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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Frist, die von der Geduld des österreichischen Generalconsulats keinen geringen Begriff giebt, als es, von Wien aus zu energischem Vorgehen veranlaßt, dem Lord Graham im Auftrage der österreichischen Regierung am 13. October seine zweite officielle Note zusandte. Sie hatte jedoch das Schicksal der ersten, auch sie blieb unbeantwortet.

Und auch damit war das Generalconsulat zufrieden; es ließ die Angelegenheit nicht weniger als vierthalb Jahre schlafen, ja selbst die öffentlichen Besprechungen der vollendeten Prämienvertheilung im Jahre 1855 weckten es nicht auf: „Daily News“ berichtet, daß vierundvierzig Bewerber (natürlich nur englische) zur Prämie mit ihren Patenten sich beigedrängt, daß aber nur fünf das Glück gehabt hätten, derselben für würdig befunden zu werden. Dagegen eifern die „Times“, „United Service Gazette“ und „The Engineer“ gewaltig gegen die Preisvertheilung, weil der von ihnen protegirte Francis Pettit Smith nicht berücksichtigt worden war; sie riefen für diesen sogar eine Nationalsubscription in’s Leben, die mehrere tausend Pfund Sterling eintrug und schon durch die öffentliche Reclame den zurückgesetzten Smith mehr als entschädigte.

Nur für den wirklichen Erfinder erhob sich keine Hand. Ihm war von alle diesen Vorgängen in England nicht die geringste Nachricht, auf keinen seiner Briefe an den Generalconsul seit 1852 eine Antwort zugekommen. Mußte er doch froh sein, daß man ihm endlich in Wien seine Erfindung überhaupt verziehen hatte, – denn sein hartnäckiger Proceß gegen seinen ehemaligen Compagnon, der Millionär Fontana, der das Triester Polizeiverbot gegen weitere Versuchsfahrten mit der Schraube seit 1829 zur einseitigen Aufhebung seines Contractes mit Ressel benutzen wollte, hatten ihn bei seinen Behörden in den schlimmsten vormärzlichen Verdacht, in den eines „unruhigen Projectenmachers“, gebracht; er war bereits zur Disposition gestellt gewesen, errang sich nur dadurch, daß er 1848 den noch außerhalb Venedigs zerstreuten Theil der österreichischen Flotte durch seine Energie für den Staat gerettet, wieder eine Anstellung als Marine-Forst-Intendant (mit achthundert Gulden Besoldung), und dieser seiner dienstlichen Stellung verdankte er wohl mehr, als der Anerkennung seines Erfindergenies, die Berücksichtigung, die man seiner Erfindung jetzt zu Theil werden ließ.

Im Mai 1857 reiste der damalige Chef der kaiserlichen Marine, Erzherzog Ferdinand Max, nach London. Diese Gelegenheit benutzte Ressel, um die britische Admiralität zu einer Entscheidung zu drängen. Er schrieb u. A. an den Erzherzog die das redliche und rastlose Streben des Mannes so gut bezeichnenden Worte: „Es hat mich weder materieller Eigennutz noch Eitelkeit zur Bewerbung des Prämiums veranlaßt, sondern lediglich Folgendes: 1) Gehört die Anwendung der Schraube zwischen Schiffskörper und Steuerruder zu den wichtigsten vier Erfindungen, deren sich die civilisirten Regierungen in hohem Grade bedienen, nämlich: des Dampfmaschinenwesens, der Eisenbahnen, der elektrischen Telegraphen und der Schraube für die große Schifffahrt. Der Propeller ist ein Oesterreicher, und er soll als solcher in der Geschichte auch benannt sein. Das Beispiel dieser edlen Eifersucht geben alle civilisirten Nationen. – 2) Ich habe mehrere ebenso wichtige Erfindungen für die Welt bereit, die ich ihr schenken werde. Damit ich aber das Aufkommen der ersteren erlebe, benöthige ich einen Ruf, welchen ich durch die Anerkennung der Priorität als Erfinder des Schraubendampfschiffes zu erlangen hoffe.“ Der arme große Ressel! Er gönnte den englischen Bewerbern den Mammon, – nur wirken, wirken wollte er können, und nur darum fleht er um das Recht seiner Ehre!

Wir wissen, daß auch dieser Schritt vergeblich sein mußte. Der Generalconsul erhielt, wie er am 19. November 1857 an das österreichische Handelsministerium nach Wien berichtete, auf eine neue Anfrage an die königlich britische Admiralität einen persönlich an ihn gerichteten Brief von dem Secretär der letzteren, in welchem derselbe erklärt, daß in der ganzen Angelegenheit nichts mehr zu thun sei, da die Prämie bereits vertheilt worden wäre. Der Documente wird darin keine Erwähnung gethan, und sie schienen daher verloren gegangen zu sein.

Auf eine erneuerte Aufforderung seitens der österreichischen Regierung wegen Rückstellung dieser Documente leugnete man rund weg sogar den Empfang derselben ab und gab zur Bekräftigung dieser Behauptung an: „daß trotz der von dem Lord-Commissär in allen Aemtern der Admiralität sorgfältig angestellten Nachforschungen keine Spur, weder von den fraglichen Documenten, noch von der ‚vermeintlichen‘ Uebergabe derselben an die britische Admiralität vorgefunden werden könne. – Läge nicht diese englische Antwort vom 11. März 1858 mit ihrem „that after a careful search no trace can be discovered of the documents in question“ vor uns, wir würden schwer zu vermögen sein, an eine derartige unredliche Aufführung einer höchsten Regierungsbehörde zu glauben. Diesmal sprach es der österreichische Generalconsul selbst unumwunden aus, daß diese Documente wohl „von der britischen Admiralität nicht ausgefolgt werden können, ohne sich den Vorwurf einer in der Zuerkennung der Prämie für den ersten Erfinder des Schraubenpropellers geübten Parteilichkeit zuzuziehen.“

Eine solche Behandlung der Angelegenheit war sogar für das österreichische Ministerium verletzend, das nun am 2. September 1858 verordnete, „im Wege der Gesandtschaft die Rückstellung der Documente zu verlangen.“ Dies geschah auch; der königlich großbritannische erste Staatssecretär begnügte sich jedoch am 20. December desselben Jahres damit, an sein Bedauern über den Verlust der Documente noch einen Vorwurf für die österreichische Behörde zu fügen, indem er diesen Verlust dem Umstande zuschrieb, „daß das Gesuch Ressel’s von dem k. k. Generalconsul directe an die Admiralität geleitet worden und nicht durch Vermittelung des auswärtigen Departements an seine Bestimmung gelangt sei.“

Die kaiserlichen Behörden waren damit abgethan und schwiegen fortan; nur Ressel’s Sohn, Heinrich, wagte noch einen Sturm, er verlangte durch das Generalconsulat von der britischen Admiralität wenigstens zu erfahren, wann und an wen die britische Prämie vertheilt worden sei. Der Bescheid war die Wiederholung der alten Unwahrheit, daß die Prämie am 15. März 1853, wo Ressel’s Gesuch und Documente der britischen Admiralität zugefertigt worden, bereits vertheilt gewesen sei, und – die Weigerung der Admiralität, die Namen der fünf belohnten Erfinder anzugeben.

So ist denn England auf diese Weise in den Besitz des kläglichsten Unicums gekommen: es belohnte fünf Männer zugleich für die Priorität einer der größten Erfindungen der Gegenwartund wagt nicht, deren Namen zu nennen – – während die Nation selbst den Nachahmer und Einführer der Schiffsschraube in England – Smith – durch eine Suscriptionsbelohnung ehrt. Erst heute erfahren wir einen dieser Namen, den des James Lowe, und zwar nur, weil der Mann in den Straßen Londons überfahren worden ist; vielleicht bringt der Tod auch die vier übrigen englischen Erfinder der Schiffsschraube noch an das Licht.

Der wahre Erfinder erlebte und hörte von all’ diesem Skandal nichts mehr; der ewige innere Kampf mit seinem erbärmlichen Schicksal hatte längst das Mark seines Lebens angefressen, als auf einer Berufsreise im October 1857 die Malaria von Laibach ihn auf das Todtenbett warf. Er starb fern von seiner Familie, einsam. Als sein von Triest herbeigeeilter Sohn Heinrich in das Zimmer trat, lag der große Mann todt da, in der Hand ein Recept, auf dessen Rückseite er die letzten Worte an seine Familie niedergeschrieben hatte. Noch auf diesem letzten Blatte seines Lebens und im Angesichte des Todes behauptete er mit der Wahrheitsliebe eines Sterbenden sein Anrecht auf die Erfindung des Schraubenschiffs und ermahnt die Seinen, seine übrigen Erfindungen nicht in’s Meer der Vergessenheit sinken zu lassen.

So lebte und so endete einer der begabtesten deutschen, Erfinder. Die tiefste Seelenpein solcher Männer im Leben wie in der Stunde des Todes ist nur von Wenigen geahnt, noch von Keinem ausgesprochen: das ist die feste Berechnung der Wirksamkeit ihrer Erfindungen, die klar vor ihrem Geiste steht, während die Kurzsichtigkeit ihrer Zeitgenossen schon die ersten Zahlen. ungläubig belächelt, – dieser sichere Blick in die Zukunft Ihres Werkes, vor dem die Gegenwart blind und taub steht, – und als die traurigste Ernte eines rastlosen Lebens der Hohn der Zeitgenossen für die Segnungen der Nachkommen! –



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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 704. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_704.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)