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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Malter Kiefern- und dreißig Malter Lärchenzapfen ausgeklengt, welche ein Samenergebniß von fünfhundert und dreihundert Pfund liefern.

An zwölfhundert Centner Kiefern-, Fichten- und Lärchensamen sendet die Anstalt alljährlich in die verschiedensten Theile der Erde. Die meisten deutschen Regierungen, dann Belgien, Holland, England, Dänemark, Schweden und Rußland, viele Theile Afrikas, in der neueren Zeit besonders auch Amerika, beziehen für das Anpflanzen neuer Wälder ihren Samen von dieser Handlung. Namentlich aber ist es Frankreich, welches ihn von da für die Wiederbewaldung seiner Gebirge erhält und verwendet. In Frankreich ist die Waldcultur wegen der jährlich eintretenden Ueberschwemmungen eine der brennendsten Fragen geworden. Die Revolution übte bekanntlich keine Schonung gegen Gemeinde- und Staatswälder aus, alle Höhen wurden unbarmherzig abgeholzt und bewaldeten sich nicht mehr von selbst. Würde dies jetzt durch die Forstcultur nachzuholen nicht mehr möglich, so wäre der wirthschaftliche Ruin eines Theils des Landes in der Zukunft ausgesprochen.

Nach Kiefernsamen findet die größte Nachfrage statt; aber auch außer dem schon genannten Lärchen- und Fichtensamen wird der Samen von Schwarzkiefern, von Ahorn, Eschen, Ulmen, von Linden und Akazien, von Weißtannen und Weymouthskiefern (pinus strobus) ebenfalls gesammelt und präparirt, doch nicht in so großen Massen. Die Versendung vertheilt sich im Verlaufe des Jahres bei dem Laubholzsamen, mit Ausnahme des Ulmensamens, auf Ende October oder Anfang Novembers; bei Weißtannensamen auf den Anfang Decembers; bei den übrigen Nadelholzsamen auf Mitte bis Ende März, beim Ulmensamen auf Ende Mai oder Anfang Juni.

Die mit der Holzsamenhandlung verbundene Grassamenhandlung ist gleichfalls bedeutend und viele Hunderte von Menschen sind während des Sommers und Herbstes mit dem Einsammeln und Reinigen beschäftigt. Die Fabrik setzt einige hunderttausend Gulden jährlich in Umlauf und der Reingewinn soll nicht unter dreißigtausend Gulden betragen. Neben dieser älteren Fabrik hat sich noch eine zweite, deren Besitzer ebenfalls von Griesheim nach Darmstadt übergesiedelt sind, durch die Vortheile, welche die Umgegend zwischen Rhein, Main und Neckar darbietet, hier rasch emporgearbeitet.

So sehen wir, wie in der heutigen Zeit selbst die Romantik des Waldes, welche durch die Waldcultur uns erhalten wird, Hand in Hand mit der Industrie geht, deren Fortschritt auf der Anwendung der Wissenschaft und auf der Praxis der Verwendung großer Capitalien beruht. Schließlich wollen wir noch erwähnen, daß Herrn Keller, einem durch Intelligenz, Humanität und Unabhängigkeitssinn ausgezeichneten Manne, auf den bedeutendsten land- und forstwissenschaftlichen Ausstellungen die volle Anerkennung seiner Verdienste um den in die Volkswirthschaft so tief eingreifenden Geschäftszweig durch Ertheilung von Medaillen und Ehrendiplomen nicht gefehlt hat. Auf der großen Weltausstellung des Jahres 1867 zu Paris wird ein großes Modell der Fabrikanlagen des Herrn Keller den bis jetzt vollständigsten und besten Klengproceß zur allgemeinen Anschauung bringen.

H. Künzel.




Rom am Rhein.
III.
Die Jesuiten. – Der schwarze Papst. – Jesuiten-Etablissements am Rhein. – Die Jesuiten als Kaufleute und Bankiers. – Ihr Weltbürgerthum und blinder Gehorsam. – Die Jesuitenmissionen. – Pater Klinkowström und die Bibel. – Die Jesuiten in kurzen Röcken. – Der rheinisch-westphälische Adel und seine nahe Verwandtschaft mit den Jesuiten. – Die Priester vor und in dem letzten Kriege.


Was wir über die Wirksamkeit der geistlichen Orden sagten, findet vorzugsweise seine Anwendung auf den Orden der Jesuiten.

Es kann nicht unsere Absicht sein, hier eine Geschichte dieses weltbekannten Ordens und seiner Tendenzen, seiner Aufhebung durch Papst Clemens den Vierzehnten im Jahre 1773 und seiner Wiederherstellung durch Pius den Siebenten 1814 zu schreiben. Wir wollen nur kurz andeuten, daß derselbe, von eben so befähigten wie fanatisch erregten Männern gegründet, seine ganze Kraft, nachdem das erste Ziel auf das gelobte Land gescheitert war, gegen die gleichzeitige Reformation richtete, als eine stets gerüstete Miliz, allezeit zu kämpfen bereit für Gottes Statthalter, den heiligen Vater zu Rom und die alleinseligmachende Kirche, – daß in diesem Sinne der Orden große Macht über alle politischen Ereignisse entfaltete, Kaiser und Könige maßgebend beeinflußte und zuletzt sogar sich als Selbstzweck über die Kirche und diese beherrschend hinstellte, so daß man in Rom dem Jesuiten-General, dem schwarzen Papst, mehr Gewalt zuschreibt, als dem weißen, dem heiligen Vater.

Der Orden ist jetzt, so viel wir wissen, in einundzwanzig Provinzen vertheilt, Davon kommen vier auf Frankreich, fünf auf Deutschland (Holland mit Belgien einbegriffen), zwei auf Spanien, fünf auf Italien, eine auf Mexico und vier auf England, Irland und die Vereinigten Staaten. Es ist indessen schwer für den Uneingeweihten, darüber sowie über die Zahl der Mitglieder und deren Vertheilung in die einzelnen Provinzen Gewißheit zu erlangen. Sehen wir aber auf Preußens westliche Provinzen, so können wir schon ermessen, wie groß die Zunahme und die Verbreitung ist. In Paderborn, in Münster, in Köln, Aachen, Bonn, Coblenz haben sie sich festgesetzt und theilweise große Gebäude und im Widersprüche mit den früher berührten organischen Artikeln, aber unter Connivenz der Staatsregierung große Kirchen für den öffentlichen Gottesdienst erbaut. In der ehemaligen Benedictiner-Abtei Laach am Laacher See bei Andernach haben sie ein Scholastikat errichtet, welches über zweihundert Köpfe und darunter über ein Viertheil Priester zählt. – In dem angrenzenden Mainz hat ihnen sogar ihr zelotischer Beschützer, der Bischof von Ketteler, im Widerspruche mit den auch dort geltenden französischen Gesetzen, wie mit dem Magistrat und den großherzoglich hessischen Ständen, die Pfarrkirche St. Christoph und die dazu gehörige Pfarrerwohnung überwiesen.

Die Personen aber in diesen Anstalten wechseln fortwährend. Bald sind es Franzosen bald Belgier, bald Schweizer, bald Deutsche, und wir wissen nicht, ob bei den noch bestehenden Nationalitäts- und Freizügigkeits-Beschränkungen der Staat irgend eine Controle darüber führt. Von Erwerbung des Bürgerrechts ist keine Rede. Der Wille ihres Ordens-Generals und ihrer Provinzialen ist der Rechtstitel für ihr Eindringen.

Woher sie die Mittel zu solchen großartigen Anlagen und zu ihrer Subsistenz nehmen, haben wir oben schon angedeutet. Freilich besitzt der Orden im Großen und Ganzen großartige Hülfsquellen. Ungeachtet schon Papst Benedict der Vierzehnte allen Geistlichen, womit vorzüglich die Jesuiten gemeint waren, jede Art von Handelsgeschäften verbot, treiben sie den Handel in großem Maße. Es ist bekannt, daß fast der ganze Handel mit Cocosöl aus der Südsee in ihren Händen ist. In Frankreich und Belgien betreiben sie in der Form von Commandit-Gesellschaften Bankgeschäfte. Dabei besteht aber das Princip bei ihnen, daß jede einzelne Anstalt vorzugsweise für sich selbst sorgen muß, und das muß dann erworben werden.

Daß bei dieser Weltstellung eines nach Weltherrschaft strebenden Ordens von Liebe zum Vaterlande, von staatlichen und nationalen Interessen keine Rede sein kann, leuchtet ein. Wer dem Orden angehören will, der muß alle natürlichen und menschlichen Regungen in sich ersticken, der muß Eltern, Geschwister und Freunde aus seinem Herzen reißen, der muß in blindem Gehorsam seinen Obern folgen, denn „wer im Gehorsam lebt“ sagen die Constitutionen des Ordens, „läßt sich von der göttlichen Vorsehung durch seine Obern leiten und regieren, wie wenn er ein Leichnam wäre (perinde ac cadaver) oder ein Stab, welcher dem Träger auf jede beliebige Weise dient.“

Sind nun die Interessen des Staates dem Orden fremd, steht er zufolge der ihm schon im Jahre 1549 durch den Papst Paulus den Dritten ertheilten Privilegien nicht unter der Diöcesangewalt

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_135.jpg&oldid=- (Version vom 8.3.2017)