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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

verwüsteten Provinzen verwendet wurde. Nur einen Fond von viermalhunderttausend Thalern erhielt sie in Wirklichkeit, von denen jedoch auch ein Theil sofort eine anderweitige Verwendung fand und nicht wieder in den Besitz der Bank gelangte. Aber selbst diese unbedeutende Summe wurde ihr nur als Vorschuß anvertraut. Dazu verlor sie gleich im ersten Jahre durch fehlerhafte Leitung ein ansehnliches Capital. Später jedoch flossen ihr aus den königlichen Cassen bedeutende Depositen zu, aber trotz aller Ueberschüsse belief sich bis zum Jahre 1806 das eigene Vermögen nicht höher, als siebenmalhunderttausend Thaler. Nach der unglücklichen Schlacht bei Jena brach das Mißgeschick mit furchtbarer Gewalt herein. Selbst die Umsicht und Energie des berühmten Freiherrn von Stein vermochte nicht die Bank vor Ruin zu bewahren. Ein Theil der Cassen wurde von dem Feinde geplündert, dazu gesellten sich Verluste über Verluste, herbeigeführt durch die ungeheuren Schwankungen aller Course und die frühere Festlegung ihrer Capitalien. Die Vorschüsse von zehn Millionen Thalern, die sie den eroberten Provinzen geleistet, wurden ihr zwar von Napoleon garantirt, allein mit frecher Verhöhnung aller feierlichen Versicherungen geraubt.

Erst im Jahre 1819 erfolgte die nothwendige Reorganisation der Bank, sie hatte eine Passivmasse von sechsundzwanzig Millionen, während ihre Activa nur zwölf Millionen betrugen. Von den in ihren Büchern verzeichneten Forderungen mußte sie gegen acht Millionen als unrealisirbar streichen. Aber mit bewunderungswürdiger Schnelligkeit überwand sie diese gefährliche Krisis. Während im Anfange des Jahres 1818 die Baarvorräthe der Bank ungefähr eine Million betrugen, beliefen sich dieselben bereits 1845 auf zwölf und eine halbe Million. In demselben Verhältniß war der Geschäftsumsatz in dieser Periode von vierundvierzig Millionen auf dreihundert vierundsiebenzig, also auf das Achtundeinhalbfache, gestiegen. Trotz dieser überraschenden Resultate stellte sich immer mehr die Nothwendigkeit einer gänzlichen Umgestaltung der Bank heraus, da sie dem Fortschritt und ungeheuren Aufschwung des Handels und der Industrie nicht länger genügen konnte. Es handelte sich in erster Linie darum, die Bank von ihrer engen Verbindung mit dem Staate zu befreien und mehr für das gesteigerte Bedürfniß der Privaten und vorzugsweise zur Hebung des Nationalwohlstandes zu benutzen, wozu jedoch eine entsprechende Vermehrung des Betriebscapitals unumgänglich nothwendig war. Durch die königl. Cabinetsordres vom 11. April und 18. Juni 1846 wurde daher die Liquidation der bisherigen königlichen Bank angeordnet und eine Bankordnung für das neue Institut erlassen, bei welcher sich auch Private betheiligen konnten.

Nach der jetzigen Bankordnung ist die Bank in ihrer gegenwärtigen Einrichtung hauptsächlich dazu bestimmt: den Geldumlauf des Landes zu befördern, Capitalien nutzbar zu machen, vor Allem Handel und Gewerbe zu unterstützen und einer übermäßigen Steigerung des Zinsfußes vorzubeugen. Wie sie diese Aufgabe zu erfüllen suchte, bezeugt der wachsende Wohlstand Berlins und des preußischen Staates, der hohe Aufschwung des Handels und der Industrie, woran ihr gewiß ein großer Antheil gebührt.




Ruine Wildenfels.
Erzählung von Friedrich Gerstäcker.
(Fortsetzung.)


Noch gestern Abend hatte man bei dem in Haft genommenen Menschen, der durch des jungen Actuars Umsicht aufgespürt worden, Haussuchung gehalten und in einem Winkel seiner Schlafkammer, unter einem Haufen alter Zeitungen und Papiere, ein kleines, fest zusammengebundenes Paket neuer preußischer Fünfundzwanzigthaler-Scheine gefunden, die augenblicklich durch einen reitenden Boten nach Hellenhof hinübergeschickt wurden. Die Banknoten waren aber so täuschend nachgeahmt, daß sie der Untersuchungsrichter nicht für gefälscht, sondern für gestohlen hielt und die Sache bis zur Geschäftsstunde ruhen ließ, weil um neun Uhr schon ein Verhör für den Inhaftirten angesetzt worden. Da Actuar von der Haide den Menschen, einen Wollhändler aus dem Nassauischen, zu verhören hatte, so ließ ihn sein Vorgesetzter ersuchen, um acht Uhr zu ihm zu kommen, um ihm das jedenfalls gestohlene Gut einzuhändigen.

Der junge Mann erschien und nahm die Banknoten in Empfang; jedoch seinerseits mit dem Verdacht, daß sie es hier weit eher mit einem Fälscher, als einem gemeinen Dieb zu thun hätten, ging er, noch vor dem Verhör, mit einer der Noten zu einem ihm befreundeten Kupferstecher, um dessen Meinung darüber zu hören.

Dieser erklärte beim ersten Anblick die Banknote ebenfalls für echt, holte aber doch eine alte Fünfundzwanzigthaler-Note, die er gerade besaß, hervor und verglich beide mit der Loupe, wonach er bald auf kleine, sonst fast nicht zu bemerkende Mängel aufmerksam wurde. Nach wenigen Minuten schon erklärte er, daß hier ein allerdings meisterhaft gearbeitetes Falsificat vorliege: die Note sei falsch.

Das Verhör sollte nicht lange dauern. Der Wollhändler, der sich in solcher Art durch die bei ihm gefundenen Noten überführt sah, gab nach kurzen Kreuzfragen die Wahrheit der Anklage zu und suchte jetzt nur alle Schuld von sich selber abzuwälzen. Er habe die Noten von einem Freund bekommen, um sie auszugeben, sagte er.

Und wie hieß der Freund, von dem er sie bekommen?

Der Mann zögerte mit der Antwort: er suchte Ausflüchte und nannte zuerst ein paar fremde Namen, aber es half ihm nichts. Er hatte sich schon zu weit verfahren, um noch zurück zu können, und gab endlich eine Person an, bei der das Herz des Untersuchenden stockte – Paul Jochus in Wellheim!

„Paul Jochus?“ rief der junge Actuar entsetzt aus.

„Der Wirth vom Burgverließ,“ bestätigte leise der Gefangene, und der Protokollant eilte, die wichtige Thatsache zu Papier zu bringen.

Einen Augenblick herrschte Todtenstille in dem weiten Verhörzimmer, und nur das Kritzeln der Feder zischelte, wie das Flüstern böser Geister in der Luft. Jetzt hatte der Protokollführer die Aussage niedergeschrieben und sah den Actuar an. Warum zögerte dieser, mit seinen Fragen fortzufahren? Warum schmiedete er das Eisen nicht, so lange es heiß war? Der junge Mann konnte nicht – die Zunge klebte ihm fast am Gaumen, und in wirren, wirbelnden Bildern jagten ihm die Ereignisse des vergangenen Tages an der Seele vorbei.

Deshalb hatte Rosel seine Hand ausgeschlagen, seine Werbung zurückgewiesen! Das war das entsetzliche Geheimniß, das sich zwischen sie gelegt, und seit jener Nacht – ja – seit jener Nacht erst, in der sie auf der Ruine gewesen, und dort – dort mußte sie es erfahren haben!

Endlich ermannte sich der Actuar wieder – er fühlte nur das Eine, daß er seine Pflicht thun müsse, was auch immer die Folgen davon sein mochten; er konnte und wollte sich derselben nicht entziehen. Und Rosel? – sie mochte um das Verbrechen gewußt haben, aber nie hatte sie Theil daran genommen, das fühlte er in jeder Faser seines Herzens; wie unglücklich sie dadurch geworden, davon war er ja selber Zeuge gewesen. Aber andere Gedanken jagten zugleich durch sein Hirn. Wer waren die Helfershelfer, die der Wirth gehabt haben mußte, denn der alte Jochus hatte dies Papier nie selber fabricirt – wer konnten sie anders sein als sein Sohn, der hier in Hellenhof ansässige Graveur, und jener eingewanderte Künstler – der Mensch, der es gewagt hatte, sein Auge zu Rosel zu erheben? Er war von seinem Stuhl aufgestanden und ein paar Mal im Zimmer auf- und abgegangen, dann klingelte er. Einer der Gerichtsdiener kam herein und er flüsterte ihm leise einige Worte zu, worauf der Mann das Zimmer wieder verließ. Jetzt erst setzte der Actuar das Verhör fort, das aber nicht mehr viel Wichtiges ergab, denn der Gefangene schien es für gerathener zu halten, sich so wenig als möglich an der Schuld betheiligt darzustellen, und wollte von keinen weiteren Noten wissen, die er je empfangen und verbreitet habe. Auch ob Paul Jochus, der Wirth, mit irgend wem in Verbindung stehe, wollte er nicht wissen. Er war in Wellheim gewesen, und der Wirth

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