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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

Das Fußbrett, welches an der Kunze’schen Bank blos die Breite einer Fußlänge hat und unter der Tafel befestigt ist, muß viel breiter sein und bis unter die Bank hinterreichen, denn der Schüler soll auf ihm auch gehen und stehen können, und wenn er sitzt, so ist nicht zu verlangen, daß er seine Füße immer auf derselben Stelle ruhen läßt; er hat vielmehr das Bedürfnis des Wechsels der Stellung und will seine Füße bald vor-, bald zurücksetzen. – Ganz entbehren läßt sich das Fußbrett schon deshalb nicht, weil ohne ein solches die Bänke in den niedern Classen für Auge und Hand des Lehrers zu niedrig sein würden, und weil in allen Classen die Füße der Schüler im Winter wärmer auf Fußbrettern ruhen, unter welchen sich erwärmte Zimmerluft befindet, als auf dem gewöhnlich nicht so warmen Fußboden. Aus letzterm Grunde stimme ich Herrn Kunze nicht bei, wenn er an den Bänken für die größern Schüler die Fußbretter für entbehrlich hält.

Viel Noth haben uns Bankverbesserern die Bücherbretter gemacht, weil sich unter unsern tiefer und weiter zurückstehenden Tafeln kein genügender Raum dazu fand. An der Kunze'schen Bank dagegen ist ganz vorn in dem Raume zwischen Bücher- und Fußbrett ein Brettchen angebracht, auf welches die Ranzen mit Benutzung einer darüber angebrachten Latte gelehnt werden können.

So ist denn für Alles gesorgt, was von Seiten der Wissenschaft wie der Praxis gefordert und vom Techniker geleistet werden kann. Nun gehört nur noch die rechte Einsicht und der gute Wille bei der Benutzung der Bank dazu, um der Kinderwelt ihre Vortheile zu sichern. Eine Bank, die ohne Zuthun des Menschen Alles allein besorgt, läßt sich einmal nicht erfinden. Zunächst muß die Bank der Größe der Kinder, die sie benutzen sollen, angemessen und deshalb in einer Anzahl verschiedener Nummern in jeder Schule vorhanden sein. Zu Anfang jedes Halbjahrs werden die Kinder gemessen und mit den ihrer Größe entsprechenden Bänken versehen. Diese Arbeit ist so schnell erledigt, daß auch stark belastete Lehrer im Hinblick auf das dabei so augenfällig in Frage kommende Wohl der Kinder sich gewiß nicht vor ihr scheuen werden; und wenn die Anschaffung solcher Bänke etwas mehr Geld kostet, als man bisher für solche Zwecke zu verwenden sich gewöhnt hat, auch einige Reservebänke vorhanden sein müssen, weil nicht immer die gleiche Anzahl Kinder in dieselbe Größen-Kategorie fällt, so sind das für die Gemeinden wahrscheinlich auch keine unübersteiglichen Hindernisse.

Die neue Bank ist, wie ich bei anderer Gelegenheit durch Wiedergabe der oben erwähnten, von Hermann Meyer construirten Zeichnung augenfällig nachweisen werde, kein Zwangsstuhl; die Kinder können daher auch auf ihr schlecht sitzen, wenn sie durchaus wollen; auf den bisherigen Bänken aber sind sie zu schädlicher Körperhaltung gezwungen. Auf der Kunze’schen Bank ist die normale Haltung zugleich die bequemste und am wenigsten ermüdende und wird darum bei einiger Nachhülfe von Seiten der Lehrer bald allgemein werden, während bisher alles Reden auch des sorgsamsten Lehrers über gesundes und schönes Sitzen der Kinder auf die Dauer Nichts fruchten konnte.

Sobald der Lehrer darauf hält, daß die Kinder auch beim Schreiben – welches natürlich ausnahmslos an der ausgezogenen Platte zu geschehen hat, Fühlung mit der Lehne behalten und ihre Ellbogen nicht auf die Tafel bringen, ist schon die Hauptsache gethan; wenn der Rücken unten eine Stütze hat, die Tafel nahe vor dem Körper ist und nur die halben Vorderarme auf derselben ruhen, so unterbleibt das Buckelmachen meist von selbst. Nur der Kopf des Schreibenden bedarf noch einiger Aufsicht, damit er nicht auf die Seite sinke. Auf diese seine Schiefstellung hat aber nicht die Bank, sondern – außer der Gewöhnung – die Lage des Schreibebuches besonders Einfluß. Liegt dasselbe zu schräg, so ruht gewöhnlich der rechte Ellbogen des Schülers auf der Tafel und der Kopf hängt nach links, wenn es dagegen, was manche Lehrer zu erzwingen suchen, gerade vorgelegt wird, also mit seinen Rändern gleichlaufend den Kanten der Tafel, so nehmen die Kinder links Ellbogen und Schulter in die Höhe und neigen den Kopf nach rechts. Da der schreibende Arm nicht an der Brust, sondern an der Schulter angewachsen ist, so darf man sich nicht wundern, wenn das Papier fast vor allen Schreibenden etwas schräg liegt. Uebersteigt diese Schrägstellung nicht das Viertel eines rechten Winkels, so können die Schultern und die Augen ohne Anstrengung beiderseits gleich hoch gehalten werden.

Auch hier bedarf die Schule der Unterstützung des Hauses. Der Tisch, an welchem die Kinder ihre schriftlichen Arbeiten machen, soll gerade Kanten haben; als Stuhl, welcher um etwa zwei Zoll unter den Tisch geschoben sein muß, dient am besten ein hoher Clavierstuhl mit niedriger Lehne. Ist ein solcher nicht zu haben, dann ist bei allen noch nicht Erwachsenen der Sitz durch Kisten oder Bücher so weit zu erhöhen, daß der Tisch dem Schreibenden nur bis an die Taille reicht. Am sichersten findet man das Maß der Sitzhöhe dadurch, daß man den Sitzenden einen Ellenbogen auf den Tisch erheben und den Vorderarm querüber legen läßt. Bei richtiger Tisch-, bezüglich Sitzhöhe berührt dann der auf dem Tisch liegende Vorderarm ohne vorherige Erhebung der Schulter zugleich die Vorderfläche des Körpers; ist der Tisch zu hoch, so zeigt sich ein Zwischenraum zwischen Vorderarm und Körper. – Wo schlechte, vorgeneigte Haltung vorhanden ist, möge man auch zu Hause der Schreibefläche eine geringe Neigung von ungefähr eins zu sechs geben, wie die Schulbänke sie haben; ein stellbares Pultchen ist dazu am geeignetsten.

Ich beanspruche nicht, daß man Alles, was ich hier gesagt, ohne Weiteres als unumstößliche Thatsache hinnehme; das aber glaube ich erwarten zu dürfen, daß die geschilderte Schulbank jetzt allseitig Beachtung und Prüfung finde. Besonders Schuldirectoren und die Schulbehörden des Staats und der Gemeinde sind, wie ich meine, verpflichtet, näher an die Sache heranzutreten; und sind sie dabei zu demselben günstigen Urtheil gelangt, wie ich, so mögen sie mit Freudigkeit und Thatkraft Hand an's Werk legen, damit wir endlich einmnal wenigstens in dieser Beziehung unsere Schuldigkeit thun gegen unsere Kinder.




Die Kunst in den Hütten der Armuth.

Von Ferd. Hey’l.

Ein Sommerausflug führte uns auf dem Wege nach Süd-Baiern und Tirol durch München. Wir hatten die Sehenswürdigkeiten der bairischen Residenzstadt, welche uns größtentheils schon alte Bekannte waren, bereits seit einigen Tagen in unserem Touristen-Gedächtniß wieder aufgefrischt, als man uns von befreundeter Seite den Besuch der Ausstellung des „Vereins für Ausbildung der Gewerke“ dringend anrieth, der denn auch noch desselben Tages unternommen wurde. Gar viel des Guten und Trefflichen fanden wir in diesen Räumen aufgestapelt, eine glänzende Beweisführung, daß man im Baierlande auch Anderes zu Wege zu bringen vermag, als Bierbrauen und Biertrinken. Die Mannigfaltigkeit der ausgestellten Gegenstände war uns ebenso überraschend, als die treffliche Ausführung derselben. Unter den der Kunst verwandten Gegenständen fielen uns vor Allem ein Pocal und eine gothische Weinkanne auf, beide in Apfelbaumholz geschnitzt und künstlerisch in Zeichnung und Ausführung, so daß wir sofort den Einfluß eines Münchener Künstlers, mindestens bei dem Entwurf, voraussetzten.

Die Zeichnung des Pocals zeigte ein auf schönen ornamentalen Verschlingungen ruhendes Faß, auf dessen mit einer Trauben- und Weinblätterguirlande umschlungenem Deckel ein trunkener Landsknecht ruhte. Auf dem Faß, unter einem Reliefwappen, fand sich der Spruch.

„In dem Wein ist Wahrheit! und –
kommt der Wahrheit auf den Grund!"

Die Kanne, in Wahrheit ein Meisterwerk der Holzschnitzkunst und den Pocal womöglich in Zeichnung und Durchführung noch überbietend, bildete im Querschnitt ein reguläres Achtecke in den gothisch reich ornamentirten acht Feldern waren die acht Strophen des folgenden originellen Spruches vom Wein in schön ausgeführter Reliefschrift angebracht:

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 535. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_535.jpg&oldid=- (Version vom 7.9.2022)