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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

(früher unter dem Titel „Innung der Zukunft“)[1] besitzen, nicht haben stattfinden können. Während in England und Frankreich eine ganze Anzahl solcher Unternehmungen aufgetaucht sind, um nach kurzem Dasein wieder zu verschwinden, wächst unser Blatt von Jahr zu Jahr und hat sich in einem gesicherten Leserkreise wie in einem Stamm tüchtiger Mitarbeiter aus den Leitern der verbundenen Vereine zu festem Bestand emporgeschwungen.

Von nicht geringerer Bedeutung ist die Gründung eines größeren Bankinstitutes, der deutschen Genossenschaftsbank in Berlin, welche die verbundenen Vereine seit 1865 in das Werk gesetzt haben, einer Commanditgesellschaft auf Actien, vorläufig mit 270,000 Thlr. Capital dotirt, wovon drei Viertheile von den Genossenschaften und deren Mitgliedern aufgebracht worden sind. Dieselbe hat die Bestimmung, einmal den Genossenschaften für den Fall des Bedürfnisses bankmäßigen Credit zu gewähren und ihnen, soweit thunlich, den Großbankverkehr zu eröffnen, sodann aber auch Ab- und Zufluß der den Genossenschaften selbst zu Gebote stehenden Capitalien im gegenseitigen Interesse regeln zu helfen. Bereits hat eine große Zahl unserer Vereine mit diesem Institute gedeihliche Verbindungen angeknüpft, welche sich fort und fort vermehren, und schon ist die Verstärkung des Fonds desselben in das Auge gefaßt, um dasselbe in den Stand zu setzen, auch bei kritischen Lagen den Genossenschaften eine feste Stütze zu bieten.

Endlich, und damit ist eine neue Aera für die Entwickelung der deutschen Genossenschaften eröffnet, ist es in der neuesten Zeit den Bemühungen des Anwaltes unter energischer Mitwirkung des Verbandes gelungen, die Sicherung der privatrechtlichen Stellung der Genossenschaften mittels der Gesetzgebung durchzusetzen. Zwar ist dies zunächst nur für Preußen der Fall. Da indessen das hier durchgebrachte Gesetz sich wesentlich an das allgemeine deutsche Handelsgesetzbuch anlehnt und die Principien desselben über das Gesellschaftsrecht auf eine darin übergangene Form der Vergesellschaftung, die genossenschaftliche, anwendet, so wird seine Einführung in den übrigen deutschen Staaten, wo das Handelsgesetzbuch gilt, keine Schwierigkeit haben. Vielmehr wird es nur Sache der in den einzelnen Ländern befindlichen Genossenschaften sein, ihre Bedürfnisse der Gesetzgebung gegenüber gehörig geltend zu machen, um zu dem erwünschten Ziele zu gelangen. Denn – wie dies der Verfasser den preußischen Ministern bei ihrem mehrjährigen, erst jetzt überwundenen Widerstande gegen den von ihm eingebrachten Gesetzentwurf im Abgeordnetenhause wiederholt gesagt hat – die Genossenschaften sind bereits eine Macht, ein Factor im Wirthschaftsleben unseres Volkes, mit dem man rechnen muß, soll die Bilanz stimmen, und willig oder widerwillig, ihre gesetzliche Anerkennung kann man höchstens auf kurze Zeit vertagen, aber nimmermehr versagen.




Die Bürgermeisterin von Schorndorf.


Im Südwesten unseres Vaterlandes, dem Theile desselben, der heute vereinsamt zwischen dem Norddeutschen Bunde und Oesterreich steht, hat das deutsche „Reich“ seine glänzendsten wie seine traurigsten Zeiten gesehen. Aber weder diese noch jene sind den Nachkommen als „Erfahrungen“ zum Heil gediehen, weder Völkern noch Fürsten ist die Geschichte eine Lehrerin für ihre Zukunft gewesen; am wenigsten vermochte die Ohnmacht der Kleinstaaterei im Kampfe gegen das einheitsmächtige Frankreich dem Drange nach Reichseinheit die nachhaltige Kraft zu geben, welche nur aus klarer Einsicht des Uebels und dem festen Willen, es zu beseitigen, entspringt. Bis zum letzten deutschen Kriege des vorigen Jahres standen Baiern und Schwaben, Franken und Pfälzer, einst neben den Sachsen die alten Kernvölker Deutschlands, auf Seiten desjenigen Großstaats, der nur auf ein zersplittertes Deutschland seine eigene Machtstellung stützte, und sie verdanken ihr ungeschmälertes Fortbestehen nur dem Einfluß jenes Nachbars, der keine größere Gefahr für seine eigene anspruchsvolle Macht fürchten kann, als ein einiges Deutschland. Es ist niederdrückend genug, daß wir aus dem französischen sogenannten „Gelbbuch“ so gar deutlich herauslesen müssen, daß die süddeutschen Regierungen sich um Frankreichs Hülfe gegen Preußen bemüht haben, daß also jenes angebliche Ministerwort nicht erfunden war, das da lautete: „Lieber französisch, als preußisch!“

Diese Erscheinung veranlaßt uns, gerade aus jenem Reichstheile ein Geschichtsbild hervorzuziehen, das wie wenige geeignet ist, uns das ganze Elend zu enthüllen, in welches die Selbstsucht der vielen kleinen Fürstlichkeiten und die Ohnmacht des Reichsoberhauptes die süddeutschen Länder versinken ließen, während es uns zugleich ein erhebendes Beispiel zeigt, wie dort das Gefühl für Nationalehre im Volke allein noch seine treuen Träger und tapferen Vertheidiger fand.

Altärchen zu bauen und Heiligenbilder anzuputzen, das war die Knabenlust des Fürsten gewesen, welcher das Deutschland des Westphälischen Friedens gegen einen Ludwig den Vierzehnten vertheidigen sollte. Jener unselige Friede hatte bekanntlich den Reichsfürsten „die volle Landeshoheit“ und damit zugleich die Befugniß ertheilt, „zu ihrer Erhaltung und Sicherheit Bündnisse mit auswärtigen Mächten einzugehen.“ Die Reichsfürsten in Süd- und West-Deutschland sanken zu bestechlichen Creaturen Frankreichs herab, mit großen Geldsummen suchte Ludwig der Vierzehnte sogar die deutsche Kaiserkrone auf sein Haupt zu bringen, und dies würde ihm gelungen sein, wenn nicht die Bewahrung der Nationalehre nach außen zu allen Zeiten unserer Geschichte den nördlichen Deutschen mehr am Herzen gelegen hätte, als allen übrigen: nur Brandenburg und Sachsen retteten Deutschland vor der Schmach, das Haupt eines fremden Despoten und des bösartigsten Reichsfeindes mit der deutschen Krone zu schmücken. Sie wurde, sagt ein deutscher Geschichtsschreiber, auf Leopold’s (des Ersten) Perrücke gesetzt, die freilich keinen Ersatz bot für die goldenen Locken der Hohenstaufen. – Der Franzosenkönig stiftete aber aus Rache den ersten Rheinbund (1658), und er fand deutsche Reichsfürsten genug dazu: den Kurfürsten von Mainz (den Reichs-Erzkanzler!) und den von Köln, den Bischof von Münster, die Fürsten von Braunschweig-Lüneburg und Hessen-Kassel, von Würtemberg und vor Allen die Welfen, die sich damals gegen das Reich am schlechtesten benahmen. Solcher Schmach vom Rhein bis zur Weser stand damals nur „der große Kurfürst“ gegenüber, der allein die deutsche Ehre im Norden gegen den andern Reichsfeind, die Schweden, rettete.

Gestützt auf so viele untreue deutsche Fürsten konnte Ludwig der Vierzehnte ohne alle Gefahr mit Verträgen und Eiden spielen, um von dem zerstückelten Reiche immer mehr an sich zu reißen, und schließlich war kein Plan, der dazu verhalf, ihm zu gemein oder zu lächerlich.

Da saß in Metz ein überkluger Mann am Actentisch. Der Parlamentsrath Ravaux hatte den Auftrag erhalten, die Ortschaften auszumitteln, welche zum Bezirk des Gerichtshofs von Metz gehörten. Zu diesem Behufe studirte er die Urkunden, welche über die Bestandtheile der durch den Westphälischen Frieden Frankreich rechtlich zugesprochenen deutschen Bisthümer Metz, Tul und Werden (Verdün) Auskunft gaben, und bei dieser Gelegenheit fand nun der Mann heraus, daß viele ehemalige Gebiete dieser Fürstenthümer noch in deutschem Besitze seien. Sofort stellte er ein seltsames Verzeichniß von Ortschaften zusammen, welche angeblich zu irgend einer Zeit einmal zu Metz, Tul oder Verdün gehört haben sollten, und überreichte dies dem Minister Louvois. So abenteuerlich erschien selbst diesem gewissenlosen Staatsmann das Machwerk des Parlamentsraths, daß er lautauf darüber lachte. Und dennoch empfahl er es seinem König, und diesem diente es als Grundlage zu seinen berüchtigten Reunions-Kammern, deren Wirksamkeit endlich den Weg bahnte zu jener entsetzlichen Verwüstung der Pfalz im Jahre 1688 und 1689, jener Mordbrennerei Montclas’ und besonders Melac’s, dessen Name seitdem in jenen Landen ein Hundename ist.

Frankreich und Deutschland den Rhein entlang durch eine Wüste zu trennen, das war der höllische Gedanke, den ein Louvois seinem König eingab und den dieser mit haarsträubender Großartigkeit ausführen lassen konnte. Als von Ort zu Ort das ganze linke pfälzische Rheinufer mit Schutthaufen


  1. Blätter für Genossenschaftswesen. Organ des allgemeinen Verbandes deutscher Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften. Jahresabonnement ein Thaler zehn Neugroschen.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 187. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_187.jpg&oldid=- (Version vom 8.3.2017)