Seite:Die Gartenlaube (1866) 660.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

auch das Erz wird Leben gewinnen für viele tausend Augen, für die es bis heute todt war.

„Laß uns Thaten sehen!“ So ruft heute das Volk der bildenden Kunst zu. Die Thaten der Fürsten, deren Nachkommen auf Thronen sitzen, sind unvergessen: mit ihnen sind die Schlösser geschmückt, ganze Galerien ausgestattet und die dienstwilligen Pinsel und Griffel beeiferten sich, sie in zahllosen Gemälden und Kupferstichwerken

Der Lombardische Friedensschluß in Constanz.

der Welt zur Schau zu stellen. Wo aber bleibt das geschichtliche Leben so vieler Städte, wo bleiben die Thaten des Volkes und seiner Männer, die im großen Lauf der Geschichte so leicht vergessen werden? Hier öffnet sich ein Feld der Thätigkeit für die Kunst, das fast noch unangebaut ist und für welches endlich die Fresco-Malerei mit der Architektur einen neuen Bund schließen muß.

Friedrich der Zweite von Hohenstaufen zieht als Kaiser in Constanz ein.

Zweierlei Thaten sind es, die der städtischen oder örtlichen Verherrlichung harren: solche, die der deutschen Geschichte angehören und einem Orte geschichtliche Bedeutung verliehen haben, und solche, welche das Andenken von Angehörigen des Ortes und seine eigene ehrenvolle Vergangenheit zu feiern geeignet sind. Jene Thaten verzeichnet die Geschichte, diese die örtliche Chronik und oft nur die mündliche Erzählung. Wir wollen ein nicht zu fern liegendes Beispiel aufstellen. Nach den Befreiungskriegen hing man in den Kirchen Tafeln mit den Namen der im Kampfe für das Vaterland Gefallenen auf. Das war gewiß löblich. Aber sind nicht von einzelnen dieser Helden Thaten geschehen, die ihre Verherrlichung durch die Kunst nicht weniger verdienten, als die großen Schlachten, auf welchen nur Fürsten und Feldherren im Vordergrunde prangen? Wie viele der herrlichsten Volksthaten erzählt sich das Volk, wie wenige davon gehen in die Bücher der Geschichte über, wie bald sind sie vergessen, – und wie viel Gesinnung und Ehrgefühl veredelnde Kraft geht mit ihnen verloren! – Wiederum ist ein Krieg vorüber und viele Namen sind in die Tafeln einzugraben, die man in den Kirchen aufstellen wird. Werden die vielen schönen oder heroischen Thaten der Einzelnen wiederum nur in den kurzlebigen Tageblättern und im Munde der Zeitgenossen der Vergessenheit entgegengetragen werden? Giebt es keine Rathhaus-, keine Schul- oder Kirchenmauern und -Wände, an welchen die bildende Kunst sie jeder Zeit allem Volke vor Augen stellen könnte? Die öffentlichen Gebäude jeder Stadt, jedes Ortes sollten vor Allem dazu bestimmt sein, nicht schmucklos oder mit bedeutungslosem Zierrath nur ihren geschäftlichen Zwecken zu dienen, sondern durch die Kunst von des Vaterlandes und der

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 660. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_660.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)