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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

doch kehrte er stets nach dem Hause zurück, in welchem man ihm eine so gute Pflege hatte zu Theil werden lassen. Er zählte bald zum Hausbestande, hörte und antwortete durch ein kurzes Krächzen auf den Namen Peter und lebte in unbeschränkter Freiheit, kam und ging, wann und wohin es ihm beliebte. Machten wir einen Ritt in die Umgegend, so war er stets unser Begleiter; fuhren wir, so umkreiste er den Wagen, flog voraus, kam zurück und setzte sich abwechselnd auf den Bock zum Kutscher, dessen blanke Rockknöpfe untersuchend, oder er ließ sich auf den Rücken eines Pferdes nieder und beschäftigte sich mit den Silberbeschlägen des Geschirrs. Für blanke Gegenstände hatte er eine unüberwindliche Leidenschaft. Mit einem Geldstück konnte man ihn locken, wohin man ihn nur haben wollte. Für mich schien er eine besondere Anhänglichkeit bewahrt zu haben; er machte mir häufig Besuche, und waren die Fenster meines Zimmers geschlossen, so pochte er an die Scheiben, bis ich ihm öffnete. Dann war es oft lustig, zu beobachten, welche Manöver er ausführte, um hinter meinem Rücken irgend etwas Blankes zu erreichen. So lange ich dicht bei ihm war und ihn im Auge behielt, war er die Tugend selbst, und die beweglichen Blicke, mit denen er jede Wendung meines Gesichts verfolgte, waren oft in hohem Grade ergötzlich.

Als ich einmal in mein Zimmer trat, welches ich vor kaum einer Minute verlassen hatte, sah ich den schwarzen Gesellen von meinem Schreibtisch, der dicht am Fenster stand, schnell davonfliegen. Diese eilige Flucht war verdächtig. Ich hatte Geld, in kleinen und großen Silberstücken, auf den Tisch gelegt, ohne an das offene Fenster und den diebischen Peter zu denken; beim Nachzählen entdeckte ich denn auch, daß bereits über fünf Rubel von der Summe fehlten. Ich suchte im Zimmer umher, fand aber nichts, und doch war es unmöglich, daß er in so kurzer Zeit das Gestohlene nach einem entfernt liegenden Versteck gebracht haben konnte. Aber wo war das Versteck? Um dieses zu ermitteln, mußte ich ihn nothwendig noch mehr von dem Gelde stehlen lassen. Peter saß auf einem nahestehenden Baume und blinzelte nach meinem Zimmer. Ich ließ das Geld liegen und versteckte mich, Fenster und Tisch im Auge behaltend. Es dauerte nicht lange, so war er da, blieb eine Weile im Fenster und kam dann vorsichtigen Schrittes auf den Tisch, nahm eilig ein Geldstück, ging damit zum Fenster, legte es nieder und kehrte zurück. Nachdem er das zweimal wiederholt, sprang ich hinzu, untersuchte das Fenster und fand außerhalb auf einem Mauervorsprung das Gestohlene in einer langen Reihe sorgsam niedergelegt. Er hatte offenbar erst so viel als möglich aus dem Zimmer schaffen wollen, um dann ungestört den ganzen Schatz nach einem sicheren Versteck bringen zu können.

Von allen Bewohnern des Hauses begegnete ihm keiner so unfreundlich, wie die Gouvernante, eine Französin. Sie stand mit dem schwarzen Gesellen immer auf feindlichem Fuße und schlug nach ihm, sobald er es wagte, in ihre Nähe zu kommen. Die heftige Französin sollte aber bald erfahren, was es heißt, einen Raben zu beleidigen.

Wir wandelten eines Nachmittags am Ufer eines Waldsees umher, und der schwarze Bursche war wie gewöhnlich in unserer Nähe. Die Gesellschaft hatte sich in verschiedene Gruppen getheilt; die Französin stand unweit des Wassers mit einer Freundin in sehr eifrigem Gespräch. Schon seit einigen Minuten war mir das Benehmen Peter’s aufgefallen; er hatte sich mehrere Mal vorsichtig der Gouvernante genähert, und ich kannte seine Manieren zu genau, um nicht vorauszusehen, daß er hier eine Spitzbüberei auszuführen beabsichtige. Meine Neugierde war groß und ich ließ ihn gewähren. Die Gouvernante hatte keine Ahnung von seiner Nähe.

Plötzlich ging er nach dem Wasser und machte in einer seichten Stelle sein ganzes Gefieder naß, reckte darauf einige Mal seinen Kopf empor und lief dann pfeilschnell auf die Gouvernante zu, beugte sich behutsam, um den Saum ihres aufgeschürzten Kleides nicht zu berühren, sprang auf ihren Fuß, die zierliche Form desselben nicht beachtend, und schüttelte sein nasses Gefieder gehörig ab. Die Gouvernante fiel mit einem Schrei des Schreckens ihrer Freundin in die Arme, und mein Peter machte sich davon. Ob er auch mit dem Schnabel nach dem schönen Fuß gepickt, ist mir unbekannt geblieben.

Noch eines Stückchens will ich erwähnen, welches zwar nicht für die besondere Ueberlegungsgabe des Thieres zeugt, das aber seiner Komik wegen Manchem interessant sein dürfte.

Wir hatten uns Alle zum Thee versammelt, der an schönen Sommertagen immer auf der Terrasse eingenommen wurde. Zu dem mannigfachen Backwerk, das stets zum Thee gereicht wurde, gehörten auch kleine, zusammengelegte Butterbrödchen, etwa von der Größe und Dicke eines Thalers. Diese fehlten heute, und nur der leere Teller stand auf dem üblichen Platz. Die Baronin fragte, doch der Diener behauptete, den Teller hochbelegt auf den Tisch gesetzt zu haben. Es wurde Ersatz gebracht und die Sache hatte damit ihr Bewenden. – Der Baron, ein ruhiger, behäbiger Mann, saß an einem Ende der Terrasse auf einer Bank und las die neuesten politischen Nachrichten. Als er geendet, faltete er die Zeitungen zusammen und wollte damit in die Seitentaschen seines bequemen Hausrockes, fuhr jedoch schnell und erschrocken mit den Händen zurück und fand bei einer näheren Untersuchung beide Taschen mit den so geheimnißvoll verschwundenen Butterbrödchen gefüllt. Das allgemeine Erstaunen war im Augenblick eben so komisch wie gerechtfertigt, löste sich aber sofort in große Heiterkeit auf, als ich bemerkte, daß Niemand anders diese That vollbracht haben könne, als Peter. Und so war es denn auch. Ein Beamter des Hauses hatte von einem Fenster aus die ganze Durchführung dieses Schelmenstreichs mit angesehen. Die offenen Taschen in den Rockschößen, die, über die Rückseite der Bank gelegt, fast bis zur Erde gereicht hatten, waren gar zu verlockend für Peter gewesen.

K. A.




Nicht Künstler, sondern Municipalrath. Im Pariser Stadthause befindet sich ein Saal, der mit prachtvollen Fresken von der Hand Eugen Delacroix’ geschmückt ist. Delacroix war Mitglied des Municipalrathes von Paris. Als nun vor Kurzem mehrere zur Ausstellung nach Paris gekommene Fremde die schönen Säle des Hotel de Ville besichtigten, frug eine der bei der Gesellschaft befindlichen Damen im Friedenssaal den Huissier, welcher den Cicerone spielte, wie der Künstler heiße, der die Frescomalereien ausgeführt habe.

„Madame, das ist kein Künstler, sondern ein Municipalrath!“ entgegnete mit strenger Miene der Huissier.




Erklärung. In Nr. 26 Ihrer Zeitschrift bringen Sie Auszug einer Analyse meiner Stollwerck’schen Brust-Bonbons des Dr. Wittstein in München, welche aller Wahrheit und allem Rechte buchstäblich widerstrebt. Jene Behauptungen habe ich auf das Thatsächlichste in allen Theilen widerlegt und mich zur Zahlung von „eintausend Thaler Pr. Crt.“ an die Armen Münchens bereit erklärt, wenn der Verfasser seine Aussagen aufrecht erhalten könne. Bei der anerkannten ehrenwerthen Haltung Ihres Blattes halte es für Ihre Pflicht, die Hand zur völligen Aufklärung Ihrer Leser in dieser Angelegenheit zu bieten, weshalb ich kein Fehlgesuch zu thun glaube, indem ich die Aufnahme dieser Zeilen erbitte.

Franz Stollwerck.




Kleiner Briefkasten.


C. H. in New-York. Man hat hie und da aus Gefälligkeit gegen die Augen neue orthographische Ausnahmen gestattet; die Regel selbst bleibt deshalb nach wie vor richtig. Sie können also so gut bei „Seeen“ bleiben, wie Andere bei „Knieen“, und bei „Schifffahrt“, wie Andere bei „Stillleben“, „Sperrrad“, „Brennnessel“.

K. L. in L. Von dem Arnoldi’schen Obstcabinet wird vom 1. October d. J. ab eine Lieferungsausgabe à 21/3 Thlr. (die Lieferung sechs Früchte mit Beschreibung enthaltend) ausgegeben werden. Den Debit dieser werthvollen Sammlung (siehe Gartenlaube, Nr. 18, Immerfrisches Obst) besorgen die Buchhandlungen von Thienemann in Gotha, Hoffmann in Weimar und Eupel in Sondershausen.

F. in Stolpmünde. Gold-Else von E. Marlitt ist, wie bereits früher erwähnt, durch jede Buchhandlung zu dem Preise von 1 Thlr. 21 Ngr. zu beziehen.




Lugau!

Trotzdem wir seitens der Redaction keine Aufforderung zu directen Einsendungen von Gaben für die Hinterbliebenen der armen Opfer des Lugauer „Unglücksschachtes“ ausgesprochen haben, beehren dennoch unsere Leser von allen Seiten uns mit dem Vertrauen, die Ueberbringer ihrer Spenden an das Hülfscomité in Lugau zu sein. Wir übernehmen sehr gern dieses Ehrenamt, halten uns dafür aber auch verpflichtet, von dem genannten Hülfscomité uns gefällige und öffentlichen Gerüchten gegenüber beruhigende Auskunft über die bisher befolgte und für die Zukunft beplante Verwendungsweise der Unterstützungssummen zu erbitten und diese unserem großen Leserkreise mitzutheilen. Einstweilen geben wir den Aeußerungen der Geber, welche mit den Gaben zu uns gelangt sind, in nachstehender Quittung Raum, können aber die Bemerkung nicht unterlassen, daß, wenn es wahr ist, daß bis jetzt die Summe von sechszig Tausend Thalern eingegangen ist, von den Zinsen dieses Capitals wohl jede der vierundvierzig Wittwen wöchentlich 1 Thlr. 10 Sgr. erhalten kann, – was bleibt aber für die hundert Waisen?

Für die Hinterlassenen der verschütteten Lugauer gingen ein: Von Mitgliedern der Grundschützen und Privatleuten in Guben 6 Thlr.; Verein für Gartenbau in Coburg 1 Thlr.; von den Arbeitern der Baumwollweberei in Zöschlingsweiler in Baiern 32 Thlr. Ein Bravo diesen wackeren Cameraden! G. C. u. Comp. in Frankfurt a. M. 20 Thlr.; von den Mitgliedern der Gesellschaft Bürgerverein in Lützen 23 Thlr.; D. D. in Melle 3 Thlr.; A. G. aus Bernburg 1 Thlr.; N. N. in Lissa 2 Thlr.; Sammlung beim Schützenschießen in Culmbach, übersandt durch Buchhändler Blumröder 18 Thlr. 7 Ngr. 5 Pfg.; von einem Kinde, welches in Folge eines Sturzes lebensgefährlich darniederlag und jetzt seiner Genesung entgegengeht (durch Kirchenrath Müller in Meiningen) 1 Thlr.; Ertrag einer Stadtcollecte in Ohrdruff, übersandt durch Dr. Krügelstein 68 Thlr.; aus der Deyl’schen Abendgesellschaft in Braunschweig 10 Thlr. Es heißt in dem Briefe: „Es ist übrigens nicht allein Ansicht der genannten Abendgesellschaft, welcher auch ehemalige Gruben-Directoren aus Westphalen angehören, sondern des gesammten hiesigen Publicums, daß die eingehenden Gelder zur sofortigen ersten Hülfe an die betreffenden Personen in gehöriger Weise vertheilt werden müßten, die Lugauer Bergwerksgesellschaft dagegen vom Staate gezwungen werden müsse, die Kosten für die fernere Ernährung der Familien der Verschütteten zu tragen. In Preußen, wo die Bergwerksarbeiten von Staatsbeamten überwacht werden, ist ein solches Unglück schwerer möglich.“ Erste, vierte, fünfte, sechste und siebente Classe der Töchterschule in Köthen und Lehrer Fitze 15 Thlr. 5 Ngr.; Sammlung der Bäcker-Innung in Dresden, durch den Oberältesten Jentzsch 25 Thlr. 2 Ngr. 5 Pfg.; ein Mädchen am Rhein 1 Thlr.; C. Erdmann in Châtelet (Belgien) 10 fl.; bei der Einweihung des Eiskellers der Schreyer’schen Bierbrauerei in Bernburg 11 Thlr.; Sammlung in einem geselligen Kreise in Buckau, übersandt durch Bürgermeister Thieme mit dem Motto: „Gedenke auch im Kreise der Geselligkeit der Unglücklichen“ 40 Thlr.; Sammlung des Credit-Cassen-Vereins in Forst 51 Thlr. 22 Ngr. 5 Pfg.; vom Musikcorps des königl. preußischen Feld-Artillerie-Regiments Nr. 11 und der Civil-Capelle zu Cassel, Ertrag eines Concerts im Schaub’schen Garten 170 Thlr.; von der Redaction des Casseler Tageblattes 8 Thlr.

Summa 511 Thlr. 29 Sgr.
Die Redaction der Gartenlaube.




Inhalt: Das Geheimniß der alten Mamsell. Von E. Marlitt. (Fortsetzung.) – Eine schlesische Möveninsel. Mit Abbildung. – Die National-Tabakspfeife. I. Mit Abbildungen. – Erinnerungen aus dem letzten deutschen Kriege. Nr. 8. Marizko die Slovakin. – Diesseits und Jenseits der Alpen. Illustrirte Erinnerungen von L. Löffler. II. Mit Abbildungen. – Blätter und Blüthen: Ein seltenes Zwillings-Paar. – Gute Landkarten. – Peter, mein Rabe. – Nicht Künstler, sondern Municipalrath. – Erklärung. – Kleiner Briefkasten. – Lugau.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 528. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_528.jpg&oldid=- (Version vom 31.1.2017)