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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

No. 13.   1869.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Reichsgräfin Gisela.
Von E. Marlitt.
(Fortsetzung.)


13.

Frau von Herbeck lachte spöttisch auf und deutete nach dem Dickicht, von wo noch einmal der helle Sommeranzug des Portugiesen herüberschimmerte.

„Da geht er hin ohne Sang und Klang!“ sagte sie. „Excellenz haben sich nun selbst überzeugen können, was das weiße Schloß für eine saubere Nachbarschaft hat! … Unverschämt! … Dies edle Portugiesenblut hält es nicht der Mühe Werth, vor einer deutschen Dame den Rücken zu beugen! … Excellenz, ich war außer mir über die Art und Weise, wie er Ihre Liebenswürdigkeit hinnahm!“

„Ich bezweifle sehr, daß es Hochmuth war,“ entgegnete die schöne Frau mit Achselzucken und einem flüchtigen, aber vielsagenden Lächeln.

Die zärtlich schwimmenden Augen der Gouvernante glitzerten für einen Moment wahrhaft katzenartig – ihr Widersacher hatte einen mächtigen Verbündeten; die weibliche Eitelkeit.

„Aber sein Benehmen gegen unsere Gräfin – entschuldigen Excellenz das auch?“ fragte sie nach einem momentanen Stillschweigen erbittert. „Zuerst umfaßt er sie sans façon und reißt sie auf die Seite –“

„Das hat mein Töchterchen sich selbst zuzuschreiben,“ warf die Baronin lächelnd ein und strich mit dem Zeigefinger leicht über Gisela’s Wange. „Dieser heroische Versuch, den Hund zu retten, war ein wenig – kindisch, meine Kleine!“

„Und dann stößt er sie plötzlich von sich“ – fuhr die Gouvernante mit erhöhter Stimme fort – „wollen Excellenz auch in Abrede stellen, daß er sie mit Ingrimm, ja, ich sage nicht zu viel, mit einem wahren Haß von sich gestoßen hat?“

„Das leugne ich ganz und gar nicht, meine beste Frau von Herbeck – denn ich habe es mit eigenen Augen gesehen – allein ich kann Ihre Schlagwörter, wie Haß und dergleichen, trotzdem nicht billigen. Warum, in aller Welt soll denn dieser Mann die Gräfin hassen? Er kennt sie ja gar nicht! … So wie ich die Sache ansehe, war es nichts als ein augenblicklicher, fast unbewußter Widerwille, mit welchem er zurückwich – und sehen Sie, da berühren wir einen Punkt, den wir, mein Gemahl sowohl, wie ich, Ihnen stets dringend an’s Herz gelegt haben – es ist nun einmal für unser Kindchen unumgänglich nöthig, daß seine einsame, abgeschiedene Lebensweise festgehalten wird.“

Sie schob ihren reizenden, mit einem Stiefelchen von Goldkäferleder bekleideten Fuß vor und ließ die Augen wie in qualvoller Verlegenheit darauf ruhen.

„Es ist mir zu peinlich, dieses zarte Thema nochmals zu erörtern,“ sagte sie endlich zu Gisela, „und doch muß es gesagt sein – um so mehr, als Du, mein Kind, die größte Lust zeigst, Dich zu emancipiren. … Viele Menschen, Männer und Frauen, haben eine Aversion gegen Alles, was ‚Nervenzufälle‘ heißt – Dein Uebel ist leider bekannt, meine liebe Gisela – im Verkehr mit der Welt würden Dich zahllose Rücksichtslosigkeiten verwunden – wir haben eben einen eclatanten Beweis gehabt!“

Sie deutete nach der Richtung, wo der Portugiese verschwunden war.

„Närrchen Du,“ begütigte sie, als sie sah, daß sich die Lippen der jungen Dame plötzlich wie infolge eines tödtlichen Schreckens schneeweiß färbten. „Das wird Dich doch nicht alteriren? … Hast Du denn nicht uns, die wir Dich auf den Händen tragen? Und hoffen wir denn nicht Alle, daß es allmählich besser mit Dir werden wird?“

Wie alle diplomatisch gewandten Menschen, die, wenn sie einen Pfeil mit Erfolg abgeschossen, das Thema sofort wechseln, brach auch sie das Gespräch ab. Sie befahl einem der Lakaien, den weggeworfenen Sonnenschirm zu suchen und gestand den Damen lachend ein, daß sie sich „entsetzlich gefürchtet“ habe.

„Kein Wunder!“ sagte, sie. „Ich habe das Waldhaus gesehen – es macht Einem den Eindruck, wie sein Herr selber – halb ist es der Wohnsitz eines Märchenprinzen und zur anderen großen Hälfte der eines nordischen Barbaren. … Wer weiß, was der Mann für eine Vergangenheit hat – selbst sein Papagei schnaubt Rache.“

Sie schwieg – es kamen Leute vom Waldhause her, die den Hund wegschafften und sorgfältig die Stelle säuberten, wo er gelegen. Sie faßten das todte Thier so schonend und behutsam an, als sei es ein verunglückter Menschenkörper.

„Den hat der Herr so lieb gehabt wie einen guten Cameraden,“ sagte einer der Männer zu dem Lakaien, der dabei stand. „Er hat ihn einmal ’rausgebissen, wie er unter die Räuber gefallen ist – das verwindet der Herr sobald nicht – er kam kreideweiß nach Hause. … Und der alte brummige Sievert heult gar – er hat sich in den paar Wochen so an den Hero gewöhnt!“

Die Damen standen unfern und hörten jedes Wort: bei Sievert’s Namen aber wandte sich die Baronin verächtlich ab und

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_193.jpg&oldid=- (Version vom 18.9.2021)