ihm vor Jahresfrist angetraute junge Frau stammte aus Meiningen und befand sich jetzt während des Krieges bei ihrer dort lebenden Mutter, also im Heimathland. Der junge Krieger hatte längere Zeit keine Nachricht von ihr erhalten können, da der Verkehr mit dem Herzogthum Meiningen abgeschlossen war. Und doch war sein Herz voll Sehnsucht nach einer Kunde von ihr, denn er wußte, daß „ihre Zeit gekommen war“. Es war schon Abend geworden, als er mit seiner Patrouille von sechszehn Mann über Salzungen hinaus stand. Sechs Stunden davon lag Meiningen. Die vorübergleitenden Wogen der Werra brachten ihm Grüße von dort, aber keine Kunde über das süßeste Geheimniß seiner Ehe. In Meiningen standen baierische Truppen; seine Pflicht verbot ihm, die ihm anvertraute Schaar in solche Gefahr zu führen, aber sein Vaterherz drängte ihn unaufhaltsam vorwärts. Seine Jugend reizte das Abenteuerliche und bestimmte seinen Entschluß. In raschem Trabe jagte er mit der willig folgenden Schaar thalaufwärts, immer dem Strome entlang, hinein in die sinkende Nacht. Kurz vor Mitternacht stand er an den Thoren von Meiningen. Zu beiden Seiten des Weges rief es ein „Werda!“ und Hähne knackten. Als aber der Vorposten die stattliche Reiterschaar sieht, duckt er sich ängstlich in den Chausseegraben und jene reitet ungehindert in die stille Stadt hinein. Durch schweigende Straßen dringt sie vor bis an ein wohlbekanntes Haus. Dort brennt noch in dem Eckgemach ein einsames Nachtlicht. „Halt,“ ruft der Führer seiner Schaar zu, „wir sind am Ziel.“ Er steigt vom Pferde. Das flehende Entsetzen der edlen Matrone, welche ihm die Thür öffnet, wandelt sich rasch zur Freude. Es ist der Gatte der Tochter, und sie darf ihm nun, was sie so gern schon gethan hätte, verkünden, daß ihm ein Sohn geboren sei. Er nimmt das Knäblein aus der Wiege, herzt und küßt es, bis daß es laut aufschreit; dann beugt er sich über das Lager der in Seligkeit lächelnden Mutter zum ersten Mutterkuß, der sich an Tiefe nur messen kann mit dem ersten Kuß der Braut. Nur ein Moment, aber mit einer Welt voll Seligkeit, dann ruft die Pflicht, denn schon wird es wach in den Straßen. „Aufsitzen, rechts um kehrt!“ und in stiebendem Galopp fliegt die Patrouille mit ihrem kühnen Führer wieder zur Stadt hinaus und ist schon weit über die Bannmeile, als die Alarmtrommel und der entsetzte Ruf: „Die Preußen sind da!“ die ganze Stadt aus ihrer Ruhe schreckt.

Vergebens pfiffen die Kugeln hinein in die Nacht ihnen nach, diesmal war er ihnen entwischt, der kühne preußische Husarenlieutenant. Aber nach ein paar Wochen nahmen die Baiern doch Revanche für die nächtliche Ruhestörung. Gleich im Anfang des Gefechts von Wiesenthal sank der kecke Patrouillenführer von einer Kartätsche getroffen vom Pferde, aber der Kuß von Mutter und Kind hatte ihn besser gefeit, als die Amulets, welche die Altbaiern auf der Brust trugen; er war nur leicht verwundet und ist, bei liebevoller Pflege, jetzt schon wieder genesen.

J. Hg.





Für die Verwundeten und Hinterlassenen der Gefallenen


gingen wieder ein: Aus Messina, Ertrag einer durch Herrn Bernh. Frey veranstalteten Sammlung von einundzwanzig Deutschen, einem Franzosen und einem Italiener 199 Thlr. 14 Ngr. Den wackern Landsleuten und mitleidigen Gebern dort herzliche Grüße. – O. und A. 2 Thlr. – Aus Markneukirchen: Ertrag einer von dortigen Dilettanten gegebenen Instrumental- und Vocal-Abendunterhaltung 75 Thlr. (möglichst für Verwundete in böhmischen Lazarethen). – H. A. Keßler 15 Ngr. – H. A. Schuster 1 Thlr. – H. Schatz 20 Ngr. – Frau S. J. in Frankfurt 4 Thlr. – Rest einer Sammlung für Schleswig-Holstein, durch Rechtsanwalt Grosser in Stadt Ilm 18 Thlr. – Ch. Fr. in W. 1 Thlr. – Von vier Mädchen aus K. 4 Thlr. – Auguste Hohmann in Eisenach 2 Thlr., nebst einem Paket Charpie. – N. in W. 3 Thlr. – Von einer dankbaren Mutter aus Wiesbaden, welcher der theure Sohn durch Gottes Hülfe erhalten wurde, 12 Thlr. – Ertrag einer durch Doctor Süßenguth in Lobenstein veranstalteten Sammlung 24 Thlr. 10 Ngr. 1 Pfg. – Marie Hößel in Gotha 1 Thlr. – Von drei Geschwistern in Obermolbitz 3 Thlr. – Turnverein in Chemnitz 30 Thlr. – Von mehreren Freimaurern 2 Thlr. 13 Ngr. und E. in Holf 2 Thlr. – Sophie Hirschberg in Eibenstock 5 Thlr. – Clementine, Ottilie, Johanna und Louis in Bautzen 4 Thlr. – Von dem Bergeleven H., Lehrer E. und den Schulkindern zu S. (Nassau) 1 Thlr. 21 Ngr. – C. W. M. in Schmalkalden 1 Thlr. – H. in Mühlhausen 20 Thlr. – F. Müller in Sonneberg 2 Thlr. – O. S. in Altenburg 2 Thlr. – N. N. in Greiz 4 Thlr. – Ein Abonnent der Gartenlaube in Schmalenbucha 1 Thlr. – Gemeinde Großbocka bei Münchenbernsdorf 6 Thlr. – Hedwig und Paul in Weißensand 2 Thlr. – Turnverein in Kahla 10 Thlr. – Anna in Magdeburg 5 Thlr. – Schneider u. Comp. in Gräfenthal 15 Thlr. – E. in Mühlhausen bei Adorf 4 Thlr. – Superintendent Göring in Großrudestedt 2 Thlr. – Aus Groitzsch ohne Unterschrift 1 Thlr. – Ertrag eines von der Liedertafel in Wermsdorf veranstalteten Concerts 26 Thlr. 11 Ngr. 6 Pfge. – Kaufmännischer Verein in Frankenberg 20 Thlr. – Von einem Ungenannten 10 Thlr. – Gothaer Schwefelbande für den Strauß des Blumenmädchens 20 Thlr. – Vierter Theil des Reinertrages des am 5. August vom Riedel’schen Verein in Leipzig veranstalteten Kirchenconcerts 212 Thlr. 15 Ngr.

Die Redaction.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 536. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_536.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)