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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

Lachen, das unbefangen klingen sollte, aber nur gezwungen klang. „Gestern ist ein lustiger Tag gewesen, wir haben alle Zwei ein Bissel zu viel im Kopf gehabt … da red’t man allerhand daher, was Einen den andern Tag reut! Das wär’ bös, wenn man Alles halten müßt’, was man im Rausch versprochen hat! Mach’ Dir deswegen keinen Kummer, Feichtenbauer … Du giebst mir mein Wort zurück, ich Dir das Deinige, ich weiß ja doch, daß Du es nit halten kannst, weil die Christel nit will!“

„Ja, sie will freilich nit,“ entgegnete er, „durchaus nit – ich hab’ sie gar nie so gesehn, es ist, als wenn sie einen völligen Abscheu hätt’ vor Dir … und wenn ich sie auch zwingen könnt’ und thät, wirst wohl Du sie nimmer wollen …“

„Ich? Warum?“ fragte Domini verwundert. „Wegen den Abscheu? Den fürcht’ ich nit, Feichtenbauer … es hat schon gar manches Madel mit allen zwei Händen zugelangt, wo sie zuvor gekratzt und geschlagen hat! Und sonst wüßt’ ich nit, warum ich für mein Theil sie nimmer wollen sollt …“

„Warum? Weil ich gestern noch einen schönen Bauernhof gehabt hab’ und einen Haufen Geld und weil ich heut’ nichts mehr hab’ als eine Brandstatt … weil der reiche Feichtenbauer über Nacht ein armer Abbrändler ’worden ist …“

„Oho …“ unterbrach ihn Domini, „so weit wird’s wohl nit gefehlt sein! Der Feichtenhof ist ein Prachtgut – Du hast keinen Kreuzer Schulden darauf, in einem halben Jahr ist Alles wieder so schön wie zuvor, und Du hast wieder einen Haufen Thaler beieinander. … Wenn sonst nichts dazwischen wär’, da machte ich heut’ noch die Stuhlfest’ mit der Christel …“

„Ist das wahr, Domini?“ rief der Alte, noch mehr erschüttert von solcher Uneigennützigkeit. „Du bist ein braver Mensch – ich wollt’ nur, die Christel hätt’s mit angehört, aber ich will es ihr schon sagen …“

„Das mußt nit thun, Feichtenbauer,“ unterbrach ihn Domini treuherzig, indem er zugleich nach der Küchenthür spähte, die ihm nur angelehnt schien. „Zu was sollt’ es nutzen? Sie hat einmal den Widerwillen gegen mich, und wenn man ihnen abredet, werden die Weiber nur immer bockbeiniger, da ist Eine wie die Andere … Alles will seine Weil’ haben, drum lass’ es der Zeit über, vielleicht besinnt sie sich doch noch anders, wenn sie merkt, daß sie mir zu viel gethan hat … ich will unter der Hand schon fleißig nachfragen, daß ich nit weit weg bin, wenn der Apfel vom Baum fallen wird. … Derweil aber giebt’s was Anderes zu thun! Derweil wollen wir von Dir reden, Feichtenbauer – vielleicht kannst Du Geld brauchen für den Anfang – sag’s nur ungenirt, ich geh’ dann zu meinem Vater hinein und hol’ Eins …“

Der Alte erhob sich und wollte Domini, der ihn spröde abwehrte, mit zitternden Armen umfangen.

„Freund in der Noth!“ rief er gerührt. „Das vergess’ ich Dir Zeit meines Lebens nit! Dafür kannst von mir begehren, was Du willst, und wenn ich’s nit thu’, so darfst Du mich …“ „Mach’ nit so viel Aufhebens wegen der Kleinigkeit!“ unterbrach ihn Domini. „Das ist ja nichts Besondres … Du lassest mir’s auf dem Feichtenhof einkommen, und ich geb’ Dir, was ich zuweg’ bringen kann! Extra viel wird’s nit sein … so ein paar tausend Gulden höchstens …“

Die Dankbarkeit des Bauers hätte sich noch lange in ihren Ausbrüchen nicht eindämmen lassen, wäre nicht einer der Knechte athemlos und schon von ferne rufend auf das Zubauhaus zugelaufen gekommen, als hätte er eine neue Unglücksbotschaft zu bringen.

„Das Landgericht kommt!“ rief er. „Sie sind schon da! Der Assessor kommt schon in aller Eil’ über den Steig herauf …“

„Dummer Kerl,“ rief Domini, der leicht die Farbe gewechselt hatte, „wie kannst Du so daher rennen und Einen erschrecken, als wenn Gott weiß was geschehen wäre! Das ist ja natürlich, daß das Landgericht kommt und den Augenschein vornimmt! Deswegen sind ja die Herren auf der Welt, daß sie’s herausbringen, wenn so was passirt … und der Herr Assessor,“ setzte er mit unverhohlenem Spott hinzu, „das soll ein ganz Feiner sein, Einer von denen, die das Gras wachsen hören. … Meinetwegen,“ fuhr er dann fort und wendete sich zu gehn, „mich kümmert’s nicht! Wir Zwei sind handeleins, Feichtenbauer, nicht wahr? Ich mache mich jetzt gleich auf den Weg, Du weißt schon wohin und in ein paar Tagen komm’ ich mit dem Geldsack wieder …“

Er griff nach der Thür, als dieselbe sich öffnete und den Händler wieder einließ, der mit der Meldung kam, der Assessor sei wirklich da, man solle im Zubauhause einen Tisch zurecht machen, um nach der Besichtigung der Brandstätte das Protokoll darüber aufnehmen und die Verhöre pflegen zu können.

„Sieh da, ist der Herr auch hier?“ sagte der Mann, als er Domini gewahrte. „Seid Ihr nicht derselbe, dem ich gestern die Uhrkette abkaufen wollte mit dem Napoleonskopf? Nun bin ich froh, daß Ihr sie mir nicht gegeben habt, nun wäre das Geld hin und die Kette wäre mit meinen Sachen auch verbrannt … Ihr habt sie aber nicht mehr, wie ich seh’!“ setzte er hinzu, den Anzug und die Westentaschen des Burschen musternd.

Ueber Domini’s Antlitz flog es wie der Schatten eines vorüberstreichenden Vogels.

„Ja, ja, so geht’s halt auf der Welt!“ erwiderte er lachend. „Ich wollte, ich hätte Euch die Kette zu kaufen gegeben, dann hätt’ ich wenigstens das Geld. … Jetzt habe ich von Beiden nichts! Ich bin heut’ über Nacht beim Wirth am Fall gewesen, bis ich in der Früh’ gehört hab’, daß Feuer ausgekommen ist auf dem Feichtenhof … da hab’ ich mich gleich auf den Weg gemacht, es ist noch kaum grau gewesen … ich bin den nächsten Weg über’s Moos und durch den Wald gelaufen … da hab’ ich die Kette verloren – ich muß an einem Ast damit hängen geblieben sein oder sie ist mir weggerissen, wie ich über einen Zaun oder ein Stiegel gesprungen bin! Schade d’rum – ich ließ mich’s gleich fünfzig Gulden kosten, wenn ich die Kette wieder hätt’!“

Man verließ das Haus und ging dem Beamten entgegen; der Knecht, der Händler, der Feichtenbauer und auch Christel, die an dem zuletzt an der Thür stehenden Domini vorüberschritt und ihn so wenig beachtete, als den Thürpfosten, an dem er lehnte. Er sah und fühlte die grenzenlose Verachtung, die sie ihm zeigte und zeigen wollte, und es schwebte ihm schon auf den Lippen, sie anzureden und zurückzuhalten, aber er zwang es in sich zurück, mit von Rachgier und wilder Lust funkelnden Blicken sah er ihr nach, wie ein Raubthier, das sich zum Sprunge rüstet. „Ich könnt’ sie zerreißen vor Wuth,“ knurrte er in sich hinein, indem er zugleich die Augen lüstern über die wohlgefälligen Formen des Mädchens gleiten ließ, „und dann könnt’ ich’s doch wieder nicht! Ich glaube, die Dirn’ hat mir’s angethan - seit ich sie wieder gesehn habe, bin ich wie ausgewechselt - und ich muß sie doch kriegen, und wenn’s mich das Leben kosten sollt’! Ich muß den Schlag von gestern hereinbringen … ich muß sie haben … weil sie mich nit ausstehn kann, muß ich sie erst recht haben.“…

Er wendete sich in das Haus zurück; er wollte durch die Hinterthür hinaus, um den Anderen nicht mehr zu begegnen; an der in den obern Stock oder vielmehr in den niedrigen Dachraum führenden Treppe hielt er an wie von einem plötzlichen Gedanken ergriffen, setzte den einen Fuß auf die Stufe und lugte langgestreckten Leibes in den halbdunkeln Bodenraum hinauf, wie Jemand, der die Gelegenheit zu einem geheimen Vorhaben erspäht. „Was giebt’s?“ rief ihm eine schneidige Weiberstimme entgegen. „Wer will was drunten?“ Es war Susi, die oben in der Kammer beschäftigt schien und aus der Thür trat, daß es möglich war, von unten das etwas hellere Gemach zu überblicken.

„Wer wird’s sein?“ rief Domini rasch gefaßt entgegen. „Ich hab’ Dich da oben im Zwielicht bemerkt und hab’ Dich nit recht gesehn; ich hab’ nit gewußt, ob ich meinen Augen trauen darf – seit wann ist denn die schöne Susi, die lustige Kellnerin, in der Einöd’ heroben auf dem Feichtenhof?“

„Seit einem halben Jahr,“ sagte das Mädchen und kam, noch immer in dem früheren leichten Anzug, zu ihm die Stufen herab. „Grüß Gott, Metzger. Domini … das ist seltsam, nit wahr? Ja, ich hab’s einmal mit der Bauernarbeit probiren wollen, aber es wird nit gut thun in die Läng’ … es ist mir zu langweilig!“

„Das will ich glauben,“ lachte Domini, „einem so schönen Madel und einem so alerten dazu muß wohl die Zeit lang werden in der Einsamkeit! Jetzt geht mir freilich ein Licht auf, warum ich Dich nirgends mehr gefunden hab’!“

„Wirst Dich wohl nit zu grob angestrengt haben mit dem

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