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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

Tropische Pflanzenwelt im Zimmer.

Wie viele unserer Leser sind nicht schon oft in Gedanken hinübergeschweift über das grüne Meer, über Berge und Alpen, über Steppen und Sandwüsten nach jenen Zonen, wo die senkrecht niederstrahlende Sonne im Verein mit einer feuchten Atmosphäre die üppigsten Prachtgestalten der Pflanzenwelt hervorzaubert! Wie viele sind nicht schon mit glühend erregter Phantasie den Schilderungen gefolgt, welche jene Reisenden entworfen, die ihr Wissensdrang hingeführt an die Ufer des Amazonenstromes und des Orinoco, in die Niederungen Mexico’s und Ostindiens, nach dem Gefahr drohenden Innern Afrika’s und den Eilanden der ost- und westindischen Inselgruppen!

Werfen wir einen raschen Blick auf diese herrlichen Pflanzengestalten, um auch bei jenen Lesern, denen sie noch unbekannt, ein regeres Interesse für ihre Einbürgerung am heimischen Heerde zu wecken, ihnen eine liebevolle Pflege namentlich auch von Seiten der schönen Leserinnen zu sichern.

Da sind zuvörderst die Palmen, diese Königinnen des äquatorialen Urwaldes, ohne deren prachtvolle Gestalten man sich kaum eine tropische Landschaft zu denken vermag. Auf häufig weit über hundert Fuß hohen, schlanken, hie und da rohrartig dünnen, bald glatten, bald schuppigen, bald mit einem braunen Fasernetze, bald mit prächtigen, glänzenden Stacheln bekleideten Stämmen heben sie ihre Blätterkrone hoch über ihre Umgebung in das tiefe Blau des südlichen Himmels empor. Und welche Schönheit entfaltet diese Krone! Vom sattesten Dunkelgrün durch Gras- und Gelbgrün bis zu Graugrün mit glänzendem Silberschimmer wechselt die Farbe. Hier streben mächtig große Fiederblätter mit steifen, glänzenden Einzelblättchen unter spitzem Winkel empor, dort wallen die älteren, aus zarten, an den Spitzen überhängenden Blättchen gebildeten Fiedern, neben den jüngeren aufwärts strebenden, in schön geschwungenen Bogenlinien nach der Erde nieder; bei anderen Arten breiten sich riesenhafte, kreisförmig oder elliptisch gestaltete, vielfach zerschlitzte Blätterschirme an der Spitze des Stammes nach allen Seiten aus.

Mit den Palmen ringen um den Preis des Sieges die üppigen, saftstrotzenden Gestalten der Bananen, welche vorzugsweise den Schmuck der schattigen und feuchten Ufer von Bächen, Flüssen und Binnenseen bilden. Zwar strebt der krautartige Stamm nicht gleich jenen der Palmen dem Himmel zu, aber schon im Laufe eines Jahres schießt er zu zwanzig bis dreißig Fuß Höhe auf und entfaltet auf seinem Gipfel eine Krone von mächtigen, gegen zwanzig Fuß langen und mehrere Fuß breiten, saftiggrünen, seidenartig glänzenden, in der Richtung der parallelen Seitennerven vielfach zerschlitzten Blättern. Zu den Bananen gesellen sich die zwar minder mächtig entwickelten, aber formenähnlichen Scitamineen, zu welchen die bekannten Blumenrohre (Canna) und prächtig gezeichneten Marantett gehören.

Den Uebergang von diesen, neben den riesigen Laubholzarten und Baumfarren gleichsam den Oberbestand des Tropenwaldes bildenden Gewächsen zu dem Unterholze und den Bodenpflanzen bilden die Pandanen, Drachenbäume und Aloegewächse. Auf einem hie und da wohl zwanzig bis dreißig Fuß Höhe erreichenden, meistens aber niedriger bleibenden oder kaum merklichen Stamm entfaltet sich deren bald aus großen, fleischigen, steif aufstrebenden, bald aus zarten, gewebten, bogig niederhängenden Blättern gebildete, dort mehr imposante, hier mehr zierliche Krone, welche sich theils in mannigfach abgestufte grüne, theils in braune, rothe und bunte Farben kleidet.

Auf den modernden Leichen oder auf den lebenden Leibern der Riesen des Urwaldes, wie auf dem kraftstrotzenden Humusboden siedeln sich einige Pflanzenfamilien an, welche nicht minder durch ihren Blätterschmuck, als durch ihre in den brennendsten Farben prangenden, die herrlichsten Wohlgerüche aushauchenden Blüthen die Sinne des Beschauers gefangen nehmen. Sie auch sind es, welche durch die überreiche Zahl an Formen, wie durch die fast ungehemmte Entfaltung die eben nur der tropischen Pflanzenwelt ureigene Ueppigkeit und Ueberfülle vorzugsweise hervorrufen helfen. Die den Bananen und Blumenrohren in ihrem Blüthenbau nahestehenden Ananasgewächse treten meistens ohne Stamm auf, und die bald mehr, bald minder weit ausgebreiteten Büschel theils aufstrebender, theils niederhängender, am Rande meist scharf oder stachlig gezähnter Blätter sind in der Regel von grau- bis blaugrüner Farbe, der sich indessen auch hie und da lebhafter grüne und bunte Töne beimischen. Reicher noch und mannigfaltiger ist der Formenkreis der Aronpflanzen. Auf krautartigem, saftigem, wenige Fuß hohem Stengel oder unmittelbar auf dem Wurzelstocke erheben sich die an Größe denen der Bananengewächse fast nahekommenden, mit dicken, häufig netzförmig verzweigten und abweichend gefärbten Nerven gezeichneten sattgrünen Blätter, welche bald von pfeilförmiger Gestalt und einfach, bald bandförmig gelappt, bald fiederspaltig oder gefiedert sind und sich nicht selten durch rothe oder weiße Flecken, Streifen und andere Zeichnungen oder gar durch metallische Farbe und Glanz auszeichnen.

Selbst die Gräser, welche in unserer Heimath dem buntgewebten Teppich der Wiesen den Grundton verleihen, werden in den Tropenzonen zu Riesen, von denen einzelne an Höhe des Wuchses fast mit den Palmen wetteifern können. Ebenso haben unsere Riedgräser in den verschiedenen Cyperusarten des heißen Erdgürtels ihre baumartigen Repräsentanten, deren zehn bis fünfzehn Fuß hoher Schaft auf dem Gipfel große, aus zahlreichen, zartgewebten Blättchen gebildete Schirme trägt.

Weniger fern als die voranstehenden Pflanzengruppen stehen uns in ihrer Gestaltung die Laubholzbäume der tropischen Waldvegetation. Dennoch finden wir darunter einige Familien, welche unser Interesse nicht in geringerem Grade fesseln, als Palmen, Bananen und Aroideen.

Vor allen ziehen die Lianen oder holzartigen Schlinggewächse unseren Blick auf sich. Mit ihren runden, bandartig flachen oder wunderlich gedrehten, oft über hundert Fuß langen Stämmen klettern sie die Bäume hinan, umschlingen Stamm und Aeste und bilden mit ihren bald dem Boden zustrebenden, bald in weiten Bogen sich von Baum zu Baum spannenden, bald in den wunderlichsten Verschlingungen durcheinander gewirrten Aesten entweder schwebende Guirlanden oder undurchdringliche Gitter, die in dem herrlichsten Blüthenschmuck erglühen. Durch das Gigantenhafte, hie und da Unförmliche ihres Wuchses, sowie durch die Großartigkeit und Schönheit ihrer Belaubung ragen jene Laubbäume als ein die Physiognomie der tropischen Landschaft mitbestimmender Factor hervor, welche bei uns ihre Vertreter in den krautartigen Malven- und Nesselgewächsen haben.

Rechnen wir zu all’ diesen Formen noch die mimosenartigen Gewächse mit ihren mehrfach gefiederten, freudig grünen, eigenthümlich reizbaren Blättern, dann die Baumfarren mit ihrem schuppig rauhen oder filzigen Stamme und der aus zart gewebten Fiedern gebildeten, im leisesten Lufthauch beweglichen Wedelkrone, so entwickelt sich vor unserem inneren Auge ein Waldbild, wie es an Reichthum, Großartigkeit und Ueppigkeit der Formen und des Farbenglanzes kaum seines Gleichen hat, um dessen Anblick jene Glücklichen zu beneiden sind, denen es gestattet ist oder war, die Tropenzonen zu durchwandern.

Der aber, dem es nicht vergönnt ist, sich von der heimischen Scholle loszulösen, der nur die Bilder schauen kann, welche Feder, Stift und Pinsel jener Begünstigten vor sein Auge zaubert, wie mächtig fühlt er nicht den Wunsch sich regen, selbst zu schauen und zu genießen! Solchen zum Troste – und hoffen wir, zur Freude – sei es versucht, einige Winke zu geben, wie man sich bei passender Auswahl und Behandlung der gegenwärtig um verhältnißmäßig geringen Preis zu erlangenden sogenannten Blattpflanzen das Wohn- oder Arbeitszimmer mittels dieser meist immergrünen Kinder der Tropenwelt schmücken und selbst im Winter, wenn die heimische Erde unter eisiger Decke ruht und der kalte Nordsturm Schneewehen gegen die Fenster treibt, zwischen seinen vier Wänden einen traulichen grünen Winkel schaffen kann.

In Bezug auf den ersten Schritt, den man für die Einführung der schönen Fremdlinge an den heimischen Heerd zu thun hat, die Wahl der zu cultivirenden Pflanzen, kann ich nur die allergrößte Umsicht empfehlen. Vor Allem lasse man sich nicht durch die Sucht nach einem bunten Allerlei leiten, steife sich nicht eigensinnig darauf, unter jeder Bedingung auch Blühbares haben zu wollen, und lasse namentlich die Cappflanzen und Neuholländer, welche

meistens eine eigenthümliche Behandlung erfordern und im Zimmer

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 246. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_246.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)