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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Des Scherzes wegen wollen wir auch noch einiger sympathetischer Curen Erwähnung thun. 1) Man schneide dem Kranken die Nägel an Händen und Füßen ab, wickle selbige in ein kleines Läppchen, bohre in einen jungen Kirschbaum ein Loch, thue sie hinein und schlage einen jungen eichenen Pflock davor. – 2) Man nehme Fett von einem Kater, wenn der Kranke männlichen Geschlechts, von einer Katze, wenn er weiblichen Geschlechts ist und reibe den Nabel damit ein. – 3) Man schreibe den Taufnamen des Kranken sechsmal auf einen Zettel und lege diesen dann einem Todten unter den Kopf. – 4) Man gebe dem Kranken, ohne daß er es weiß, von dem Bodensatze seines eigenen Urins, einer Erbse groß, ein. – 5) Man trage einen Ring von weißem Eselshuf und Elensklau auf der Brust. – 6) Man grabe im Juli bei abnehmendem Monde Sonntags um zwölf Uhr Mittags eine männliche Päonienwurzel aus der Erde und trage sie auf der Brust. – 7) Man trinke Blut von einem Hingerichteten. – 8) Man trage eine lebendige Eidechse, oder weiße Hundshaare, oder echte Korallen und einen Smaragd am Halse. – 9) Man nehme Asche von gebrannten Menschenknochen früh nüchtern in Wasser ein. – 10) Man nehme die Milz von einem jungen Füllen, dörre und stoße sie fein und nehme davon ein. – 11) Man schreibe die Namen der heiligen drei Könige (Caspar, Balthasar, Melchior) auf ein Blatt Papier und hänge es zusammengebrochen an einen Faden gebunden um den Hals. – 12) Man thue in einen neuen unglasirten Topf einen lebendigen Maulwurf, gieße Essig darüber, verschließe den Topf fest und setze ihn so lange an’s Feuer, bis der Maulwurf zu Pulver verbrannt ist. Hiervon nehme man täglich dreimal einen Theelöffel voll mit Lindenblüthenwasser.

Und was räth denn nun der Verfasser, wenn er von einem Epileptischen um Rath gefragt wird? Zuvörderst sagt er ihm, daß die gebildetsten Aerzte alle zusammen zur Zeit über diese Krankheit noch im tiefsten Dunkel leben und daß es deshalb von jedem Arzte (der nicht den Wahlspruch führt: „es stürzt was stürzt“) gewissenlos ist, mit wirklich wirksamen oder gar mit Geheimmitteln auf gut Glück gegen diese Krankheit zu Felde zu ziehen. Sodann giebt er aber den Rath, dasjenige Organ, was bei der Epilepsie das vorzugsweise betheiligte zu sein scheint, wie ja das Fehlen von Empfindung und Bewußtsein beim epileptischen Anfalle bezeugt, das Gehirn nämlich, sanft und naturgemäß zu behandeln. Die richtige diätetische Behandlung des Gehirns (s. über Gehirndiätetik Gartenlaube 1856, Nr. 7) verlangt nun aber, daß von diesem Organe vor allen Dingen jedwede stärkere, zumal sich öfters wiederholende und längere Zeit anhaltende Reizung und Anstrengung abgehalten werde; dies gilt zumal von der geistigen, gemüthlichen und geschlechtlichen Ueberanstrengung. Geschlechtliche Unarten (Onanie), anstrengender Schulunterricht (zumal kleiner Kinder), heftige Sinneseindrücke (besonders durch Auge und Ohr, Schreck, Furcht, der Anblick eines in Krämpfe Verfallenen), stark erregende Getränke (Spirituosa), Kopferschütterungen und die Einwirkung großer Hitze und Kälte auf den Schädel, üben sehr nachtheiligen Einfluß auf ein leidendes Gehirn aus. – Sodann muß nun aber die Hirnsubstanz durch gutes (gehörig eiweiß-, fett- und sauerstoffreiches, von den Gewebsschlacken gereinigtes) Blut auch richtig ernährt werden, und deshalb ist eine dem Blute ähnliche Nahrung (besonders Milch und Ei), sowie das Einathmen reiner Luft und die Förderung der Reinigung und Circulation des Blutes ein Haupterforderniß zur Kräftigung des Gehirns und des ganzen Nervensystems. – Da überhaupt schwächliche Personen leichter von Epilepsie heimgesucht werden, so ist Kräftigung des ganzen Organismus bei solchen Kranken anzustreben. – Die Kaltwasser-Quakelei, die gar nicht selten bei nervösen, aber sonst gesunden Personen den epileptischen ähnliche Krämpfe veranlaßt, kann bei der Epilepsie großen Schaden anrichten.

Während des epileptischen Anfalles sehe man, ebenso wie beim wahrnehmbaren Herannahen desselben, von allen eingreifenden Maßregeln, die den Anfall unterdrücken oder verhüten sollen, ab, wie: vom Ausbrechen der eingeschlagenen Daumen, Umbinden der Gliedmaßen, Anspritzen mit kaltem Wasser, Vorhalten starkriechender Sachen vor Mund und Nase, Zusammendrücken der großen Adern und Nerven am Halse, Einflößen von Arzneimitteln. Auch das Binden und starke Festhalten des Kranken ist zu unterlassen, ebenso das gewaltsame Einflößen von Flüssigkeit in den Mund. Der Krampfanfall bei der epileptischen Krankheit hat nämlich eine gewissermaßen heilsame (kritische) Natur, insofern durch das Austoben und den nachfolgenden Schlaf der Kranke auf einige Zeit erleichtert und vom Anfalle verschont wird, während durch Unterdrückung und Behinderung desselben das Befinden außer dem Anfalle getrübt und der nächste Anfall um so frühzeitiger und angreifender wird. – Im Anfalle sorge man dafür, daß der Kranke beim Hinstürzen und Herumwerfen sich nicht beschädigen und daß er die krampfhaften Bewegungen ungehindert ausführen kann; man lasse ihn bewachen und unterstützen (aber ohne Gewalt anzuwenden), löse alle beengenden Kleidungsstücke (Halsbinde, Weste, Schnürleib, Gürtel, Bänder), entferne Alles, womit sich der Kranke beschädigen kann, reinige den Mund und wo möglich den Rachen von Schaum, schütze die Zunge durch Einlegen weicher Gegenstände zwischen die Zähne und fördere das Ausfließen des Speichels durch Seitwärtsneigung des Kopfes. Kennt der Kranke oder seine Umgebung die Zeit des Anfalls, dann werde derselbe natürlich zu Hause auf Decken, Kissen oder im niedrigen Bette mit hohen Wänden abgewartet. – Nach dem Anfalle reiche man höchstens ein Glas Wasser oder eine Tasse Thee oder schwarzen Kaffee, und lasse den Kranken im Bette wohl zugedeckt und bewacht ordentlich ausschlafen.

Bock.




Blätter und Blüthen.


Eine Requisition. (Episode aus dem letzten deutschen Kriege.) „Wir Leute vom Verpflegungswesen hatten es im Allgemeinen während des letzten deutschen Krieges in Böhmen und Mähren nicht schlecht,“ erzählte der Proviantmeister X. „Es fehlte uns nicht an Speise und Trank, an einer Schlafstelle, wenn auch nicht immer unter Dach und Fach, so doch auf irgend einem Proviant- oder Bagagewagen, und bei dem überaus schnellen Vordringen unserer siegreichen Armee war vom Feinde wenig zu fürchten. Wir befanden uns oft meilenweit hinter den kämpfenden Heeren und wenn wir herbeigerufen wurden, war für den Augenblick Kampf und Streit vorüber und die Gefahr in die Ferne gerückt. Dennoch möchte ich nicht noch ein Mal solch’ aufreibendem Dienste unterworfen sein, kein zweites Mal den ausgestandenen Jammer erleben. Man gewöhnt sich zwar an Vieles, aber nicht an Alles.

Das Peinlichste außer den Marterscenen auf den Kampfplätzen und in ihrer Nähe waren mir in meinem Amt und Dienste stets die Requisitionen, die gewaltsame Wegnahme von Lebensmitteln für Mensch und Thier; aber – Noth bricht Eisen! Der zu Tode ermattete Krieger, selbst die erschöpfte unvernünftige Creatur bedürfen unabweisbar Speis und Trank; denn beide haben nicht selten meilenweite Märsche gemacht, stundenlang in heißer Sonnengluth, in Wind und Wetter gekämpft, sind wohl selbst verwundet, durch Blutverlust geschwächt, – da muß schleunig Rath und Hülfe geschafft werden und – ‚Proviantmeister her! – Wo ist der Glückliche, welcher den ganzen langen Tag Maulaffen feil gehalten und in Nummer Sicher gesteckt hat? Schnell herbei! Drei Stückfaß Branntwein, viertausend Pfund Brod, tausend Pfund Ochsenfleisch etc. Herr, nicht lange besonnen, Pferde und Mannschaften sind zu Tode erschöpft!‘ So ertönt es aus dem Munde des fürsorglichen, aber sehr gestrengen Regiments-Commandeurs; ihm nach folgt der Chorus der anderen Ober- und unteren Officiere.

Da ist guter Rath theuer. Die Proviantcolonne ist noch weit hinter dem fliegenden Heere und die Vorräthe sind, besonders an Schlachtvieh, für den Augenblick erschöpft. Ich äußere meine Bedenken, beweise die Unmöglichkeit sofortiger Hülfe – ‚Requisition, Herr,‘ ruft der Gestrenge. ‚Binnen zwei Stunden muß das Regiment Fleisch, Brod und Branntwein haben und die Pferde Heu, Stroh und Hafer, oder‘ .… Na, und so weiter,“ fuhr der Erzähler fort, „machen Sie selbst die Fortsetzung des Donnerwetters. Ich armer verblüffter Speisemeister stelle mich nun an die Spitze einer Abtheilung Ulanen, um die befohlene Requisition schleunigst auszuführen, nachdem ich meiner Proviantcolonne mittels einer Stafette Befehl gesandt, in Eilmärschen heranzukommen. Das nächste Ziel ist jenes große Kirchdorf, welches nach Schlachtvieh Haus für Haus abgesucht, resp. ausgeplündert werden soll.

Als ich das Dorf erreicht hatte, suchte ich den Schulzen oder Richter auf. Leicht gelang mir das, denn das stattlichste Gehöfte war sein Eigenthum; auch fand ich den Mann selbst zu Hause, aber alle Räumlichkeiten standen öde und leer und zeigten überall Spuren der Plünderung. ‚Es thut mir unendlich leid,‘ sprach der Mann mit kriechender Freundlichkeit, ‚daß die Herren zu spät gekommen; Ihre Landsleute haben bereits seit zwei Tagen das ganze Dorf rein ausgeplündert und jedes Stück Vieh mit fortgenommen. Sie finden nicht die Haare mehr.‘

‚Herr, ich muß Schlachtvieh haben und sollte es vom Himmel herunter geholt werden müssen!‘ donnerte ich ihn an. Was konnte ich auch

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 447. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_447.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2017)