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verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

empfangen, hob sie aus dem Wagen und stellte sie der königlichen Familie als eine Angehörige vor. Er änderte auch sein Benehmen nie und bewies ihr bei jeder Gelegenheit die gleiche Aufmerksamkeit und Achtung. Die freundliche, entgegenkommende Aufnahme, welche Mrs. Fitzherbert von Seiten der Familie Louis Philippe’s, während ihres Aufenthalts zu Paris im Jahre 1833, zu Theil wurde, schrieb sie ebenfalls König Wilhelm dem Vierten zu.

Oft und eingehend besprach der gutmüthige König auch mit ihr die Angelegenheit, welche ihr am meisten am Herzen lag: ihre Rechtfertigung vor der Nachwelt, und gab seine Einwilligung zu Erhaltung und Aufbewahrung derjenigen Papiere, welche sie zur einstigen Herstellung ihrer Ehre am besten geeignet hielt. Mit seiner Beistimmung wurde zwischen Mrs. Fitzherbert und den Testamentsexecutoren Georg’s des Vierten eine Vereinbarung geschlossen und in Folge dessen ihre Correspondenz mit dem verstorbenen König verbrannt, jedoch mit Ausnahme derjenigen Briefe, welche sie aufbewahren wollte. Der Herzog von Wellington und Lord Albemarle verbrannten die Papiere in Gegenwart Mrs. Fitzherbert’s und nach reiflicher Ueberlegung verfiel den Flammen auch der Eingangs erwähnte siebenunddreißig Seiten lange Liebesbrief – dieses Muster und Beispiel der Unzuverlässigkeit von Liebesschwüren.

Mrs. Fitzherbert lebte bis zum Jahre 1837 meist in Brighton, wo sie auch starb. Ihre Adoptivtochter Mrs. Lionel Dawson Damer (Miß Seymour) ließ ihr ein Monument setzen, auf welchem die Figur der Verstorbenen, mit drei Trauringen an dem vierten Finger der linken Hand, angebracht ist, als Zeichen, daß sie dreimal vermählt gewesen.

Mrs. Fitzherbert’s Papiere waren von ihr in dem Bankhause Coutts deponirt worden, und sie hatte in ihrem Testament verfügt, daß dieselben zu geeigneter Zeit veröffentlicht werden sollten. Im Jahre 1841 kam die Sache zwischen den beiden Testamentsexecutoren Lord Stourton und Lord Albemarle zur Sprache, aber der Herzog von Wellington, dessen Siegel auch auf dem Briefpaket befindlich waren, widersetzte sich der Lösung derselben, und seinen Gründen gaben die beiden Lords nach. Nach Lord Stourton’s Tode blieb Lord Albemarle allein die Verfügung über diese Papiere; auch er starb, ohne daß sie veröffentlicht wurden, und nun bemühte sich Mr. Charles Longdale, Lord Stourton’s Bruder, von den Erben Lord Albemarle’s die Erlaubniß zur Veröffentlichung der bei Coutts hinterlegten Schriften zu erhalten. Es gelang ihm nicht, aber was er dann, gestützt auf die Aufzeichnungen und Erzählungen seines Bruders, die Erinnerungen von Zeitgenossen und das, was er aus dem eigenen Munde der Dame gehört, zusammenstellte und dem Publicum mittheilte, enthält alles Interessante daraus, und sollten die Siegel des Archivs einst gelöst werden, so wird der Inhalt des Pakets doch nichts Neues mehr bieten.




Blätter und Blüthen.


Von der Unglücksstätte im Plauenschen Grunde. Heute (den 16. August), wo wir diese Notiz zur Druckerei schicken, sind zwei Wochen seit dem großen Unglückstage von Burgk verflossen: die Summe des Gräßlichen und Jammervollen, das in diese kurze Zeit für die Hinterbliebenen und die für die Bergung der Leichen thätigen Freunde der Umgekommenen sich zusammendrängt, wäre Leids genug für Tausende auf viele Jahre gewesen. Denn nicht einmal der einzige Trost, den man bisher auszusprechen gewagt, der Trost, daß all’ die Verunglückten wenigstens ein rasches, bewußt- und schmerzloses Ende gehabt, ist Allen geblieben; eine Anzahl der armen Bergleute hat noch stundenlang alle Schrecknisse der Todesangst erfahren und elend ersticken müssen. Man weiß dies, so schrieb uns unser Berichterstatter schon am 10. August, erst seit heute durch untrügliche Anzeichen. Denken Sie, diesen Vormittag hat man die Leiche eines von drei Brüdern Bähr, die alle drei als Steiger verunglückt sind, gefunden; im Grubenkittel des todten Steigers stak sein Schichtenbuch, in welchem er die verschiedenen Arbeiter und die von diesen geförderte Arbeit zu verzeichnen hatte, und darin stand wörtlich wie folgt – ich habe das Buch selbst gesehen und für die Leser der „Gartenlaube“ das Nachstehende Buchstabe für Buchstabe copirt:

„Dies ist der letzte Ort, wo wir unsere Zuflucht genommen haben; ich habe meine Hoffnung aufgegeben, weil die Wetterführung auf Segen Gottes (Schacht) und Neue Hoffnungsschacht vernichtet (hat) sind. Der liebe Gott mag die Meinigen und meine lieben Freunde, die mit mir sterben müssen, sowie ihre Familien in Schutz nehmen.

Ernst Bähr I., Steiger.“

So stand es mit Bleistift geschrieben, in fester, klarer, deutlicher Hand, und die oben eingeklammerten Worte waren sorgfältig ausgestrichen, – ein Beweis, in wie hohem Grade der Verunglückte noch seines Bewußtseins mächtig war. „Der letzte Orte,“ sagt er, wo sie Zuflucht genommen hatten, – wie also mußten die armen Leute, denen jeder Winkel des Schachtes bekannt und vertraut war, die genau wußten, an welchen Stellen böse Wetter einzufallen und wohin sie ihre Richtung zu nehmen pflegen, nach einem rettenden Plätzchen gesucht haben, ehe sie die letzte Hoffnung im Stiche ließ! Das Buch lag in der Revierstube des Segen-Gottesschacht, und darum herum standen Beamte und Bergleute, sämmtlich Männer, denen die Gewohnheit der Gefahr und die ebenfalls fast schon zur Gewohnheit gewordenen Schreckensepisoden der letzten acht Tage die Nerven gehärtet haben – vor diesem Schichtenbuche und seinem letzten schmerzensschweren Blatte standen sie laut schluchzend!

„Das Buch da,“ sagte einer der anwesenden Steiger, ein verwitterter Mann mit grauem Haar, „ist entsetzlicher, als Alles, was wir jetzt Gräßliches erlebt haben! O Ihr meine armen, armen Freunde!“ und er legte bitterlich weinend den Kopf in seine Hände und ließ ihn matt auf den Tisch hinab sinken.

Aber das war des Leids noch nicht genug. Ich lehnte eben am Gitterwerk der Kaue, als eine Abtheilung Bergleute, die ihre vierstündige Leichenförderarbeit für heute überstanden hatten, dem Gestell entstiegen. Ihnen voran ging ein Steiger von kräftiger Gestalt, aber mit einem unsäglich gramvollen Gesicht. Er winkte die Umstehenden zu sich heran und trat dann mit uns in einen Winkel des Gebäudes.

„Ach, was wir jetzt Fürchterliches erfahren haben!“ begann er mit noch unsicherer Stimme. „Wir sind unten in ‚Neuer Hoffnung‘ auf einen dichten Klumpen von sechs Leichen gestoßen – Sie werden sie alsbald herauffördern sehen – und an den drei ‚Stempeln‘ (bergmännisch anstatt Säulen) des Zimmerwerkes stand Folgendes mit Kreide angeschrieben; ich habe mir es genau in mein Taschenbuch notirt,“ fuhr er fort, indem er dies aus der Brusttasche seiner schwarzen Blouse herauszog.

An der ersten Säule:

„Janetz starb,
Richter empfahl
die Seinen Gott.“

An der zweiten Säule:

„Lebewohl, liebe
Gemahlin, lebet wohl,
lieben Kinder, Gott
mag Euch helfen.
Gottlob Heimann.“

An der dritten Säule:

„Lebt wohl, liebe Frau
und Kinder; ich habe mir
das nicht gedacht.
Obermann.“

„Bald fünfundvierzig Jahre bin ich nun angefahren, aber so Fürchterliches habe ich nie erfahren! Und ich versichere Sie, wir alle elf Bergleute, die wir diese Inschriften entdeckt, wir haben laut geheult, wie die Kinder, und es hat lange gedauert, ehe wir wieder schaffen konnten.“

Endlich fand man auch noch den Bergmann Christian Schmidt, der sich mittelst einer Stecknadel ein kleines Papier an den Brusttheil seines Bergkittels gesteckt hatte, auf welchem mit fester Hand geschrieben war:

„Meine lieben Angehörigen! Indem ich vor Augen sehe, daß wir sterben müssen, erinnere ich mich noch an Euch. Lebt Alle wohl und ein frohes Wiedersehen. Das Andere muß ich Euch überlassen. Zwischen 9 bis 10 Uhr.“

Und auf der anderen Seite des Zettels stand:

„Liebe Frau! Versorge die Marie gut. In einem Buch in der Kammer liegt ein Thaler Geld. Lebt wohl, liebe Mutter und Geschwister. Auf Wiedersehen!“

Auf einer Schiefertafel stand geschrieben:

„Leb wohl, meine liebe Frau, lebt wohl, meine lieben Kinder, ich reich Euch meine Hände, lebt wohl, meine Eltern, verlaßt meine Frau nicht, lebt wohl, alle meine Bekannten, verlaßt meine Frau und Kinder nicht, lebt wohl. Lebt wohl, meine beiden Geschwister, seht wohl auf meine Frau und Kinder, lebt wohl, meine letzte Stunde leb wohl.
Karl Hanisch. 1 Uhr.“

Den Hut ab vor solchen Märtyrern der Arbeit!


Für die Hinterbliebenen der verunglückten Bergleute des Plauenschen Grundes

gingen ferner ein: Vom runden Tisch bei Dreher Brasserie in Havre durch Julius Prätorius 27 Thlr. 2½ Ngr. (100 Frcs.); zweite Sammlung der Deutschen in Havre durch Julius Prätorius 54 Thlr. 5 Ngr. (200 Frcs.); von einer kleinen Gesellschaft zu Bensheim durch A. Hölzinger 9 Thlr. 4 Ngr. 2 Pf.; der Kegel-Club zu Klein-O. 1 Thlr. 7½ Ngr.; gesammlt beim fünften Niedererzgeb. Gauturnfest in Oberlungwitz 16 Thlr.; T. N. in D. 2 Thlr.; gesammlt auf dem Neheimer Jägerfest am 9. August durch das Königspaar 44 Thlr. 3 Ngr.; W. L. in Pest 2 Thlr. 22½ Ngr. (5 Fl. österr. Währ.); Josef Heller in Pest 2 Thlr. 22½ Ngr. (5 Fl. österr. Währ.); Frau H. 5 Thlr.; Prof. R. 5. Thlr.; Frau A. 2 Thlr.; Fr. Gerstäcker empfangene Entschädigung wegen Nachdrucks 10 Thlr.; Frau K. 10 Thlr.; Gretchen 3 Thlr.; Ertrag einer Collecte bei der Versammlung des deutsch-väterländischen Vereins des großh. badischen Amtsbezirks Radolfzell in Singen am Hohentwiel 28 Thlr. 17 Ngr. (50fl. rhn.) (Summa sämmtlicher Eingänge: 486 Thlr. 26 Ngr. 5 Pf.)

Die Redaktion.


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verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1869, Seite 560. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_560.jpg&oldid=- (Version vom 2.9.2022)