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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

das Gescheidteste, was sie thun konnte, und wenn sie erst erfährt, daß wir eine Dame aus ihr machen können, wird sie selber mit der Sache einverstanden sein.“

Paul Jochus schüttelte den Kopf; er kannte das Mädchen besser.

„Das wird sie nicht, Franz,“ sagte er entschieden, „ich glaube, sie trüge lieber Hunger und Kummer, als die Mitschuld an etwas Derartigem.“

„Für so dumm hab’ ich sie nicht gehalten,“ sagte Franz verächtlich; „aber es bleibt sich gleich, wie sie darüber denkt, verrathen kann und darf sie uns nicht und wird es auch nicht, wenigstens nicht in der ersten Zeit, denn auf die Länge möchte ich selber keinem Weibermund vertrauen. Haben wir aber nur vierzehn Tage Zeit, so sind wir mit Allem fertig und brauchen nicht mehr zu arbeiten, und dann laß es unsere Sorge sein, uns aus dem Weg zu halten. Hier ist der Absatz der Noten in Masse ja doch nicht so leicht.“

„Wenn wir nur unsere Werkstätte wo anders hin verlegen und sie glauben machen könnten, daß wir es aufgegeben haben.“

„Das geht nicht,“ sagte Franz entschlossen, „und wo fänden wir wohl einen passenderen Platz? Indeß der ausgebrochene Stein muß heute Abend noch ersetzt werden, und würden wir selbst verrathen, so weißt Du doch, daß sie uns da unten nie erwischen könnten, denn den versteckten Ausgang kennt kein Mensch außer uns.“

Der Wirth stand unschlüssig am Tisch und betrachtete fast unbewußt das ihm vorgelegte Falsificat. Es war in der That meisterhaft gearbeitet und er selber nicht im Stande die ächte Note von der unächten zu unterscheiden. Selbst das Papier ließ nichts zu wünschen übrig, und er zweifelte keinen Augenblick daran, daß sie von diesen Noten eine Masse auf den Markt werfen könnten, ehe eine Entdeckung möglich würde. – Und selbst dann – wer wollte wissen oder verrathen, woher es stammte – aber Rosel? Er konnte den Blick nicht vergessen, mit dem sie ihn angesehen – er konnte die Worte nicht aus dem Gedächtniß bringen – „was hab’ ich verschuldet, daß ich das Alles für Euch tragen muß?“ – und er mußte auch des Versprechens gedenken, das er ihrer sterbenden Mutter gegeben.

Sein Blick flog über das betrügerische Papier hin in’s Leere und andere Bilder tauchten vor ihm auf.

„Nun, was sagst Du, Vater?“ frug Franz triumphirend, „kann es etwas Vollendeteres geben? Die österreichischen Noten lassen sich mit diesen gar nicht vergleichen, und doch haben sie drei volle Monate gebraucht, bis sie nur dahinter kamen. Wär’s nicht reine Sünde einen solchen Vortheil aus der Hand zu geben?“

Brendel hatte indessen mit untergeschlagenen Armen und zusammengezogenen Brauen am Fenster gestanden und hinaus gestarrt. Jetzt sagte er finster:

„Ich will Dir etwas sagen, Franz, je länger ich über die Geschichte nachdenke, desto weniger gefällt sie mir. Deine Schwester mag mich nicht leiden, so viel ist sicher – Gott weiß, aus welchem Grunde, denn eine so abschreckende Larve trage ich doch nicht mit mir herum – aber deutlich genug hat sie’s wenigstens gezeigt. Wenn sie also wirklich Jemanden verräth, so bin ich das, und unter den Umständen –“

„Aber sie kann Dich doch nicht allein verrathen, ohne ihren Vater und Bruder mit preiszugeben,“ rief Franz heftig aus, „und beim ewigen Gott, wenn die Dirne wahnsinnig genug wäre, das zu thun –“

„Sie wird Euch nicht geradezu verrathen,“ sagte Brendel finster, „aber es wird auf andere Weise an den Tag kommen, verlaßt Euch darauf.“

„Und ein Vermögen, das vor uns auf dem gedeckten Tische liegt, sollen wir aus reinem Muthwillen mit den Füßen von uns stoßen?“ fuhr Franz auf.

„Vielleicht doch nicht ganz,“ erwiderte Brendel; „wir wissen jetzt, wie die Sache gemacht wird, und haben alles Nöthige dazu; es gilt also nur einen anderen Schauplatz zu suchen, auf dem wir das Begonnene beenden können.“

„Und wie wollen wir alle Instrumente und Pressen transportiren, ohne Verdacht zu erregen? Weißt Du noch, welche Mühe und Arbeit es uns gekostet hat, das Alles heimlich in die Ruine zu schaffen? und viel schwieriger wäre es jetzt, es von da wieder wegzubringen.“

„Das weiß ich Alles und ich wollte lieber, daß die Mamsell – doch es ist Deine Schwester und damit abgemacht – Du kannst es mir übrigens nicht verdenken, daß ich lieber in Amerika oder sonst in einer hübschen Gegend als im Zuchthaus sitze, und das blüht uns, sobald wir erwischt werden.“

„Das hat uns geblüht, solange wir die Arbeit begonnen,“ sagte Franz verächtlich, „aber sei nicht thöricht und folg’ nur dies eine Mal meinem Rath. Rosel hat einen Trotzkopf, ich weiß es, und ist dabei vom Vater so verzogen, daß sie gewöhnlich thut, was sie eben will – sonst wäre sie auch wahrhaftig nicht Nachts zur Ruine hinauf gegangen, aber sie ist auch klug genug, um zu wissen, wie weit sie gehen darf. Was sie nicht sagen will, behält die schon für sich. Der Vater muß jetzt mit ihr sprechen; er mag ihr meinetwegen versichern, wir hätten die Geschichte aufgegeben, brauchten aber etwa vierzehn Tage Zeit, um all’ die Spuren unserer früheren Arbeiten fortzuschaffen und zu vertilgen, wonach wir Beiden dann nach Amerika auswandern würden. Daß sie dann den Mund hält, darauf könnt Ihr Euch verlassen, und bis dahin sind wir mit Allem fertig und haben unser Schäfchen im Trockenen.“

„Das könnte gehen,“ sagte Brendel nachdenkend, „und was meinen Sie dazu, Jochus?“

„Ich glaube, der Franz hat Recht,“ nickte der Wirth, dem die Aussicht auf einen so raschen und reichen Gewinn zu verlockend entgegenwinkte, „darauf vorbereitet ist sie überdies schon, denn ich habe ihr ja gesagt, daß ich nur deshalb zu Dir hinüberginge, Franz, um Dich davon abzubringen.“

„Aber glaubt Ihr auch gewiß, daß wir in vierzehn Tagen mit der ganzen Arbeit fertig werden?“

„Sicher, vielleicht noch früher,“ nickte Brendel, „denn die Nächte werden jetzt von Tag zu Tag länger, und sowie ein wenig rauhes Wetter einsetzt, sind wir dort oben ganz sicher vor Störung.“

„Gut; dabei bleibt’s!“ rief Jochus nach kurzem Besinnen, denn er hatte in dem Forträumen der Werkzeuge jetzt auch eine vollständige Entschuldigung, wenn Rosel seine Abwesenheit von daheim ja noch bemerken sollte, „Sind denn die Vorbereitungen soweit getroffen, daß wir gleich an die Arbeit gehen können?“

„Daran fehlt’s nicht,“ nickte Franz, „verschaffe uns nur noch bis morgen Abend die hier auf dem Zettel bemerkten Gegenstände, die Du dann gleich mit auf die Burg hinaufbringen kannst.“

„Und sollen wir uns also morgen Abend dort wieder treffen?“ frug Brendel, der seine Bedenken nicht vollständig abgeschüttelt zu haben schien.

„Jedenfalls,“ rief Franz, „denn Zeit dürfen wir nun auch nicht mehr versäumen; jede Stunde ist kostbar.“

„Meinetwegen denn,“ gab Brendel seine Zustimmung, „aber so recht behaglich fühle ich mich nicht mehr hier, das kann ich Euch gestehen, und am allerliebsten versucht’ ich mein Glück an einer anderen Stelle. Wenn Ihr’s freilich nicht anders haben wollt, so können wir uns auch einmal ein paar Wochen auf eine Weiberzunge verlassen, denn ändern läßt sich die Sache doch nicht mehr, dann aber hält mich auch nichts mehr in der Nachbarschaft und ich will Gott danken, wenn ich den Rhein erst gesund hinter mir habe.“

„Da geht unser neugebackener Actuar,“ lachte Franz, der einen Blick durch das mit grünem Draht verstellte Fenster geworfen hatte, „wenn der wüßte, was hier gebraut wird, welch’ glänzende Empfehlung könnte er sich damit beim Criminalamt schaffen!“

„Spotte Du auch noch!“ sagte Brendel, während er neben ihn trat – „und wie sich der Lump spreizt, als ob er schon Justizminister wäre! Lauf’ Du mir nur einmal in den Weg, wenn mir die Füße erst nicht mehr gebunden sind!“

„Der thut keinen Schaden,“ lachte Franz, „wenn sie Alle so unschuldig wären, könnten wir uns getrost hier häuslich niederlassen. Ueberhaupt dürfen wir uns über unsere Polizei nicht beklagen; sie scheint wirklich froh zu sein, wenn man sie nur selbst zufrieden läßt.“

Jochus hatte seinen Hut schon wieder genommen, um nach Hause zurückzukehren, aber er blieb noch in der Stube stehen und sah selbst dem vorübergehenden jungen Manne nach, bis dieser oben in der Straße verschwand.

„Hast Du den Zettel, Vater?“

„Ja – ich werde es besorgen. Um wie viel Uhr treffen wir zusammen?“

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 747. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_747.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)