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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Und damit auch diese dritte Auflage ihre verdiente Verbreitung wenigstens in den hohen und höchsten Kreisen finde, so wurde an Diejenigen, die das Glück haben, im Gothaischen Hofkalender verewigt zu sein, je ein oder zwei Exemplare mit Extrawidmung abgesandt. Wenige können doch unnobel genug sein, diese Verherrlichung ihres Namens zurückzuweisen, die Meisten werden über diesen modernsten Schwindel lachen. Wir aber thun das Unsrige, um diese gemeine Herabwürdigung des „Literatenthums“ zur gewerbsmäßigen Bettelei zu brandmarken.




Der Eishandel. Seit den letzten zwanzig Jahren ist das Eis zu einem wichtigen Stapelartikel im Welthandel geworden, wenn auch die Summen, welche er repräsentirt, nicht genau angegeben werden können, weil eine Eissteuer bisher unsern erfinderischen Finanzleuten noch entging und Aus- und Einfuhrlisten über das Eis schweigen.

Nur ganz festes, klares und reines Eis erhält sich den ganzen Sommer über gut in den Eiskellern, die man jetzt vielfach überirdisch nach neuen Methoden baut. Italien wird meist vom Aetna aus mit Eis versehen und im Winter nehmen kleine Flotten mit dem kostbaren Materiale ihren Weg nach Neapel, Rom, Genua und andern Hafenplätzen. Da unsere Teiche und Flüsse oft nicht in gehöriger Dicke zufrieren, oder ein mürbes, schlechtes Eis liefern, so versehen uns die Gletscher der Schweizer Alpen damit, von wo aus ganze Eisenbahnzüge nach Süddeutschland gehen und Hunderte fleißiger Hände in der beschäftigungslosen Winterzeit Arbeit finden. Der Eishandel in Europa aber, so große Verhältnisse er auch schon angenommen hat, ist nur ein Kind im Vergleich zu jenem Nordamerikas. Wie dort Charleston und New-Orleans die Centralpunkte für den Baumwollenhandel sind, so Boston für den Eishandel. Der Begründer dieses Erwerbzweiges war ein Bostoner Kaufmann, James Tulor, der bereits im Jahre 1810 eine große Schiffsladung Eis nach der westindischen Insel Martinique führte und ein so gewinnbringendes Geschäft mit dieser einen Ladung – man sprach von viertausend Dollars – machte, daß sich bald eine Reihe von „Eiscompagnien“ bildete, und es deren im Jahre 1844 schon sechszehn gab. In wie großartiger Weise dieselben den Handel betrieben, ersieht man daraus, daß eine derselben allein siebentausend Dollars nur für Heu und Stroh zum Verpacken ihrer kalten Waare ausgab.

Die Hauptquelle des Bostoner Eises ist der durch ein krystallklares süßes Wasser ausgezeichnete „Fresh Pond“ bei Cambridge in der Nähe Bostons. Geräth die Eisschicht gut, d. h. wird sie fest und dick, so liefert ein Acker Eis gegen eintausend Tonnen zu zwanzig Centner. Die Gewinnung wird ganz systematisch betrieben. Die „Eisleute“ schneiden, nachdem der Schnee sorgfältig entfernt wurde, mit einem scharfen Pfluge Linien in die Eisdecke, die dann ausgesägt werden. Das so in regelrechte Streifen und Würfel zerfallende Eis wird mit besonderen Werkzeugen und Winden herausgehoben und in hölzerne Schuppen gebracht. Früher wendete man nur Pferde- und Menschenkraft an, jetzt stellt man kleine Dampfmaschinen auf, die das Geschäft ungleich schneller besorgen.

Auch im Staate New-York blüht die Eisproduction, namentlich am Rockland-See am Hudson, der gegen hunderttausend Tonnen liefert. New-York allein exportirt jetzt jährlich zweihundertfünfzig- bis dreihunderttausend Tonnen Eis nach dem Süden in sechshundert bis siebenhundert Schiffen. – Giebt dies schon eine Vorstellung von der Bedeutung des Eishandels, so werden wir über den erzielten Gewinn noch mehr aufgeklärt, wenn wir wissen, daß ein Acker gefrorener Seeoberfläche einen weit höheren Ertrag liefert, als ein Acker des fruchtbarsten Bodens. Zwar schwankt das Einkommen gerade so wie bei unsern Feldfrüchten und ein Jahr ohne Frost ist ein Mißjahr; durchschnittlich trägt indeß der Acker Eis fünfhundert Dollars ein. Die Zahl der mit dem Eishandel in Nordamerika beschäftigten Personen wurde 1864 aus siebenzehntausend, das angelegte Capital auf mehr als sieben Millionen Dollars angegeben.




Der letzte Krieg in Böhmen, aufgeführt in einem amerikanischen Hühnerhofe. Mein Freund Huber hat sicher den schönsten Hühnerhof unserer Stadt, und die Krone desselben ist ein starker weißer Hahn, der mit stolzer Würde, männlichem Ernste und liebevoller Sorgfalt seit Jahren das Regiment über sein Hühnervolk führt. Aber so liebreich er auch gegen seine ihm stets schmeichelnden Hühner ist, um so strenger ist er gegen die heranwachsenden Hähne, und der älteste derselben hatte seit einem Jahre unter dieser Tyrannei zu leiden. Selbst bei der Fütterung durfte sich der junge schwarze Hahn mit dem weißen Halskragen nicht zu nahe wagen, sonst wurde er mit Schimpf und Schande davongejagt. Aber wenn er gar einen Liebesblick mit einer jugendlich frischen schlanken Henne tauschte – die älteren und gesetzteren Hennen gaben sich mit dem jungen Fant gar nicht ab – dann wehe dem Unglücklichen! er wurde verfolgt und mußte den scharfen Sporn seines weißen Tyrannen nur zu schmerzlich fühlen. Oefters schon ermannte sich der junge Schwarz-Weiße, doch seine Kraftäußerung war vergeblich und brachte ihm nur Schmerz und Leidwesen. Gestern Morgen nun kam ich in den Hühnerhof – welche Veränderung! Der stolze weiße Hahn stand gesenkten Hauptes da, mit zerrissenem Kamme, herabhängendem Schwanze und mit blutigen Beinen, dessen eines den scharfen Sporn verloren hatte, ein Bild des Jammers und des Elends; die Außenwelt, das Interesse für seine Hühner, Alles, was ihn früher mit Stolz und Freude erfüllte, war für ihn abgestorben. Der „Gockel“ war physisch und moralisch ein gebrochener Mann!

Auf meine Anfrage erfuhr ich, daß der Schwarz-Weiße in den letzten Tagen wiederholt eine erniedrigende Behandlung von dem Weißen erfahren, heute Morgen daher einen entschiedenen Angriff auf seinen Tyrannen machte und nach halbstündigem, furchtbarem Kampfe als Sieger aus demselben hervorging. In jäher Flucht entstürzte der Weiße, verfolgt von seinem Rache schnaubenden, grimmen Sieger, bis endlich die sorgsame Hand der Hühnermutter Lucy den schwarzen Hahne ergriff, ihn in den Stall sperrte und dadurch die einheitliche Entwickelung der Verhältnisse auf dem Hühnerhof hemmte. Das Leben des Weißen war zwar gerettet – aber die Ehre verloren!

Wir beschlossen, den Schwarzweißen herauszulassen, um den Effect zu beobachten. Kaum war die Stallthür geöffnet, als der junge Held des Tages mit wenn auch blutigem, doch stolz erhobenem Haupte in triumphirendster Haltung hervortrat, einige rasche Schritte bis zur Mitte des Hofes machte und dann in kraftvollster Stimme sein Commandowort: „Kikeriki!“ ertönen ließ. Kaum war der erste Ton verklungen, als voll Entsetzen der Weiße zusammenschauderte und mit gebeugtem Körper davon stürzte. Der Schwarz-Weiße machte ihm einige Sätze nach, doch als er die verzweiflungsvolle Hast der Flucht sah, warf er ihm einen stolzen, verächtlichen Blick zu und ließ abermals sein Victoria ertönen.

Was war unter derlei Verhältnissen zu thun? An ein Beisammenbleiben solcher socialen Bestandtheile war nicht zu denken. Nach gemeinsamer Berathung mit meinem Freunde wurde Folgendes beschlossen: Der Hühnerstall muß getheilt werden. Die eine kleine Hälfte erhält eine Oeffnung nach dem benachbarten freien Platze. Der größere Theil der Heimath hat seinen Ausgang wie früher in den Hof. Es können die Weißkutten nicht mehr in dem Staatsverbande mit den Schwarz-Weißen leben; letztere werden das Vaterland allein für sich behalten, und die Weißkutten müssen aus aus dem alten „Bunde“ scheiden.

Seitdem erlebt der weiße Hahn anscheinend wieder glückliche Tage. Stolz wie früher geht er unter seinen Völkern einher, aber in der Nacht, wo er zwischen den Latten durch seinen schwarz-weißen Gegner sieht, ist sein Schlaf unruhig, es drücken ihn die Sünden, die den Kampf veranlaßt; er wird stets an seine furchtbaren Niederlagen und an seinen schmachvollen Sturz erinnert und ahnt, daß die Dauer der gegenwärtigen Situation gar wenig gesichert ist.




Das Fleisch kranker und gesunder Thiere. So wichtig es ist, beim Einkauf das Fleisch eines erkrankten Thieres von dem des gesunden unterscheiden zu können, so zahlreiche Aufstellungen, Behauptungen und Kennzeichen bis jetzt darüber veröffentlicht wurden, ganz sichere Anhaltspunkte hat bis jetzt noch Niemand geboten. Daher sei es uns vergönnt, eine Reihe von Unterscheidungskennzeichen hier mitzutheilen, welche ein Engländer, Dr. Letheby, in einem chemischen Journal darüber veröffentlicht hat.

Gesundes Fleisch, sagt er, gleichviel welches Thieres, darf niemals rosafarben, noch bleicher und ebenso nicht dunkelpurpurfarben sein; es muß auf der Schnittfläche wie marmorirt aussehen, durch die Verästelung der kleinen, zwischen dem Gewebe hinlaufenden Fettgewebeadern. Niemals darf das Fettgewebe feucht, wässerig, gallertartig oder wie gekochtes Pergament erscheinen, sondern hart und fest sein. Ungesundes Fleisch zeigt sich bei Berührung und Druck mit dem Finger oft wässerig, feucht, mit viel ausfließendem Fleischsaft (Serum), während das gesunde sich fest und elastisch anfühlt und den Finger mit rothem Safte färbt. Das Fleisch eines kranken Thieres theilt dem durchschneidenden Messer einen weichlichen, faden oder gar thierisch-üblen Geruch mit, welcher namentlich stark und erkennbar sich zeigt, wenn man das Messer vorher in heißes Wasser taucht; das gesunde Fleisch hat einen keineswegs unangenehmen, indeß nur schwachen Geruch. Gutes Fleisch – jedoch nur von nicht zu alten Thieren – wird durch Kochen nicht hart und verliert nicht viel von seinem Gewicht, während das schlechte Fleisch, wegen des großen Gehalts an Flüssigkeit und Schleim in den Geweben, oft in ganz überraschender Weise an Substanz und Gewicht verliert. Trocknet man dies letztere bei 184° C., so büßt es wohl an 75 bis 80 Proc. ein, während das gesunde nur 69 bis 70 Proc. abgiebt. Als Hauptkennzeichen sind die Proben mit Lakmuspapier und mit dem Mikroskope zu erachten. Ungesundes Fleisch reagirt oft alkalisch, gesundes ist stets schwach säuerlich; es enthält einen Ueberschuß an Phosphorsalzen. Unter dem Mikroskop zeigt sich die Muskelfaser des gesunden Fleisches von Querstreifen begrenzt, welche an der Muskelfaser des ungesunden wenig oder gar nicht hervortreten, während sich hier winzige Körperchen finden, über die man nicht recht einig ist.

Wenn es nun im Ganzen auch viel auf die Berücksichtigung der Schlacht- oder Erlegungsmethode der Thiere, des Alters derselben wie des Fleisches an sich ankommt, um möglichst sichere und befriedigende Ergebnisse zu erlangen, so liegen doch in den Beobachtungen des englischen Gelehrten sowohl für die denkende und gebildete Hausfrau, als für die sanitätlichen Untersucher der beachtenswerthen Anhaltspunkte genug.




An unsere Leser.


Da die Gartenlaube bei ihrer sehr zeitraubenden Herstellung von vornherein auf eigentliche Neuigkeiten aus dem Gebiete von Leben und Wissen verzichteten muß, mithin eine regelmäßige und frische Uebersicht der literarischen, künstlerischen und socialen Erscheinungen zu geben verhindert ist, so machen wir die geehrten Leser auf unsere wöchentliche literarisch-politische Feuilletonbeilage unter dem Titel „Deutsche Blätter“ (pro Quartal 6 Ngr.) aufmerksam, die in der erwähnten Beziehung eine Ergänzung der Gartenlaube bilden werden, und legen heute eine Probenummer davon bei.

Die Redaction.

Inhalt: Die Brautschau. Ein Bild aus den oberbairischen Bergen. Von Herman Schmid. (Fortsetzung.) – Auch aus der „guten alten Zeit“. Mit Illustration von Friedrich Ortlieb. – Die Büßer und Quacksalber in Böhmen. Von Dr. D. – Das Thierleben an der Eisenbahn. – Das Haus mit den drei Leiern. Mit Abbildungen. – Blätter und Blüthen: Die kleine Schwäbin. – Schriftstellerischer Schwindel. – Der Eishandel. – Der letzte Krieg in Böhmen, aufgeführt in einem amerikanischen Hühnerhofe. – Das Fleisch kranker und gesunder Thiere.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_048.jpg&oldid=- (Version vom 26.2.2017)