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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

nach außen, das nur Zerstreuung sucht und derselben nachgeht, indem es darin einen erlaubten Lebensgenuß findet, sondern solch’ ein Herausholen des Edlen und Herrlichen, das in dem Innern eines Jeden wohnte, eine Beschäftigung, Nährung, Uebung und weitere Ausbildung derselben, ein nicht von außen gewecktes Verlangen darnach, sondern der eigene Trieb dazu und das stete jahrelang gepflegte Beharren darin, das Alles sind Momente, bei deren Zusammenstellung und Würdigung wir mit hoher Achtung gegen die sittliche und geistige Bildung, gegen Gemüth und Charakter dieser kunstreichen schlichten Nürnbergischen Bürger erfüllt werden müssen.“ Und dabei waren sie nicht etwa Stubenhocker von Haus aus und von Jugend auf, sondern Jeder hatte während seiner Wanderburschenjahre mancher Herren Lande gesehen und Peter Vischer sogar Italien.

Der Mann, welcher in so vielen Städten – außer Nürnberg in Wittenberg, Römhild, Breslau, Magdeburg, Bamberg, Regensburg u. a. O. – unvergängliche Denkmale zur Verherrlichung vornehmer Todten hinterlassen, ist über seine eigene Vergangenheit so im Dunkeln geblieben, daß wir weder seinen Vater noch sein Geburtsjahr genau kennen und selbst sein Todesjahr erst neuerdings festgesetzt ist. Man nimmt an, daß er zwischen 1456 und 1460 geboren sei; gestorben ist er 1529, am 7. Januar, wie eine Inschrift auf seinem und seiner Frau erst im Jahre 1830 von dem berühmten Kupferstecher Director Reindel aufgefundenen Grabsteine auf dem Rochuskirchhof (gleich rechter Hand beim Eingang) angiebt.

Peter Vischer’s Leben und Wirken fiel in die letzte und schönste mittelalterliche Blüthezeit Nürnbergs. Von dem Glanz, der jetzt noch die liebe Stadt aus vergangenen Tagen schmückt, hat nicht Weniges damals seinen Ursprung genommen. Obenan steht Albrecht Dürer, der nicht nur als weltberühmter Maler, Kupferstecher, Holzschneider etc. weit über Deutschland hinaus geehrt war, sondern auch seine Vaterstadt mit den vier Riesenthürmen befestigte, die sie noch heute schmücken und ihr Bild vor dem vieler Städte auszeichnen; in seiner Werkstatt arbeiteten seine Schüler Hans Burgmeier, Schäuffelin, Altdorffer, Kulmbach u. A. und selbst sein alter Lehrer Wohlgemuth war noch in diese erste Zeit herein thätig. Der Bildhauer Adam Krafft, der Bildschnitzer Veit Stoß, der Glasmaler Hirschvogel schmückten die Kirchen und die Patrizierpaläste mit ihren Kunstwerken; der Volksdichter Hans Sachs, der gelehrte Pyrkheimer, der kühne Reisende und Kosmograph Martin Behaim warfen den Glanz ihrer Namen auf die Vaterstadt zurück, und selbst Peter Hele’s erste Taschenuhren gehören noch dem Anfang dieser Zeit an; reiche Bürger, wie die Tucher, suchten ihre höchste Ehre in der Pflege der Künste, und über Allen stand der deutsche Kaiser jener Tage, der ritterliche Max, der in Nürnberg so oft und gern verweilte und es nicht blos dachte und sagte, sondern durch die That anerkannte, daß er „aus jedem Bauern einen Edelmann, aber aus keinem Edelmanne einen Künstler machen könne“. Zu diesen Zeitgenossen gehört Peter Vischer mit seinem Sohne Hermann, und er war geehrt von Hoch und Niedrig, wie er es verdiente. Kein hoher Fürst und Geistlicher, Gesandter, Gelehrter oder Dichter ging durch Nürnberg, ohne des berühmten Peter Vischer’s Gießhütte besucht zu haben, und manchen sinnigen Mann erfreute wohl des Meisters Einfachheit und Würde so sehr, wie seine herrlichen Werke. Einen solchen Besuch benutzte unser Künstler, Rudolph Seitz in München, um uns den Alten in seiner Werkstatt zugleich mit dem Modell seines größten Werkes, des Sebaldusgrabes, darzustellen. Es soll geschehen sein, daß hohe Geistliche ihre Grabmäler selbst bei ihm bestellten, wie denn die Denkmäler der Bischöfe Heinrich’s des Dritten und Georg’s des Zweiten von Bamberg und des Bischofs Johann von Breslau Jahre vor deren Tode vollendet worden sind. Wollen wir ein solches Kirchenhaupt in einem solchen Augenblick in dem ehrwürdigen Greise unseres Bildes erkennen, so wird die Wirkung desselben dadurch nur gewinnen.

Ganz mit Stillschweigen übergehen dürfen, wir es nicht, daß in unseren vierziger Jahren der berühmte Meister der Baukunst, Heideloff, den über dreihundertjährigen Lorbeerkranz Peter Vischer’s um die größere Hälfte zu verkleinern suchte. Er unternahm es, die Behauptung zu beweisen, daß die Modelle zu sämmtlichen oder wenigstens den vorzüglichsten Kunstwerken Vischer’s von Veit Stoß herrührten und jener nur das gewesen sei, was er sich stets selbst nenne, ein Rothgießer. Für Peter Vischer hob Döbner, Baurath in Meiningen, den Handschuh auf. Das „Kunstblatt“ war die Wahlstatt, aber ein entscheidender Sieg ist nicht erfochten worden.

Das Nürnberg der Gegenwart besaß einen zweiten Peter Vischer, auch im Leben und Wesen ein Spiegelbild desselben, und auch er hat sich nie anders genannt, als den „Erzgießer“ Burgschmiet. Wer aber vor dem Gymnasium zu Nürnberg steht und die von demselben „Erzgießer“ Burgschmiet in Stein ausgeführte Bildsäule des Philipp Melanchthon betrachtet, kommt wohl auf den Gedanken, daß auch dem „Rothgießer“ Peter Vischer mehr als nur das Gießen könnte zugetraut werden, abgesehen davon, daß vor vierthalbhundert Jahren die Theilung der Arbeit noch nicht so weit vorgeschritten und das Gebot „Selbst ist der Mann“ in vielen Beziehungen unerläßlicher war, als heute.

H. v. C.




Käthchen Murat, die amerikanische Prinzessin.


Vor einigen Wochen heirathete Miß Elise Dillon, ein bildschönes Mädchen aus St. Louis in Missouri, den Grafen Roger de la Vaulx, den sie auf einer Reise durch Frankreich kennen gelernt hatte. Die Hochzeit wurde auf dem Schlosse des Schwiegervaters, Château de Rosoy, in der Nähe von Paris, mit fürstlichem Pomp gefeiert. In allen fashionablen Familien der ganzen Union war die gräfliche Heirath für ein paar Tage lang der herrschende Gegenstand der Unterhaltung. Die englischen Zeitungen erzählten den Vorgang mit großem Wohlbehagen und von manchen süßen Lippen drangen Hoffnungsworte in die Herzen der Väter und Mütter nach einer Reise in’s Land

Wo die Barone blüh’n,
In Grafenkronen Diamanten glüh’n!

In der That, die amerikanische Demokratie hat ihre wunderlichen Seiten. Die Amerikaner nennen sich ein Volk von Souverainen. Die Töchter der Souveraine freien Barone, Grafen, Herzöge und Fürstensöhne! Auch die Schweizer sind Republikaner, auch die Römer, die Athenienser und die Spartaner waren es, ja die „Republik“ Frankfurt a. M. entlockte zur Zeit ihrer Einverleibung mit Preußen dem dortigen amerikanischen Consul, Herrn Murphy, eine spröde Beileidsthräne; doch wußte ich nicht, daß sich die Bürger von irgend einer dieser Republiken jemals Souveraine genannt, und nur die Amerikaner bezeichnen meines Wissens mit diesem Ausdruck das ihnen eigenthümliche stolze Bürgerthum.

Sehen sich Deutsche oder Franzosen irgendwo in Europa nach demokratischen Elementen um, so richten sie ihre Blicke gewöhnlich tief unten nach den dunkelsten Schichten der Gesellschaft. Sie begreifen kaum, daß die Demokratie auch auf den Höhen des Reichthums und der Bildung hausen könne. Unter den „Armen und Elenden“ suchen sie die Demokratie. Nur der Amerikaner sucht sie um sich und über sich. Er drängt sich auf Reisen an die Höfe, zu den reichen, gebildeten, unabhängigen Classen, zu denen, die den Souverainen am nächsten stehen, zu seines Gleichen. Er findet durchaus nicht, daß es in Europa zu viele Herren gäbe, nur weniger Diener wären nach seinem Geschmack. Doch ist jeder Souverain ein Aristokrat – und so ist es auch der Amerikaner. Aber gerade diese Erscheinung, die ein ganz eigenes, neues und tüchtiges republikanisches Leben verräth, wird in den Köpfen kleiner Menschen nur allzuhäufig zur Caricatur, und es ist gewiß eine widerliche Verzerrung eines Bildes von demokratischer Souverainetät, wenn reiche amerikanische Familien, die ihr Glück und ihre souveraine Existenz gerade ihrem siegreichen Kampfe gegen das alte Feudalwesen verdanken, ihren Glanz dadurch zu erhöhen streben, daß sie sich mit alten europäischen Adelsfamilien verbinden und mit der Schönheit und Liebenswürdigkeit ihrer Töchter, oft sogar nur mit ihrem Reichthum, eine Grafen- und Herzogskrone als Emblem für ihren Kutschenschlag erkaufen.

Nur äußerst selten, wenigstens sind mir die Fälle nicht bekannt, heirathet einer unserer amerikanischen Crösusse eine europäische Dame von Adel. Ist die europäische Adelige reich, so

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 504. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_504.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2017)