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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

auf den Gesuchten Bezug hatten. Ich verwunderte mich nicht wenig, den General ohne Cigarre im Munde zu sehen. Sobald aber die Dame Abschied genommen und ehe er noch ein Wort zu mir gesprochen, zündete er eine kolossale Imperiale an.

Das Detail unserer Unterredung hat kein Interesse für meine Leser. „Und nun, was kann ich für Sie thun, Richter?“ so begann der General dieselbe. Ich schilderte ihm, nachdem ich das Gesuch der Texaner vorgelesen, eingehend die traurige Lage derselben und sprach ihm offen aus, weshalb wir uns an ihn und nicht an den Präsidenten wendeten. Er hörte schweigend zu, stellte mir, als er geendet, eine Menge Fragen in schlichter, aber sehr treffender Weise und sprach sich dann mit einer unerwarteten Offenheit über das Verderbliche einer Politik aus, solche Leute wie General Buchanan mit dem Commando von Rebellenstaaten zu betrauen, Directe und endgültige Abhülfe könne er mir nicht versprechen, allein ich möge ihm alle meine Beweisstücke überlassen und er wolle thun, was ihm möglich.

Natürlich war dies Alles, was ich mit Kenntniß seiner Stellung und Macht erwarten konnte. Die ganze Unterredung, welche nahezu eine Stunde währte, trug das den deutschen Verhältnissen ganz fremde, echt amerikanische Gepräge des vollständigen beiderseits bewußten Gleichstehens, wobei der General anerkannte, daß ich als Bürger ein vollständiges Recht hatte, ihm meine Ansicht selbst über die Mittel der Abhülfe auszusprechen, und daß er als ein Diener des Volkes verpflichtet sei, mich nicht nur anzuhören, sondern auch meine Aeußerungen in Betracht zu ziehen.

Noch einmal und zwar bei einer besonders wichtigen Gelegenheit beobachtete ich General Grant; – es war am 26. Mai Abends, wo ich zu den Delegirten der Chicago-Convention gehörte, welche ihn zum republikanischen Präsidentschafts-Candidaten vorgeschlagen hatte, und die nun durch uns, etwa dreißig Männer, unter Anführung des Generals Howley von Connecticut, als Vorsitzenden jener Convention, ihm und Herrn Colfax die Beschlüsse derselben officiell mittheilen ließ. Grant, Herrn Colfax zu seiner Rechten, seinen alten Vater zur Linken, und von mehreren Damen, unter denen seine Frau, und engeren Freunden umgeben, empfing uns. Während Colfax, der alte parlamentarische Kämpe, ruhig, selbstbewußt und lächelnd den Dingen entgegensah, schien Grant von der Bedeutung des Augenblickes fast erdrückt, und krampfhaft hielt er die Rechte seines Vaters gefaßt. Und in der That, auch ich fühlte mein ganzes Wesen bei dem Gedanken durchschauert und gehoben, daß wir wenigen Männer und ich, der einzige anwesende Vertreter des eingewanderten Elementes, im Begriffe standen, im Auftrage von fünfunddreißig Millionen freien Bürgern, der mächtigsten Nation der Erde – einem unserer Mitbürger die höchste Machtvollkommenheit anzutragen! Mit niedergeschlagenen Augen und während seine Brust mächtig arbeitete, hörte General Grant die schöne patriotische Ansprache unseres Führers an. Die wenigen mit vor Aufregung zitternden Stimme gesprochenen Worte, in denen Grant den Antrag annahm und zugleich versicherte, „daß er keine vom Volkswillen abweichende eigene Politik haben werde,“ wurden vom Telegraphenblitze die Nacht durch über die ungeheure Ausdehnung des weiten Landes getragen, des anderen Morgens mit Jubel von demselben Volke begrüßt, dessen ganzes Sein während mehr als drei Jahren an der verrätherischen Verstocktheit des Ueberläufers A. Johnson gekränkelt hatte. Wenige Tage nachher las das Volk der Vereinigten Staaten das Annahmeschreiben Grant’s, das mit den allwillkommenen Worten schloß: „Laßt uns Frieden haben!“

Die Lebensgeschichte des Generals Ulysses S. Grant ist in jüngster Zeit von allen Tages- und Wochenblättern so vielfach und ausführlich erzählt, daß die Gartenlaube den Raum dafür wohl sparen und sich darauf beschränken kann, nur einige Wendepunkte dieser an sich einfachen Mannes-Laufbahn hervorzuheben. Bekanntlich ist Grant am 27. April 1822 in Point Pleasant, Clermont County, Staat Ohio, geboren, kam mit geringer Schulbildung auf die Militärschule von West-Point, machte als Lieutenant den mexicanischen Krieg mit, war nach demselben erst Kaufmann, dann Gerber, trat aber beim Ausbruch der Secession sofort unter die Waffen. Als kriegserfahrener Officier zeichnete er sich stets aus, ward trotzdem mehrmals zurückgesetzt und erst nach dem Siege auf dem blutigen Felde bei Schiloh-Kirche gegen den fähigsten der südlichen Generale, S. Johnson, wo er sechs Regimenter persönlich zum Sturm führte, wurde er zum Oberbefehlshaber der Armee von Tennessee ernannt.

Während im Osten unter Mac Clellan und anderen ebenso unfähigen Generalen Verlust und Schmach der Nordheere sich häuften, beriethen und faßten die beiden größten Soldaten der Union, Grant und Sherman, ihre Pläne, legten am Mississippi und Yazoo die Grundlagen zu deren Ausführung, und schon am vierten Juli 1863 brach Grant durch die Einnahme von Vicksburg der Secession den Rücken. Nach dem entscheidenden Sieg bei Chattanooga schrieb Präsident Lincoln an Grant damals jenen interessanten Brief, in welchem er sagte: er habe geglaubt, daß Grant einen Fehler begangen, als er, anstatt sich nach der Einnahme von Vicksburg südlich nach General Bank’s Armee zu ziehen, sich östlich gewendet; „ich wünsche nun persönlich anzuerkennen, daß Sie Recht hatten und ich Unrecht.“ Kurze Zeit darauf rechtfertigte Grant weiter seinen Feldzugsplan und Lincoln’s redliches Zugeständniß durch eine Reihe von herrlichen Siegen, deren Folge die Vernichtung der westlichen Rebellenarmee war und wodurch er die Möglichkeit zu jenem kühnen, in der Kriegsgeschichte unübertroffen dastehenden Zug General Sherman’s durch die Südstaaten schuf. Zum Lohn für diese Erfolge beschloß der Congreß, den seit Georg Washington nicht mehr ertheilten Rang eines General-Leutenants wiederherzustellen und General Grant zu dieser Stelle zu empfehlen, welcher das Commando aller Armeen zustehen solle. Am 9. März 1864 übergab Präsident Lincoln persönlich General Grant in feierlicher Weise die von ihm vollzogene Bestallungsurkunde als General-Leutenant.

Grant wandte nunmehr seine ganze, ungetheilte Aufmerksamkeit der so lange und so hart durch die Unfähigkeit und Verrätherei ihrer Führer geprüften Armee am Potomac zu. Wenige Wochen genügten, um ihn mit dem Terrain, dem Material der Armee und der Stellung und den Hülfsmitteln seines Gegners, des Generals Lee, bekannt zu machen und seine Pläne zu entwerfen. Der Rapidan-Fluß – so lange die von Lee bewachte Linie – wurde überschritten, die schreckliche Schlacht „in der Wilderneß“ geschlagen! Nach diesem Siege folgte er dem auf die Nord-Annafluß-Linie sich zurückziehenden Lee, umging dessen sehr starke Stellung durch einen kühnen Flankenmarsch nach Cold Harbor, lieferte ihm eine andere blutige Schlacht und überschritt dann mit Umgehung der ausgedehnten Befestigungswerke von Richmond, hinter welche die Rebellenarmee sich zurückgezogen, den breiten Jamesfluß und schloß Petersburg, die Zwillingsveste von Richmond, ein. Während einer Reihe von Monaten des Winters 1864 auf 1865 dauerten die erbitterten und mit wechselndem Glück geführten Kämpfe auf der weiten Befestigungslinie der durch eine Eisenbahn verbundenen letzten Zufluchtsstätte, auf welche die südliche Conföderation reducirt war. Nichts konnte den eisernen Griff, den Grant nach dem sinkenden Leben der Rebellion gethan, zum Nachgeben bewegen – wie zwei englische Bulldoggen, so schienen sich Grant und Lee in einander verbissen zu haben. Endlich am 2. April 1865 gelang es Grant, die in der Nähe von Petersburg gelegenen Befestigungswerke bei Five Forks zu nehmen. Ein von ihm am folgenden Tage auf der ganzen Linie unternommener Angriff trieb Lee aus den Befestigungswerken und aus Richmond. Die Verfolgung, mit größtem Eifer fortgesetzt, führte, nachdem Lee’s Rückzugslinie durch ein von Grant angeordnetes und vom Reitergeneral Sheridan meisterhaft ausgeführtes Manöver abgeschnitten war, bereits nach acht Tagen zur berühmten Capitulation von Appomattox Court-Haus.

Die Bedingungen derselben, wie sie von Grant vorgeschlagen und von der Regierung in Washington genehmigt wurden, waren so milde, daß sehr viele Republikaner, selbst solche, welche nicht den Heißköpfen angehörten, sie mißbilligten und nur das Gewicht seines Namens vermochte es, die öffentliche Stimme damit auszusöhnen. Dieselbe Mäßigung, wie bei der Capitulation, bewies Grant später als Kriegsminister gegenüber dem Eigenwillen des Präsidenten Johnson; die Leser der Gartenlaube kennen diese Geschichte aus dem Artikel: „der Präsident auf der Anklagebank“. Und gleiche Mäßigung bewies er bei seiner Nomination und Wahl, die er nicht gesucht und zu deren Durchführung er keinen Schritt gethan, ja kein Wort gesprochen hat, nicht einmal zur Vertheidigung gegen die schamlosen, von den demokratischen Blättern gegen ihn geschleuderten Lügen und Verleumdungen. Ebenso läßt er seit dem 3. November (dem Wahltage), mit eben so viel stoischem Gleichmuthe

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_038.jpg&oldid=- (Version vom 16.7.2019)