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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

die Decke geflogen. Es war das eben Täuschung, begünstigt durch die Dunkelheit.

Das Publicum verließ völlig befriedigt den Saal. Dies hatte seinen Grund nicht blos in der höchst glücklichen Nachahmung der Davenport’schen Experimente, sondern es lag auch darin, daß Hartmann ohne allen Eigennutz die Vorstellungen gegeben hatte, daß es ihm nicht einmal darauf angekommen war, sein Licht leuchten zu lassen, sondern nur darauf, den armen Abgebrannten in Johann-Georgenstadt einige Hülfe leisten zu können. Er hat seinen Zweck erreicht: ein hübsches Sümmchen, worüber in öffentlichen Blättern Dresdens von ihm und seinen Freunden, die ihn bei der Vorstellung unterstützt hatten, Rechnung abgelegt worden ist, hat nach Johann-Georgenstadt gesendet werden können. H. hat seine Entdeckung nicht geheim gehalten, er hat sie nicht ausgebeutet in seinem Interesse, obgleich ihm die Versuchung dazu nahe genug gelegt worden ist. Ehre daher diesem denkenden, schlichten Manne, der es nicht über sich gewinnen konnte, amerikanischen Humbug zum Erwerbszweig zu machen.

E. Besser.




Aus der Sprechstunde eines Ohrenarztes.


Auf die geringen Erfolge, welche die Behandlung Ohrenkranker lange Zeit hindurch aufzuweisen hatte, und auf die große Ausdehnung, welche die Ohrenärzte dem Gebiete der sogenannten nervösen, mit anderen Worten unheilbaren Schwerhörigkeit gaben, gründet sich noch heute ein ziemlich allgemeines Mißtrauen gegen die Ohrenheilkunde unter Laien und selbst unter Aerzten, die der Entwickelung dieses Zweiges der Heilkunst nicht folgen konnten.

Indeß der Fortschritt, welchen die ärztliche Wissenschaft im Allgemeinen dadurch machte, daß sie von der rein philosophischen Speculation befreit und als Theil der Naturwissenschaft behandelt wurde, ist nicht ohne Rückwirkung auf die Ohrenheilkunde geblieben.

Seitdem man die normalen Verhältnisse des Baues und der Verrichtung des Gehörorgans und die krankhaften Veränderungen desselben genauer erforschte und würdigte, seitdem man mit besseren Untersuchungsmitteln auch bessere Untersuchungsmethoden gefunden, wurde man mehr und mehr in den Stand gesetzt, die Gehörsstörungen auf bestimmte, durch zahlreiche Sectionen nachgewiesene Veränderungen der das Ohr bildenden Gewebe zurückzuführen, und in dem Maße, in welchem sich dadurch das Gebiet der nervösen Schwerhörigkeit enger begrenzte, fand man auch Mittel, die erkannten Veränderungen in das Bereich einer wirksamen Behandlung zu ziehen.

Wir können nicht umhin, beim Hinweis auf die bedeutende Fortbildung der Ohrenheilkunde der Männer zu gedenken, welche den neuen Weg gebahnt, und müssen wir so auch als die ersten, welche denselben betraten, Toynbee in London und Wilde in Dublin nennen, so ist es doch ein deutscher Forscher, der durch Gründlichkeit und Originalität seiner Forschungen und Untersuchungsmethoden der Ohrenheilkunde ihre jetzige wissenschaftliche Bedeutung gab – es ist von Tröltsch in Würzburg, dessen Arbeiten sich dann die Politzer’s, Schwarze’s, Voltolini’s und Anderer würdig anreihten.

Ein richtiges Urtheil über die jetzigen Leistungen der Ohrenheilkunde zu gewinnen, wird gewiß auch dem Laien, der Sinn für Fortbildung der Wissenschaft hat, nicht unwichtig, nicht uninteressant erscheinen, und so mögen mich die Leser der Gartenlaube zu einem der beschäftigtsten Ohrenärzte, zu dem in der Forschung durch Exactheit und Ehrlichkeit sich auszeichnenden, in der Praxis durch Umsicht und Vorsicht die schönsten Erfolge erzielenden Dr. Adam Politzer in Wien begleiten.

Schon früh beginnt die Thätigkeit des als Arzt und Forscher gleich rührigen Mannes, und treten wir gegen acht Uhr Morgens in die mit feinem solidem Geschmack und Kunstsinn geschmückten Vorzimmer, so finden wir meist schon ein zahlreiches Publicum aus allen Ländern und Ständen, ein Publicum ganz eigener Art, denn die Ohrenkranken sind zum großen Theil scheu und zurückhaltend, sind mehr als andere Kranke bemüht, ihr Leiden Anderen sorgfältig zu verbergen, und doch charakterisirt Viele der eigenthümliche Gesichtsausdruck, der namentlich nach längerem Bestand von Schwerhörigkeit sich ausprägt.

Mit dem ersteintretenden Patienten folgen wir dem Arzt auf die eigentliche Stätte seiner Thätigkeit. Wohlthuend empfinden wir es sofort, daß hier weder Instrumente, noch Präparate zum Schaugepränge dienen; was von den ersteren für den praktischen Ohrenarzt zum täglichen Gebrauch nothwendig, das finden wir auf dem Schreibtische nahe dem Fenster aufgestellt, an welchem die Patienten untersucht werden, und es fällt uns da zunächst ein großer Hohlspiegel auf, der bei nicht genügendem Tageslicht zur Beleuchtung des äußeren Gehörganges und Trommelfelles mit künstlichem Lichte dient. Neben diesem Spiegel steht ein kugelförmiger Apparat mit Stempel und Ausströmungshahn, an dem ein Gummirohr befestigt ist, zur Verdichtung der Luft, ein wichtiges Instrument für Behandlung chronischer Katarrhe und ihrer Folgen in der sogenannten Eustachischen Trompete und der Paukenhöhle. Dann sehen wir ein Schlaguhrwerk und eine größere Zahl von Stimmgabeln zur Bestimmung der Schallwahrnehmung durch Luft und Kopfknochen. Zum Theil in großer Zahl liegen daneben Ohrtrichter, welche die Beleuchtung des Trommelfells ermöglichen, Tröltsch’sche Reflexspiegel zum Einwerfen von Licht in den äußeren Gehörgang und auf das Trommelfell; Katheter, welche den Weg durch die Nase zur Eustachischen Trompete bahnen und die Eintreibung von Luft, Flüssigkeiten oder Dämpfen in die Trompete oder durch diese in die Trommelhöhle möglich machen; Gummiblasen mit katheterförmigen Ansatzstücken ebenfalls zum Eintreiben von Luft in’s mittlere Ohr ohne Katheter, welches Verfahren wir Politzer verdanken, Spritzen, Pincetten, Häkchen und andere Instrumente zur Entfernung von Polypen oder fremden Körpern aus dem äußeren Ohre.

Der Kranke tritt heran, ein noch junger Mann von einundzwanzig Jahren aus dem russischen Polen; er sieht blaß aus, obgleich er außer Ohrenfluß und Schwerhörigkeit auf beiden Ohren, in den ersten Kinderjahren nach Scharlach aufgetreten, kein körperliches Leiden hat; er athmet durch den geöffneten Mund und hält, wenn man zu ihm spricht, die Hand so an das Ohr, daß er die Ohrmuschel dem Sprechenden entgegendrückt und gewissermaßen durch die Hand vergrößert, um mehr Schallwellen aufzufangen und dem Ohre zuzuleiten. Beide Gehörgänge zeigen sich, beleuchtet mit dem erwähnten Spiegel, mit Eiter gefüllt, nach dessen Entfernung aus beiden Seiten eine umfangreiche Zerstörung des Trommelfells von Dr. Politzer constatirt wurde. Bei Prüfung der Hörweite ergab sich, daß Patient die Uhr rechts nur beim Anlegen an’s Ohr, links auf zwei Fuß Entfernung, die Sprache rechts zwei Fuß, links acht Fuß weit wahrnahm. Die Schallwahrnehmung von den Kopfknochen aus war beiderseits für Uhr und Stimmgabel vorhanden. Zur Prüfung der Durchgängigkeit der Eustachischen Trompete und um die Trommelhöhle möglichst von Eiter zu befreien und so das durch denselben gegebene Schallleitungshinderniß zu beseitigen, wurde nach Politzer’s Verfahren ohne Katheter Luft durch die Trompete in die Trommelhöhle eingetrieben und sofort eine merkliche, wenn auch nicht sehr bedeutende Gehörsverbesserung erzielt.

Da ich in diesem Falle, wie auch in jedem folgenden, die Weiterbehandlung verfolgen konnte, theile ich die Resultate derselben mit, weil ja natürlich der Erfolg eines einmaligen Eingriffs meist nur ein vorübergehender sein kann, die eigentliche Wirksamkeit der jetzigen ohrenärztlichen Behandlung aber nur durch die Totalität derselben veranschaulicht wird. – Zur Beschränkung der Eiterung wurden dem Patienten geeignete Mittel verordnet, die in Verbindung mit Politzer’s Verfahren bald eine wesentliche Besserung und gleichzeitig eine Zunahme der Hörweite erzielen ließen. Da aber bei der ausgedehnten Zerstörung des Trommelfells, bei der langen Dauer der Krankheit und bei der Entstehung des Ohrenleidens aus Scharlach eine völlige Heilung mit Vernarbung nicht zu erzielen war, dem Patienten indeß die erreichte Besserung für Ausübung seines Geschäftes nicht völlig genügte, so wurde in jedes Ohr ein künstliches Trommelfell eingebracht, wie solche Toynbee zuerst angab und weiter verbreitete. Der Erfolg war für den Patienten und den begleitenden Vater ein überraschender; konnte doch jetzt

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 682. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_682.jpg&oldid=- (Version vom 5.3.2017)