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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

Meinen Sie nicht auch, Herr, daß der Almanach da auf seinem einzigen Blatte Vielerlei lehrt, auf das wir ,achtundzwanzig Pioniere’ wohl einigermaßen stolz sein dürfen?“

Mein Alter hatte Recht. Wenn Irgendjemand, so haben die Weber von Rochdale alle Ursache sich ihrer Leistungen zu rühmen. Mit dem Gefühle inniger Hochachtung schied ich von dem schlichten und doch so einsichtsvollen Manne, aber auch mit dem stillen Bedauern, daß den achtundzwanzig Pionieren bis jetzt noch keine ebenbürtigen Genossen in Deutschland erstanden sind. Wie Bedeutendes auch bei uns schon erreicht ist, das Werk der Weber von Rochdale hat seines Gleichen noch nicht gefunden; dagegen hat in den Schulze’schen Associationen und Vorschußbanken Deutschland sogar Bedeutenderes als England zu leisten verstanden.





Frei vom Türkenjoch!

Ein Zukunftsstaat an der unteren Donau.

Die fünfhundertjährige türkische Herrschaft im Südosten Europas bezeichnet einen fünfhundertjährigen Stillstand auf dem Gebiete der Cultur. Alle die großartigen Processe, Erfindungen


Der Vogt Ilija Antonievitsch als Richter.


und Fortschritte, welche unserem Erdtheile seine heutige Physiognomie aufgedrückt haben, sind an diesen vom Abendlande durch Grenz- und Pestcordon hermetisch abgeschlossenen Ländern spurlos vorübergegangen. Mit der Aufpflanzung des türkischen Blutbanners versanken die einst blühenden Länder in eine Art Zauberschlaf und erst seit wenigen Jahrzehnten ist für das junge Serbien der Morgen des Erwachens angebrochen.

Wer Serbiens höchsten Berg, den bis zu sechstausend Fuß anragenden Kopaonik besteigt, von dem man nach Aussage der dort weidenden Hirten „die ganze Welt erblickt“, und dann sein Auge über die Landesgrenze hinaus nach Süden schweifen läßt, der sieht von den Fluthen der Sitnitza durchrauscht eine Hochebene vor sich auftauchen, welche die Erinnerung an große, verhängnißvoll gewordene Momente erregt, die für Jahrhunderte den europäischen Südosten dem traurigen Loose der türkischen Barbarei überantworteten. Welcher Geschichtskundige könnte bei dem Anblick der Ebene von Kossowo gleichgültig bleiben, des „Amselfeldes“, auf dem die christlichen Ungarn, Polen, Bosnier und Serben die blutigen Schlachtwürfel über ihre Zukunft zwei Mal (1389 und 1448) entscheiden ließen, auf dem Sultan Amurad und der letzte, heiliggesprochene Serbenfürst Lazar am einem Tage ihre Seelen aushauchten? Dann kam der Schlaf. –

Aber unser Jahrhundert, das so viele Barbarei niedergeworfen, es sah auch den Fall der Türkenherrschaft in Serbien. In den tiefen Waldschluchten, wo aus dichtem Grün die Kuppeln der byzantinischen Klöster und Kirchen hervorragen, in den niedrigen Hütten des Landmannes, der hier nach alter Vätersitte in großen Familien zusammenwohnt, die Haus und Hof, Vieh und Feld alle gemeinsam besitzen und vom Aeltesten regiert werden, da gährt es und kocht es. An der Spitze seines Volkes steht Kara Gjorje, der schwarze Georg, um die Türken zu verjagen, und neu entbrennt jener serbische Freiheitskrieg, den unser großer Historiker Ranke so meisterhaft geschildert hat. Seltene Vaterlandsliebe und bewundernswerthe Selbstverleugnung bildeten die einzigen Hilfsquellen des Volkes. Nicht, wie später den Griechen, kam eine von der ganzen gebildeten Welt gekannte herrliche Vergangenheit den Serben zu statten. Die geringe Habe jedes Einzelnen bildete das Arsenal, die Cassen, aus welchen der serbische Freiheitskrieg seine Kräfte sog. Selbst Belgrad fiel vor den muthigen Stürmern, aber der Friede von Bukarest (1812), den die Türken auf ihre Weise auslegten, brachte letztere wieder in den Besitz der Festungen.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 365. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_365.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)