Seite:Die Gartenlaube (1866) 560.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Geistes, nach Preußen über, wo er in Berlin die Redaction der Preußischen Jahrbücher übernahm und außer durch verschiedene gediegene Aufsätze in dieser Zeitschrift namentlich jene Eingangs erwähnte Flugschrift veröffentlichte, die augenblicklich in aller Patrioten und – Nichtpatrioten Munde ist. Jedenfalls steht dem noch jungen Manne, dessen Begabung und Wissen ungewöhnlicher Art sind, eine bedeutende Laufbahn bevor. Wie die Zeitungen melden, ist er in dasselbe nunmehr einem freisinnigen Regimente zurückgegebene Baden, das ihn kaum erst beseitigen zu müssen glaubte, von Neuem berufen worden, als Professor der Geschichte nach Heidelberg, und hat sicherem Vernehmen nach diesen ehrenvollen Ruf auch angenommen.




Der Dommeister von Regensburg.
Geschichtliche Erzählung von Herman Schmid.
(Fortsetzung.)


Fußtritte polterten die Treppe des Rathhauses herauf und durch den Vorsaal; der Schmied von Weih-Sanctpeter stürzte rothglühenden Angesichts in das Gemach. „Mit Verlaub, Ihr Herren und Meister allerseits,“ rief er, „daß ich so hereinfalle mit der Thür in’s Haus … die Wachtgenossen sind nicht mehr zu halten … eine wichtige Kundschaft, die wir aufgefangen …“

„Redet, Meister, athmet aus,“ sagte Roritzer, „und erzählt ruhig, was sich begeben …“

„Weiß schier selber nicht, wo ich anfangen soll,“ fuhr der Schmied fort, „stunden unser eine Schaar gegen das Donauthor zu und hatten unvermerkt Acht, wer die Brücke hereinkäme und wer hinaus wollt’, da kam ein Bauer herangeschritten, den ich von Sehen wohl gekannt, er heißt Hillinger und ist ein Weinzierl in Stauf und hat oft sein Rößlein beschlagen lassen an meiner Schmiede. Fiel mir schon auf, daß er that, als säh’ er mich nicht, und wollt’ sich sacht an uns vorbeidrücken, und wie ich ihn drum anrief, da war er erschreckt und blaß und zitterte, daß er schier nicht zu reden vermocht’. Wir gingen ihn d’rum schärfer an, da fiel er auf die Kniee und sagt’, er dürf’s nicht gestehen, aber er hab’ eine wichtige Botschaft zu tragen … an Herrn Lyskirchner, den Stadtkämmerer …“

„An mich?“ stammelte dieser erbleichend.

„Da suchten wir dem Kundschafter das Gewand aus,“ begann der Schmied wieder, „und fanden im Wamms eingenäht dieses Schreiben…“

„Her damit, was enthält es?“ rief Roritzer, entfaltete das Blatt und las: „‚Wir sind gerüstet und die Zahl voll; gebt das Zeichen und sorgt, daß wir das Pförtlein offen finden …‘ Nun, Herr Stadtkämmerer, geliebt es Euch wohl, uns zu künden, was das bedeuten mag?“

„Ich weiß nichts davon!“ rief dieser grimmig. „Das ist elende Verleumdung! Angezettelt Wesen, mich zu schädigen…“

„Meint Ihr, Herr Stadtkämmerer?“ entgegnete der Dommeister mit ruhigem furchtbarem Ernst. „Ich will Euch hinwider meine Meinung sagen … das ist nicht angezettelte Verleumdung, das ist Verrath! Während Ihr uns hier mit dem Schein von Verhandlungen hingehalten, habt Ihr draußen Soldknechte geworben und sinnt, die gute Stadt meuterisch zu überfallen …“

„Lügner, wer das behauptet!“ schrie der Kämmerer außer sich. „Man stelle diesen Bauer zu ordentlicher Untersuchung, es ist ein falscher, ein bestochener Zeuge …“

„Nicht doch, Herr Stadtkämmerer,“ rief jetzt der Fremde dazwischen und trat mit solcher Würde vor, daß die Andern unwillkürlich zurückweichend einen Kreis um ihn bildeten. „Versuchet nicht länger mit diesem irregeleiteten Volke zu verhandeln und seinem hirnverbrannten, übermüthigen Führer, die Zeit der vergeblichen Milde ist vorbei und die der gerechten Strenge beginnt! Ja denn, Ihr Aufrührer, es ist wie Ihr befürchtet, Regensburg ist umstellt und auf das erste Zeichen dringen die Söldner ein, Euch zu züchtigen und die Brandfackel über Euere Häuser zu schleudern; wagt es nicht auf dieses Aeußerste! Unterwerft Euch, legt die Waffen ab und demüthigt Euch, und Euch Allen soll Gnade werden, Ihr sollt ungeschädigt sein an Leib und Leben, an Hab und Gut, dafür bürge ich Euch Allen, im Namen kaiserlicher Majestät … ich, Thomas Fux von Schoenberg, Kaiser Maximilian’s Geheimrath und wohlbestallter Hauptmann in Regensburg.“

„Wie?“ rief der Dommeister außer sich, während die Bürger einen Augenblick betroffen und unschlüssig standen. „Auch das war Mummerei und eitel Fastnachtsscherz? Das ist also die Aufrichtigkeit, mit der Ihr groß gethan, Ihr Verräther?“ Versöhnung habt Ihr nur geheuchelt? Habt dem wackern gläubigen Volk nur einen Köder hingeworfen, daß Ihr Zeit gewinnt, es hinterlistig mit Euren Schlingen zu umstricken? … Wohlan denn, Ihr Herren, Euer Regiment in Regensburg ist zu Ende!“

„Bedenkt, was Ihr thut!“ rief der Hauptmann. „Ich werde dem Kaiser berichten…“

„Ich will Euch die Mühe sparen, neue Mährlein zu ersinnen, Herr, ich werde selber gehen und dem Kaiser Bericht erstatten, Ihr aber werdet’s Euch indessen in Regensburg gefallen lassen.“

„Ich sehe,“ sagte der Hauptmann, „der Volkstribun hat sich entpuppt und der neue Dictator ist fertig; aber Ihr werdet es nicht wagen, den Gesandten kaiserlicher Majestät zurückzuhalten.“

„Ich will erst glauben lernen,“ sagte Roritzer mit Hoheit, „daß Ihr solche Würde an Euch tragt; ich will von Maximilian selber hören, ob er es gut heißt, daß sein Gesandter und Hauptmann in der Vermummung sich einschleicht, recht wie ein Fuchs in den Bau! Ja, meine Freunde und Genossen, der Kaiser soll mich hören! Er ist eben auf der Reise zum Reichstag in Augsburg, er wird mich hören, wird Eure Sache gerecht aus meinem Munde hören und ein gerechtes Urtel sprechen! In wenig Tagen bin ich zurück; bis dahin gelobet mir, Ruhe zu halten und Niemand zu schädigen an Leben und Eigenthum! Sorgt nicht vor einem Angriff auf die Stadt, die äußeren, die bezahlten Feinde wagen nichts, wenn die inneren unschädlich gemacht sind, und das übertrag’ ich Euch. Besetzt die Thore und Wehrgänge, besetzt das Rathhaus und alle Thüren in demselben, bewachet die edlen Herren wohl! Bei Eurem Leben, bei Eurer guten Sache, Ihr steht für die Ruhe der Stadt, Ihr bürgt mir dafür, daß Keinem ein Haar gekrümmt wird … Gelobet Ihr mir das?“

„Wir geloben!“ tönte es in wildem Zuruf entgegen.

„Nun denn, so thut, wie ich Euch gesagt … Nehmt Eure Gefangenen hin!“

Auf die vernichteten Rathsherren zeigend, die im Augenblick umringt und ergriffen waren, verließ der Dommeister den Saal; von unten dröhnte der Zuruf des Volks, das den Vorgang erfahren, wie ein wettergeschwellter Bergstrom herauf.

Draußen hielt Roritzer an und faßte des Bildschnitzers Hand. „Loy,“ sagte er, „alter Freund, ich verlasse Regensburg und Dich! …“

„Was fällt Dir ein, Wölflein? Ich gehe mit Dir!“

„Diesmal nicht, ich muß mein Kleinod hier zurücklassen und brauche einen treuen, tüchtigen Wächter dafür. Die Bauhütte ist meinem Schutze vertraut, willst Du sie für mich bewahren, als wär’ ich selber da?“

Der Alte konnte nicht reden; gerührt faßte er des Freundes Hand und drückte sie an seine Brust … „Was Du verlangst, Wölflein,“ stieß er dann heraus, „was Du verlangst, ich hab nun einmal keinen Willen gegen Dich!“


3.

In Lärmen und wildem Geschrei verhallte der Tag, die dunkle, ernsthafte Stadt schien Antlitz und Wesen vertauscht zu haben; wo sonst Gewerbe und Handwerk in den engen Erdgeschossen sich lustig hören ließ, war es stumm geworden und auf Straßen und Plätzen, wo es sonst stille gewesen und nichts verlautete, als der kleine Verkehr täglichen Bedürfens, da drängte und wogte es in wüstem Treiben und Brausen, wie in einem Haufen aufgestörter Ameisen oder einem Schwarm verwilderter Immen; mochte auch dem Gebahren

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 560. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_560.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)