Seite:Die Gartenlaube (1867) 049.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

No. 4.

1867.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich 1 1/2 bis 2 Bogen.     Vierteljährlich 15 Ngr.     Monatshefte à 5 Ngr.

Die Brautschau.
Ein Bild aus den oberbairischen Bergen.
Von Herman Schmid.
(Fortsetzung.)


„Wie sie schön thun kann, die Kramer-Waben!“ dachte Clarinetten-Muckl, mit einem wiederholten Seitenblick. „Wenn man sie blos reden hört, meint man Wunder, wo die Stimm’ wohl herkommt, aber wenn man sie sieht mit der spitzen Nasen und dem spitzen Kinn … Nichts da, da sitzt der Teufel drinn! … Ich kann nit kommen, Waben,“ sagte er dann, zu ihr gewendet, „ich hab’ gar viel zu thun und bin nit in die Gegend ’kommen …“

„Das ist nit schön von Dir …“ erwiderte die Waben kokett, „Du bist auch auf dem Marbacher Kirchweih’ nit gewesen und hast es doch versprochen gehabt und ich hab’ Dir den Kehraus aufgehoben bis zu allerletzt …“

„Du meinst es ja gar schmalz-gut mit mir,“ rief er, „selbige Zeit war ja die Hochzeit vom Mauerwirth, in Holzkirchen drinnen, einen solchen Verdienst hab’ ich nit auslassen können …“

„Ach mein – die Hochzeit ist ja schon drei Wochen ehender g’wesen …“

„Was Du nit sagst! Ja, mir kommt Alles durcheinander und ich weiß oft gar nit, wie ich in der Zeit bin!“

„Thätst Dich kaum mehr auskennen, wenn Du zu uns kämst …“

„Ei – warum denn?“

„Der Vater hat bauen lassen eine große prächtige Stuben und zwei Kammern … er meint, wenn’s halt doch über kurz oder lang eine Veränderung abgeben thät …“

„Was denn für eine Veränderung?“

„Das ist eine g’spaßige Frage … Der Vater meint halt, ich werd’ bald Hochzeit machen …“

„Ja so – da hat er freilich Recht! Und jetzt seh’ ich es erst, daß Du schon aufgeputzt bist, nochmal wie eine Hochzeiterin! Du gehst wohl schon zum Stuhlfest machen oder was hast im Sinn?“

„Das könntest leicht errathen – weißt ja, daß heut’ in Schliers drüben die Sichelhenk g’feiert wird und das Erntefest …“

Muckel hatte über dem Gespräch ganz vergessen, was ihn vor der Begegnung so sehr erlustigt hatte, jetzt fiel es ihm wieder ein und packte ihn mit doppelter Gewalt.

„Zum Erntefest?“ rief er und konnte es vor Lachen fast nicht herausbringen. „Und Du bist wohl gar … Du bist Eine von den Prangerinnen?“

„Warum sollt’ ich nit?“ fragte sie bös. „Hast was einz’wenden dagegen?“

„Ich? O nein …“ rief er und lachte immer unbändiger. „Es ist mir nur was eing’fallen … ich hab’ mir nur vorgestellt, was das für Augen geben wird …“

„Du bist ein grober, ein unnützer Bursch!“ unterbrach sie ihn zürnend. „Ich kann so gut Prangerin sein, wie jede Andere – wer kann mir was Unrechtes nachsagen? – Wart’ nur, Muckl, das ist Dir nit g’schenkt … ich muß nur den Vater noch einmal über Dich schicken, damit er Dir’s austreibt, die Leut’ zu verspotten …“

Sie war roth und bleich geworden vor Aerger; mit Einem Satz war sie durch den berasten Straßengraben gelaufen und im Gebüsch verschwunden.

Muckl kehrte sich nicht daran und beachtete ihre Entfernung kaum; er war zu sehr mit dem lustigen Bilde beschäftigt, was Freund Vestl für ein Gesicht schneiden werde, wenn der Zufall die schneidige Kramer-Waben auf den gewählten entscheidenden Platz stellen würde; das kam ihm so lächerlich vor, daß er auch in den Graben sprang und sich auf den Rasen warf, die Clarinette neben sich – lachend, daß ihm die Augen übergingen, und mit den Beinen zappelnd.

Ein paar Bursche, mit denen er schon manche Nacht durchjubelt, kamen des Wegs, blieben vor ihm stehen und wurden von dem Anblick angesteckt, daß sie in das Gelächter einstimmten und dessen Ursache zu erfahren verlangten. Der Musikant vermochte es nicht, seinen Schatz länger allein zu bewahren – hatte es doch keine Gefahr mehr damit, denn die Entscheidung stand unaufhaltsam vor der Thür und die bewährten Genossen durfte er ja sicher in’s Vertrauen ziehen: je mehr Eingeweihte um das Geheimniß wußten, desto lustiger ward die Geschichte, desto größer der Spaß. Der Drang der Mittheilung siegte über die Klugheit und bald wußten die Bursche, die sich nebenan im Grase gelagert, was gestern Abend am Brunnhofe geschehn und beredet worden, und schritten unter lautem gemeinschaftlichem Lachen und Scherzen eilends dem Dorfe zu.

Eben ertönte das zweite Glockenzeichen vom Pfarrthurme.

Sie waren noch nicht weit, als an ihrem Lagerplatze das Gebüsch vorsichtig auseinander schlug und die listigen Augen der Krämerstochter ihnen nachfunkelten. Sie hatte erst einige Schritte gemacht, als sie, sich umwendend, die Bursche gewahr ward, wie sie bei Muckl stehen blieben, dann sich zu ihm setzten und in sein schallendes Gelächter einstimmten. Ihnen hatte er also den Grund seiner Lustigkeit mitgetheilt – sie war sich gewiß, daß es etwas sein müsse, was auch sie betreffe … Unbeachtet, langsam und geräuschlos schlich sie zurück und kauerte hinter der Hecke nieder; konnte sie auch nicht Alles verstehen, so viel ward klar, daß es eine

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_049.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)