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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

der Hand waren, ihm die Sache aufzuklären, ihm die Quelle, aus welcher das Billet kam, zu enthüllen, ihm den Maskenanzug, den die Comtesse tragen wird, zu verrathen – glauben Sie nicht, daß ihn das stutzig machen wird?“

„Er wird es für deutsche Gutmüthigkeit, für kindische Ehrlichkeit halten.“

Elise schüttelte den Kopf und Steitz blickte ebenfalls, als ob sein erster Schrecken noch nicht beruhigt sei. Mensing sagte deshalb nach einer Pause: „Sollen wir eine andere Nacht wählen?“

„Brethauer und Mann haben mir ihre Hülfe gerade für diese zugesagt,“ antwortete Steitz.

„Und für dieselbe Nacht hält sich meine Mutter in Bereitschaft, uns zu empfangen,“ fiel Mensing ein, „ich bin gegen ein Aufschieben, das uns unheilvoll werden könnte.“

„Wenn Sie,“ sagte Elise, „vielleicht so viel über Comtesse Julie vermöchten, daß sie dem Obersten auf irgend eine Weise bestätigte, was Sie ihm mitgetheilt …“

Mensing machte eine abwehrende Bewegung mit der Hand.

„Nein, nein,“ rief er aus, „ich kann Comtesse Julie nichts darüber sagen, ohne sie in das Geheimniß zu ziehen, und das ist viel zu gefährlich! Ich habe einen besseren Plan, uns zu retten, falls dieser abscheuliche Spaß der Comtesse uns dennoch den Obersten auf den Hals zöge! Sie, Elise, Sie sind es, die dabei helfen muß.“

„Ich? Was soll ich thun?“

„Ihre kunstfertigen Hände rühren … Sie sollen sich das Costum einer Griechin machen – können Sie das bis morgen Abend?“

„Gewiß! Ich brauche nur diese Nacht ein wenig zu Hülfe zu nehmen …“

„Wohl denn, so eile ich in die Stadt, Ihnen zu holen, was Sie dazu bedürfen. Sagen Sie mir es.“

„Aber erklären Sie, wozu?“

„Sie sollen uns in diesem Costume begleiten, in diesem Costume eine Rolle spielen, wenn es nöthig ist … Der Oberst La Croix mag uns dann begegnen, uns erwischen, ich stehe Ihnen dafür, daß er uns ungehindert durchläßt – ich sage Ihnen später Alles, geben Sie mir nur rasch an, was Sie bedürfen – erstens eine Gesichtsmaske, dann Goldtressen – wie viel Ellen?“

Elise gab die Gegenstände und das Maß derselben an, deren sie bedurfte, um sich einen Anzug ungefähr so, wie ihn Comtesse Julie bestellt hatte, wenn auch einfacher und weniger kostbar, zu verfertigen.

Mensing hatte Alles rasch in sein Taschenbuch eingezeichnet und eilte dann fort, der Stadt zu, während Elise ging, ihrem eigenen Kleidervorrath diejenigen Sachen zu entnehmen, die sie für ihre Arbeit verwenden konnte. –




3.

Die Nacht vom 21. auf den 22. November des Jahres 1808, die für unsere Freunde so verhängnißvolle Nacht, war gekommen.

Das Schloß „Napoleonshöhe“ strahlte in vollem Lichtglanze; den Weg zur Stadt hinab erhellten zahllose Flammen und zwischen den Lichterzeilen herauf waren die Equipagen gerollt, welche König Jerôme’s Gäste zu König Jerôme’s Carnevalfeste gebracht hatten.

Alles Leben, alle Bewegung aber hatte sich längst aus dem Dunkel der regnerischen und stürmischen Nacht draußen in’s Innere des Schlosses zurückgezogen. Dort war Licht und Wärme und Glanz, die Herrlichkeit eines Zauberfestes in einem Feenschloß – draußen war nichts als Kälte und Nässe, Laternen, die trübe im Winde flackerten, und dann und wann ein Hall der rauschenden Musik, die mit ihren Tonwellen die Säle erfüllte und zuweilen wie ein Strom, der sein Bett überfluthet, in gedämpften Klängen hinausschwoll in die stille brütende Nacht.

Die Glocke der Schloßuhr gab elf Schläge, die weithin durch den schweigend daliegenden Park nachhallten.

In diesem Augenblicke wurden in einem hinter dem Marstall liegenden Remisengebäude zwei Flügel eines Thores aufgeschoben; gleich darauf kam ein mit zwei Pferden bespannter Fourgon langsam daraus hervorgefahren. Er nahm die Richtung nach der Wohnung des Inspectors Steitz.

Vor derselben hielt er. Der Mann, der ihn führte, sprang vom Bock ab, ging die an der Hinterseite des Fourgons angebrachte Thüre aufzuschließen, und zu gleicher Zeit traten zwei Gestalten aus der Wohnung des Inspectors hervor, die mit Gegenständen beladen waren … der Führer des Fourgons nahm sie ihnen ab und warf sie leicht in seinen Wagen – es waren Bettkissen und Decken.

Während er die Thür wieder schloß, kletterte die eine der Gestalten, eine weibliche, rasch und behende auf den vorn am Fourgon angebrachten verdeckten Sitz … die andere, ein Mann, holte aus dem Hausgange eine Blendlaterne hervor, reichte sie dem Führer und flüsterte:

„Jetzt um das Bowlinggreen herum, Wilhelm, Du weißt …“

Damit verschwand er in der Dunkelheit. Wilhelm aber barg die Laterne neben Elisens Sitz, schwang sich auf den Bock und fuhr langsam, fast unhörbar über den weichen Kies der Pfade davon, in einem weiten Umkreise, der ihn Anfangs vom Schloss entfernte, dann auf der anderen Seite wieder näher brachte. So kam er an die Außenseite des linken Flügels des Schlosses.

Hier war Alles still und dunkel. Nur einige der Fenster oben waren erleuchtet und warfen ihren Schimmer auf den nächsten Rasengrund.

Im Dunkel lag die große Freitreppe da.

Zur Seite der Freitreppe, dicht an der Mauer des Schloßflügels aber nahm Wilhelm, noch ehe er anhielt, vier sich rasch bewegende Gestalten wahr; sie standen inmitten kleiner Haufen von Mauerschutt, sie bückten sich und in dem Augenblick, wo Wilhelm hielt und eilte, seinen Fourgon wieder aufzuschließen, trugen zwei von ihnen eine dem Anscheine nach sehr schwere kleine Kiste herbei; zwei Andere – es waren Mensing und Steitz, der von seiner Wohnung quer über das Bowlinggreen dem Fourgon vorausgeeilt war – brachten eine zweite. Wilhelm half die kostbare Last im Innern des Wagens bergen; bald waren vier größere schwere und drei kleinere Kisten in den Fourgon geschoben, die Kissen und Decken darüber gepackt und die Thüre wieder zugeschlagen. Wilhelm zog dann den Schlüssel ab, den er sorgfältig zu sich steckte, und eilte zum Bock.

„Nun vorwärts und geleite Euch Gott!“ flüsterte Steitz tief bewegt.

„Er wird uns geleiten – Adieu, Steitz – zum Abschiednehmen ist nicht Zeit,“ flüsterte Mensing zurück und schwang sich in den vorn angebrachten Sitz neben Elise. „Fort, Wilhelm!“

Die Pferde zogen an, der Wagen rollte fort.


(Fortsetzung folgt.)




Zum letzten Mal.

Es giebt unverwüstliche Geschichtsbilder, welche ewig frisch und ergreifend zu unserem Herzen sprechen, wie oft sie uns auch vorgeführt werden. Ein solches Geschichtsbild ist das des letzten Hohenstaufen, des blonden Jünglings Konradin von Schwaben. Die hingeschlachtete Jugend und der blutige Untergang des glorreichsten deutschen Kaiserhauses vereinigen sich zu seiner Verherrlichung.

Da die Gartenlaube Konradin’s Kampf und Ende in geschichtlicher Ausführlichkeit (1859, Nr. 51) bei der bildlichen Mittheilung des Denkmals dargestellt hat, welches im Jahr 1847 vom damaligen Kronprinzen Max von Baiern dem unglücklichen Konradin vor der Carmeliterkirche in Neapel gesetzt worden ist, so führen wir unseren Lesern hier dessen weniger bekannte Kindheit und Jugend bis zu seinem Scheiden von Mutter und Heimath vor und benutzen dazu als Quelle Wilhelm Zimmermann’s „Hohenstaufen“ (Stuttgart, bei Rieger), ein treffliches Werk, das wir allen Freunden vaterländischer Geschichte auf das Wärmste empfehlen können.

Konradin steht wie ein einsamer, zum ersten Mal blühender junger Baum unter den ungeheuren Ruinen seines Hauses. Am 25. März 1252, ferne von seinem Vater, dem letzten deutschen Hohenstaufen-König, Konrad dem Vierten, geboren, nach zwei Jahren verwaist, hatte er seine Kindheit bei seiner Mutter zu Donauwörth

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_036.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)