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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

könnte ich es vielleicht. Aber ich will es nicht, denn ich erzähle eine wahrhaftige Geschichte, die, wie jedes wirkliche Menschenleben, ihre ungelösten Räthsel hat. Als der Prinz eintrat, streckte ihm Käthchen ihre beiden Hände entgegen. Der Prinz preßte sie an seine Lippen und nach kurzer Verständigung war der Bund für’s Leben geschlossen.

Käthe war dem abenteuerlichen Manne eine treue Gattin. Sie war es, die der ganzen Oekonomie und dem weitläufigen, halb indianisch, halb europäisch fürstlich eingerichteten Haushalt vorstand; denn zwischen Studien, verschwenderischen Experimenten und wildem Indianerleben hätte neues Elend der jungen Ehe gewartet, wenn die „Prinzessin“ selbst nicht den Excessen ihres wunderlichen Gemahls die gefährlichen Spitzen abgebrochen hätte. Die Indianer blieben ihnen immer treu. Ein einziges Mal drang ein Häuptling mit fünf seiner bemalten Krieger in Abwesenheit des Prinzen in sein Haus. Sie forderten mit drohenden Geberden Whiskey. Käthe hörte den Lärm und trat mit den Worten: „Seid Ihr Räuber oder ehrliche Freunde des Prinzen?“ mitten unter sie. Ohne eine Silbe zu erwidern, entfernten sich die Wilden. Doch vermied man im Hause des Nachts Licht oder Feuer anzuzünden, um die umherschweifenden Banden nicht nach dem Hause zu locken. In einer jener trüben Nächte saß Käthchen am Bette ihres todtkranken Gatten. „Ich wagte nicht ein Licht anzustecken,“ erzählte die Prinzessin einem meiner Freunde, „und leise griff ich nach seinem Puls oder neigte mein Ohr zu seinem Mund, um zu fühlen und zu hören, ob er noch lebe, da ich ihn nicht sehen konnte!“

Im Jahre 1847 starb Achille, und seit den letzten zwanzig Jahren lebt die tapfere Frau durch alle Stürme muthig dahin, umgeben von ihren treuen Negern, die selbst heute, nach ihrer Freilassung, ihr Hausgesinde bilden. Während des Krieges verkaufte sie all’ ihr Silberzeug und Geschmeide und unterstützte mit dem Ertrage kranke Soldaten und die Wittwen und Waisen verunglückter Kämpfer für die „verlorene Sache“. The lost cause, so nennt man allgemein im Süden die große Rebellion. Nach Beendigung des Kampfes, der sie nicht weniger als den ganzen Landadel des Südens verarmt hatte, machte sie einen Besuch am Hofe in Paris, wo sie der Kaiser als eine nahe Verwandte mit größter Auszeichnung behandelte. Beim Abschiede sicherte er ihr eine lebenslängliche Apanage von zehntausend Dollars pro Jahr zu.

Der Hof der Tuilerien hatte keinen Reiz für Frau Mürat. Nach wenigen Monaten erfaßte sie eine unwiderstehliche Sehnsucht nach ihrem stillen Aufenthalt bei Talahassee und nach ihren getreuen Schwarzen. Dort haben sie erst kürzlich Verwandte aus meiner nächsten Bekanntschaft besucht und sie mir bei ihrer Rückkehr als eine Matrone von seltener Schönheit und vom einnehmendsten Wesen geschildert. „Eine republikanische Fürstin an Leib und Seele“ nannte sie einer ihrer jüngeren Vettern! Gern verstehe ich mich dazu, ihm zu glauben und ihm den paradoxen Ausdruck zu verzeihen.

     St. Louis.

L. B.




Ein Erzähler der Gartenlaube.


Die leblosen Kunstschätze von München waren ausgekostet, als echter Tourist hatte ich bereits begonnen, mir auch die lebenden Merkwürdigkeiten zu besehen, hatte Paul Heyse besucht und an Emanuel Geibel’s Thür vergeblich pochend erfahren, daß er den Sommer über großentheils in seiner Vaterstadt Lübeck sich aufhalte.

Zunächst wollte ich auch den vielgelesenen und beliebten Erzähler Herman Schmid kennen lernen, um so mehr, als derselbe ein nicht verpflanztes, sondern einheimisches Gewächs ist und sich so recht in baierischen Stoffen und vaterländischer Art und Weise bewegt. Entsprach ich ja bei diesem Besuche doch nur einem natürlichen Zuge des Herzens, welches sich so gern überzeugen will, in wie weit das Bild, das es sich von einem Autor aus seinen Werken macht, auch der wirklichen Persönlichkeit entsprechend ist. Zudem hatte, was ich von den Lebensverhältnissen des Dichters schon früher aus zerstreuten Blättern in mein Tagebuch eingetragen hatte, meine Neugierde noch erhöht.

Als ich mich in einem Buchladen (glücklicherweise hatte mich der Zufall zum Verleger des Blattes geführt, in das Schmid seine gediegenen und gesuchten Artikel über Theater und Kunst schreibt) nach der Wohnung desselben erkundigte, begegnete ich bedenklichem Kopfschütteln und erfuhr, daß er sich ziemlich weit aus dem Geräusche von Isar-Athen geflüchtet habe und daß es eine kleine Reise gelte, um in die Vorstadt Giesing jenseits der Isar zu gelangen, wo er seine Behausung aufgeschlagen hat. Ich ließ mich indessen nicht abschrecken und machte mich auf die Wanderschaft durch die langgestreckte Vorstadt Au an der schönen unter König Ludwig dem Ersten erbauten gothischen Mariahilfkirche vorüber und die kleine Isarhöhe hinan, wo links der Zacherl-Keller sich erhebt, durch die Salvator-Quelle nicht minder weit bekannt, als jene durch ihre Gothik. Am Hügelrand hin zieht sich der Weg durch neu entstandene Anlagen, von denen aus eine überraschende Aussicht in’s Gebirge sich eröffnete, dessen Anblick für die Beschwerlichkeit des Weges reichlich entschädigte; denn so schön wie selten lag die Bergeskette vor mir ausgebreitet, vom Untersberge und den Salzburger Bergen an bis zum Wilden Kaiser, Wendelstein, Karwendel und der Zugspitze, welche sich in ihrem schroffen Abfall ansieht, als wäre sie der eben frei gewordene Thronsessel des Geistes der Berge. Bald hatte ich Giesing selbst erreicht, fragte aber vergeblich nach der Wohnung meines gesuchten Poeten. Die Bevölkerung, meist aus Landleuten und Taglöhnern bestehend, scheint nicht viel zu wissen, welchen rühmlichst bekannten Landsmann sie in ihrer Mitte hat. Nicht lange indessen und ich erblickte ein Haus, dessen Aeußeres mich nicht zweifeln ließ, an das gewünschte Ziel gelangt zu sein. Vor mir stand ein einfaches, einstöckiges Gebäude mit einem Frontgiebel, durch nichts ausgezeichnet, nur von allen Seiten mit Weinreben und Epheu so reichlich überzogen, daß kaum die Fenster daraus hervorzuschauen vermögen, und durch die Spalten der Gartenumzäunung winkten Buschwerk und Blumen, so daß wohl zu vermuthen war, dies könnte eine Poeten-Heimath sein.

Ich klingelte und wurde von einem dienstbaren Geiste empfangen, der mich ohne viele Umstände durch die saubere, aber prunklose Hausflur in den Giebelstock des Hauses geleitete, wo ich von dem Herrn desselben mit offenbarer und, wie mir schien, nicht eben angenehmer Ueberraschung begrüßt wurde. Der Zufall war mir günstig gewesen und hatte mich unmittelbar in das Arbeitszimmer Schmid’s geführt. Während des ersten Wechsels herkömmlicher Redensarten hatte ich vollauf Zeit, mir meinen Mann zu betrachten.

Schmid sieht einfach, beinahe schlicht aus, ist nicht groß und von untersetztem, man darf sagen, beleibtem Körperbau, und obwohl erst ein angehender Fünfziger, ist er doch bereits vollständig ergraut. Aber die weißen Haare sind auch Alles, was Schmid vom Alter an sich trägt; wie nahe am schneeigen Gipfel des Berges oft das herzerfrischendste Grün das Auge labt, so leuchtet auch aus dem noch jugendlich schönen Angesichte und Auge das reiche geistige Innenleben des Dichters, das die eisige Luft schwerer Sorgen nicht zu ersticken vermochte.

Wie ich früher vernommen hatte, erblickte Schmid im März 1815 zu Waizenkirchen in Oberösterreich das Licht der Welt, wo sein Vater, der nachmals als Oberappellationsgerichtsrath in München starb, die Stelle eines Landgerichts-Assessors in dem damals baierischen Innviertel einnahm. Seine Mutter Constanze war die Tochter des dortigen Rentbeamten Stöger und Hermann Schmid der erste Sprößling einer sehr glücklichen, aber kurzen Ehe, da die Mutter schon in ihrem einundzwanzigsten Lebensjahre einem plötzlich ausgebrochenen Brustleiden erlag. Nach einer guten Gymnasialvorbildung widmete sich Schmid in München dem Studium des Rechts, wurde Doctor juris und später nach mehrjähriger Praxis an verschiedenen Gerichten unter König Ludwig dem Ersten in Folge der Aufführung seines ersten Trauerspieles „Camoëns“ auf der Hofbühne zu München 1843 zum Actuar der Polizeidirection ernannt, eine ihm allerdings wenig zusagende Stelle, in die er aber hineingeschoben wurde, weil eben keine andere erledigt war und der König gleichwohl dem angehenden Poeten den Aufenthalt in München zur weiteren Ausbildung ermöglichen wollte. Nach und nach zum Stadtgerichts-Assessor

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 506. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_506.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2017)