Seite:Die Gartenlaube (1868) 502.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

Bord die Wiederaufrichtung desselben unmöglich machen können; diese Sicherheit wird noch dadurch erhöht, daß sämmtliche Insassen des Bootes, Gerettete wie Ruderer, an ihre Sitzplätze durch Riemen festgeschnallt werden. Die Geretteten bilden durch ihr Gewicht den besten Ballast des Bootes, und je größer ihre Zahl, desto stärker wird die Aufrichtungsfähigkeit des Bootes. Im Nothfall können in der Mittelcajüte, statt vierundzwanzig, sogar zweiunddreißig Menschen Platz finden. „Dann geht es freilich sehr eng zu,“ bemerkte hier Prinz-Admiral Adalbert, aber Capitain Petersen versicherte dagegen, „daß Schiffbrüchige auch keine Ansprüche auf Bequemlichkeiten eines Hotels machten.“

Die Lufträume sind zwischen den beiden End- und der Mittelcajüte, bei F und G, angebracht; der Hinterboden-Luftraum (F) enthält achtzig, der Vorderboden-Luftraum (G) neunzig Kubikfuß. Der Platz der Rettungsmannschaft ist das Hinterdeck – J – und das Vorderdeck – K –; die Ruderbänke (Duchten), auf welchen, wie bereits bemerkt ist, die Matrosen ebenfalls festgeschnallt sind, bezeichnen die Buchstaben a, und bei f sind die Ruder- (in der Semannssprache Riemen-) Dollen zum Einlegen der Ruder während der Handhabung derselben.

Zwischen beiden Decks J und K und den beiden Cajütenwänden B und B (vergl. auch Fig. 2) befindet sich ein wesentlicher Theil der neuen Construction des Rettungsboots: eine bewegliche Hebekraft, – A, in Fig. 1 und 2 – welche in einem eiförmigen Ballon aus Korkholz besteht und im Centrum des Bootes der Länge nach auf Charnieren liegt, die an den beiden Seitenwänden der Mittelcajüte befestigt sind. Bei einem Umschlagen des Bootes zieht sich dieser Ballon nach der entgegengesetzten Seite und bewirkt, mit Hülfe dieser Seitenwände, ein schnelleres und sichereres Wiederaufrichten desselben, als dies den Endluftkästen, den Schwerkielen und dem Wasserballast anderer Rettungsboote möglich ist.

Auch für die Selbstentleerung des Bootes von dem auf das Deck hereingeschlagenen Wasser ist zweckmäßiger gesorgt, als bei den anderen Booten; letztere haben die Wasserentleerungsöffnungen im Centrum und sind daher genöthigt, sämmtliches eingeschlagene Wasser so lange zu tragen, bis sie in die normale Lage zurückgebracht und es auszupumpen im Stande sind, und schaffen sich dadurch ein Hinderniß des Wiederaufrichtens mehr. Petersen wies diesen Oeffnungen ihren Platz an den Seiten – vergleiche die Buchstaben e in beiden Figuren – an und bewirkt damit, daß das Wasser gleich nach dem Einschlagen auf der Leeseite, das heißt der dem Windstrich abgewendeten Seite des Bootes wieder abläuft; die dem Windstrich zugekehrte nennt der Seemann bekanntlich die Luvseite.

Da möglichst fester Zusammenhalt aller Theile ein Haupterforderniß dieser Boote ist, so müssen wir noch auf zwei dazu beitragende Vorrichtungen hinweisen. Figur 1 zeigt uns eine durch die Vordercajüte D laufende Stange – g –, welche das Oberende des Vorderstevens N mit dem äußersten Vorderende des Kiels und Loskiels, L und M, verbindet. Diese „Klammerstange“ verleiht dem Vorderende des Bootes eine bedeutende Stärke und gestattet am Oberende des Vorderstevens eine sogenannte „Kreuzklampe“ (Fig. 1 und 2 h) anzubringen, welche dazu dient, vom Wrack aus Trossen (Taue von wenigstens achtzehn Garnen) und anderes Tauwerk zu befestigen, um eine Verbindung mit demselben herzustellen, ohne daß das Boot dadurch gefährdet wird. – Die andere Vorrichtung führt uns an das entgegengesetzte Ende des Bootes: zum Steuer H. Petersen’s neuer Einhakungsapparat befähigt das Steuerruder, sich bei jedem Aufstoßen auf dem Grund in die Höhe zu heben; sobald das Boot wieder flott wird, fällt es von selbst in seine gehörige Lage zurück; bei einem Umschlagen hebt es sich bis zwanzig Zoll, nimmt aber beim Aufrichten gleich wieder seine alte Lage ein, ohne auszuhaken. Das Einhaken desselben ist bei dunkler Nacht wie bei schwerem Seegange sehr leicht auszuführen.

Endlich ist es noch ein Vorzug von Petersen’s Boot, daß es kaum die Hälfte der Last der bis jetzt bekannten Boote hat: es wiegt etwa zweitausendfünfhundert Pfund und eignet sich deshalb ganz besonders zum Transport an den Küsten.

Wenn wir bedenken, daß ein solches Boot nicht allein zur Rettung Schiffbrüchiger zu verwenden ist, sondern daß es sich auch für den gefahrvollen Beruf der Lootsen längst als unentbehrlich herausgestellt hat, so muß man die möglichste Vervollkommnung, aber dann auch die möglichste Verbreitung desselben auf das Dringendste wünschen. Noch am dritten Februar dieses Jahres haben bei der Boesch (Lootsenstation) an der Elbe sieben Lootsen, zwei Hannoveraner und fünf Holsteiner, sämmtlich Familienväter, durch Kentern ihres Bootes das Leben verloren. Die Wohlthätigkeit hat freilich in Hamburg und Altona für die Wittwen und Waisen eine beträchtliche Summe aufgebracht, aber die Todten bleiben todt. Für dieselbe Summe hätten zehn Petersen’s-Boote gebaut werden können, deren eines genügt hätte, die braven Männer den Ihrigen zu erhalten.

Der Capitain Karl Wolfgang Petersen aus Hadersleben ist seit seinem dreizehnten Jahre praktischer Seemann, hat viele Meere befahren und Vieles von Dem gesehen und geprüft, was anderwärts für das Rettungswesen Schiffbrüchiger geschieht. Sein Boot ist das Werk jahrelangen Nachdenkens und vielfacher Versuche. Möge ihm, wenn sein Werk gelungen ist, dafür Anerkennung und Lohn werden, wie er Beides verdient hat!




Die Mutter unserer heutigen Scheidekunst.
Vortrag von Prof. Dr. O. L. Erdmann in Leipzig.
(Schluß.)


Der Stein der Weisen und die Leipziger Juristenfacultät. – Flamel’s Recept zum Stein der Weisen. – Die Lebenspanacee. – Fürstliche Alchemisten. – Die Rosenkreuzer und die alchemistische Gesellschaft zu Nürnberg. – Leibnitz, ein Mitglied derselben. – Die fürstlichen Hof- und Leibalchemisten. – Böttger in Dresden. – Semler und das Luftsalz. – Die hermetische Gesellschaft und der Verfasser der Jobsiade.

Ein österreichischer Jurist, v. Rain, deducirte 1680, daß die Zweifler an der Existenz des Steins der Weisen sich des Verbrechens der Majestätsbeleidigung schuldig machen, weil nämlich mehrere Kaiser selbst eifrige Alchemisten gewesen. Die Leipziger Juristenfacultät hat mehrmals in alchemistischen Angelegenheiten Recht gesprochen, und zwar mit voller Ueberzeugung von der Existenz des Steins der Weisen. Im Jahre 1580 fällte sie ein Urtheil gegen den Leibalchemisten des Kurfürsten August von Sachsen, Namens Beuther. Dieser sollte in Besitz von Beschreibungen gekommen sein, wie gewisse Particulartransmutationen, d. h. Verwandlungen nur eines gewissen Metalls in Gold, auszuführen wären, auch einigen Personen eidlich versprochen haben, ihnen das Geheimniß mitzutheilen. Er habe aber nicht Wort gehalten und seines Dienstes beim Kurfürsten nur nachlässig gewartet. Das Leipziger Urtheil besagte, Beuther sei der Kenntniß des Steins der Weisen für überwiesen zu erachten, er solle darum peinlich befragt werden; wegen seiner Untreue gegen den Kurfürsten sei er zur Staupe zu schlagen, wegen seines Meineides gegen seine Genossen habe er zwei Finger zu verlieren, und schließlich sei er zum Wohle des Landes, damit das Geheimniß nicht anderen Potentaten bekannt werde, gefangen zu halten.

Noch im Jahre 1725 gab die Leipziger Juristenfacultät ein Gutachten ab, bei welchem es sich um Silber, das in Gold verwandelt worden war, handelte. Eine Gräfin von Erbach hatte einem als Wilddieb verfolgten Flüchtlinge auf ihrem Schlosse Frankenstein Schutz gewährt. Zum Danke dafür verwandelte der Wilddieb, welcher ein Adept war, also die Wilddieberei wohl nur zum Vergnügen trieb, der Gräfin sämmtliches Silbergeschirr in Gold. Ihr Gemahl nahm die Hälfte davon in Anspruch, weil der Zuwachs des Werthes auf seinem Gebiete und in der Ehe erworben sei. Die Leipziger Rechtsgelehrten aber gaben ihm Unrecht: weil das streitige Object vor der Verwandlung als Eigenthum der Gräfin anerkannt worden sei, müsse es auch nach der Verwandlung ihr Eigenthum bleiben.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 502. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_502.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)