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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

No. 24.   1869.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Zu wirthschaftlich.
Von Fr. Gerstäcker.


Wenn es ein Brautpaar auf der weiten Welt gab, das für einander bestimmt, ja man konnte fast sagen geschaffen schien, so war es der junge Doctor Heinrich Wahlborn und Sophie Metkorn, die älteste Tochter eines nicht gerade reichen, aber doch wohlhabenden Bürgers in Xstadt – und ein hübscheres hätte man ebenfalls nicht so leicht aufgefunden. Dem jungen Mann war dabei das Glück zu Theil geworden, seine Braut – und zwar ehe er um sie warb – wohl ein volles Jahr lang in ihrem Wirken und Schaffen daheim auf das Genaueste beobachten zu können, da er als Hausarzt, und bei einer langwierigen Krankheit ihrer Mutter, täglich und zu allen Stunden dort Zutritt hatte, während Sophie natürlich allein die Wirthschaft führte und dabei zugleich die Kranke mit liebender und unermüdlicher Sorgfalt pflegte.

Der junge Doctor Wahlborn war selber, nicht allein in seinem Aeußeren, sondern auch in seiner kleinen Junggesellenwirthschaft sehr adrett und ordentlich; er hielt besonders viel auf reine Wäsche und saubere Kleidung, wie auf eine freundliche Häuslichkeit, und schon darin mußte ihm das Metkornsche Haus – im Gegensatz zu manchen anderen, die er zu Zeiten in früher Morgenstunde betrat und in einem oft schrecklichen Zustande antraf – als eine kleine Musterwirthschaft gelten. Er mochte kommen wann er wollte, das ganze Haus sah blank und sauber und Sophie selber wie aus einem Ei herausgeschält aus, und als er einmal einen Blick in die Küche hineinwarf, blitzte das Blechgeschirr darin, als ob es von blankem Silber wäre.

Und wie einfach ging Sophie immer gekleidet – modern wohl, aber ohne jeden Wahnsinn der verschiedenen Moden mitzumachen, und doch immer wie nett, wie elegant selbst! Sie hatte es darin auch freilich leicht, denn einem hübschen Gesicht steht Alles gut, und Sophie war wirklich bildhübsch, so daß man es dem Doctor sicher nicht verdenken konnte, wenn er endlich Feuer fing – es war nur ein einziges Wunder, daß er so lang Stand gehalten.

Häuslich und wirthschaftlich war sie dabei ebenfalls – er kam einmal dazu wie sie mit einer Gemüsefrau um ein Mäßchen Bohnen handelte, und hätte ihr gleich damals direct um den Hals fallen mögen, solch ein ernsthaftes Gesicht zog sie, und so entschieden bestand sie auf ihrem kleinen Trotzkopf, während sich die ganze Sache doch nur um ein paar Pfennige drehte – aber „wer das Kleine nicht ehrt, ist das Große nicht werth“ und gerade das gefiel ihm, daß sie sich auch um das Unbedeutendste sorgte und es der Mühe werth hielt, es zu überwachen.

Dr. Wahlborn besaß selber etwas Vermögen, und mit einer zwar erst begonnenen, doch schon ziemlich guten Praxis konnte er recht gut und anständig eine Frau ernähren, selbst wenn sie ihm keine Mitgift zugebracht hätte. Sobald er deshalb nur erst einmal mit sich selber im Reinen war, ging er auch ungesäumt ans Werk, und eines Tages, nachdem er die kranke Mutter wieder vollständig hergestellt und, um freiere Hand zu haben, auf vierzehn Tage in ein benachbartes Bad geschickt hatte, erklärte er Sophien seine Neigung (meine schönen Leserinnen mögen es mir verzeihen, daß ich meine Erzählung gerade da anfange, wo andere aufzuhören pflegen) und erhielt ein zwar von einem lieblichen Erröthen, aber auch von einem recht glücklichen Blick begleitetes Ja, das ihn dann natürlich zum „Seligsten der Sterblichen“ machte. Die Eltern, die allerdings erst gefragt wurden, als die jungen Leute schon Alles unter sich endgültig abgemacht, willigten später ebenfalls ein und die Hochzeit ward dann im engeren Familienkreis und ohne großen Pomp, aber von lauter glücklichen und theilnehmenden Menschen im Haus der Schwiegereltern gefeiert.

Danach machte das junge Paar, wie es sich von selbst versteht, eine Hochzeitsreise nach der Schweiz; das gehörte zum guten Ton, und ist doch eigentlich das Unnatürlichste und Widersinnigste, was ein junges Ehepaar nur möglicher Weise thun kann. Anstatt sich nun nämlich, nach Ueberwindung aller Schwierigkeiten, ihres gemeinsamen Glücks und der neugewonnenen Häuslichkeit wie eines traulichen, so lang ersehnten Beisammenseins zu freuen, lassen sie sich den ganzen Tag über in Staub und Hitze in einem Eisenbahnwaggon zusammen rütteln, verbringen die Nächte in fremden Hôtels oder unangenehmen Wirthshäusern, werden dabei mit einer Masse unbekannter Menschen durcheinander geworfen und durch unverschämte Preise geärgert, und suchen erst zuletzt, halb aufgerieben und vollständig reisemüde den Platz auf, den sie gerade zu der Zeit hätten nie verlassen sollen – ihre eigene freundliche Heimath – den eigenen Heerd.

Aendere aber einmal Jemand die Welt, oder stelle sich einer „Mode“ entgegen. „Wo es Alle thun, kann man doch nicht gut zurückbleiben,“ lautet die Antwort, und die Sache geht eben ihren ruhigen Gang.[1]

Heinrich Wahlborn war also wirklich mit seiner reizenden jungen Frau zurückgekehrt, hatte auch, nach Verlauf einer Woche etwa, die unausbleiblichen und für beide Theile entsetzlichen Anstandsbesuche glücklich überstanden und fing erst jetzt an sich seines

  1. Ich muß hierbei bemerken, daß ich selber keine Hochzeitsreise gemacht habe.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 369. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_369.jpg&oldid=- (Version vom 25.1.2021)