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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

Suchen,“ sagte sie mit einem zweifelnden Blick, in welchem doch wohl zu lesen war, wie sehr sie geneigt war, die Schmeichelei zu glauben.

„Auf Ehr’ und Seligkeit …“ erwiderte der Bursche und schlang ihr den Arm um die volle Hüfte. „Wie hätt’ ich Dich vergessen können! Weißt es noch, wie fidel wir gewesen sind, selbiges Mal, wie Du beim Bärenwirth gewesen bist, in Kopfstein? … was meinst, könntest mir heut’ Abend nit wieder auf ein Stünd’l die Thür zu Deiner Kammer offen lassen?“

„Oho,“ entgegnete Susi leichtfertig, „das geht nit so geschwind und seit wir abgebrannt sind, hat’s auf dem Feichtenhof mit der eignen Kammer schon von vornherein aufgehört … die Tochter, die Christel selber muß mit mir zusammenschlafen da droben in der Dachkammer!“

„Das schadet ihr auch nicht,“ rief Domini, indem er mit ein paar Sätzen die Treppe hinaufeilte und in die Kammer hineinsah, „das ist ganz recht für die hochmüthige Person! Aber Du,“ fuhr er, zu Susi zurückkehrend, fort, „Du solltest nit da bleiben, Susi … für Dich wüßt’ ich ganz ein anderes Leben, wenn Du mit mir gehn wolltest! Die grobe Bauernarbeit ist nichts für Dich und wenn jetzt das Bauen kommt, wird die Schererei erst recht angehn! Geh’ mit mir, Madel – wir gehn in meine Heimath, da wird Geld geholt, dann eine flotte Wirthschaft gekauft und frisch weg geheirath’!“

„Ja, wenn man Dir trauen dürft’,“ sagte Susi schwankend, „Du hast mir selbiges Mal auch das Maul gemacht mit dem Heirathen …“

„Wenn’s aber damals nit schon wahr gewesen wär’, thät’ ich’s jetzt nit wieder sagen!“ schmeichelte er. „Also kannst mir wohl glauben – darum komm’, Susi; geh’ mit mir … heut’ noch … jetzt gleich, auf der Stell’ geh' mit!“

„Freilich, zu tragen hätt’ ich nit schwer, weil doch Alles verbrunnen ist – aber ich kann doch nit so mir nichts davon gehn aus dem Dienst …“

„Heut’ noch mußt mit mir gehn,“ drängte Domini, „an dem will ich’s erkennen, ob Du gern was thun willst, mir zu Lieb’; ich will’s schon einrichten, daß Du fortkannst. Hast Du kein Bas’l oder sonst ein Gefreund’tes in der Näh’ …“

„Niemand,“ sagte sie nachsinnend, „die Buchstallerin von Buch ist die Firm-Godl von meiner Schwester, aber das ist wohl gar zu weitschichtig …“

„O, das langt weit aus,“ rief Domini lachend, „ich geh’ jetzt fort und in einer Stund’ schick’ ich Dir durch einen Buben einen Zettel, als wenn die Buchstallerin auf dem Tod liegen thät und ließ Dich zu ihr bitten. … Sie werden Dich nachher nit aufhalten und Du gehst und im Wirthshaus am Fall da wart’st auf mich, es kann aber wohl ein bissel spät werden, bis ich komm’! Morgen schicken wir dann Botschaft herauf, daß Du nimmer kommst, und reisen miteinander in’s Tirol hinein. … Willst, Madel? Ja oder Nein …“

„Ja …“ sagte die leichtsinnige Dirne und wehrte den Abschiedsliebkosungen des Burschen nicht, der flüchtigen Fußes durch die Hinterthür enteilte.

Indessen war der Beamte schon in voller Thätigkeit, mit dem Eifer eines Kunstverständigen, dem im Bereiche seiner Liebhaberei ein besonders merkwürdiger Fall aufgestoßen, die Brandstätte und die gesammte Oertlichkeit mit einer Genauigkeit zu beschreiben, als ob es gelte, ein Gemälde oder ein Karte davon zu entwerfen. Der Hauptpunkt, auf welchen es dabei ankam, war die Feststellung des Ortes, wo das Feuer begonnen, weil sich hieran die Beantwortung der weitern Frage über die Entstehung knüpfte. Die Aussagen der Dienstboten, die zur entscheidenden Zeit allein auf dem Hofe gewesen, gingen übereinstimmend dahin, daß vorher nicht das mindeste Auffallende oder Verdächtige wahrnehmbar gewesen und daß plötzlich Haus und Scheune in der rechten Ecke, wo sie aneinander stießen, gleichzeitig und wie mit Einem Schlage in Flammen dagestanden seien. An dieser Stelle hatte unter der in den oberen Stock führenden hölzernen Stiege eine Thür aus dem Wohngebäude in die Scheune geführt, welche noch reichlich mit Futtervorräthen angefüllt war. Unter der Treppe selbst war gespaltenes Brennholz aufgeschichtet gewesen; unmittelbar darüber hatte sich das Prunkgemach des Hauses, die sogenannte gute Stube und in dieser der Schrank befunden, der dem Feichtenbauer zur Aufbewahrung seiner Hausbriefe und Werthpapiere, so wie des Geldes und sonstigen werthvollen Besitzes diente. Unter der Treppe, zwischen dem Scheitholz und der Scheunenthür war der Kasten des Händlers gestanden. Jetzt lag Alles unter dem Schutt des oberen Gemäuers und der durchgeschlagenen Wölbung wüst und wirr durcheinander, und obwohl der Assessor da, wo der Schrank des Feichtenbauers im oberen Stockwerk gestanden, Alles wegräumen ließ und auf’s Genaueste durchsuchte, war außer einigen kaum kenntlichen Holzresten nirgends auch nur die geringste Spur des Geldes zu entdecken, das doch mindestens als geschmolzenes Silber vorhanden und der völligen Zerstörung entgangen sein mußte.

Daß das Feuer nicht zufällig oder fahrlässig entstanden, war die allgemeine Ueberzeugung, es lag absichtliche Brandstiftung vor, und damit erhob sich die weitere Frage nach dem Thäter und zur Ermittelung desselben nach den Personen, die im Hofe gewesen oder in die Nähe gekommen.

Es waren nur Zwei: der hausirende Leinwandhändler, gegen welchen aller Verdacht wegfiel, da er selbst schlimm genug in das Unglück mit hineingezogen worden, und Wendel, der gekommen war, seine Kleider zu holen. Susi war es hauptsächlich, die darüber Auskunft zu geben vermochte; sie erzählte, es sei ihr aufgefallen, daß der letztere ohne Fuhrwerk, so ganz allein heimgekommen sei und völlig verwirrt darein geschaut habe – er sei brennroth gewesen im ganzen Gesicht und habe ihr auf die Frage, was denn das Alles bedeute, gar keine Antwort gegeben und sei in die Knechtkammer am Stall gegangen. Wie er wieder herausgekommen, habe er einen Pack in der Hand gehabt, sei mitten im Hofe stehn geblieben und habe sich lang das Haus angeschaut, ohne daß sie etwas Besonderes daran hätte gewahren können. … Dann hatte er ihr von freien Stücken zugerufen, der Bauer habe ihm Feierabend gegeben, er gehe Holzkirchen zu, denn er wolle nach München und sehen, ob er nicht dort einen Platz bekommen könne. … Dann war er eiligen Schrittes davongegangen, ohne auch nur noch ein einziges Mal umzusehn – das war am frühen Nachmittage, zur Zeit des Dreibrods gewesen; das Gewitter sei schon am Himmel gestanden und bald darauf losgebrochen. …

Die Frage des Beamten an den Feichtenbauer, ob er gegen irgend jemand einen bestimmten Verdacht habe, verneinte derselbe; Christel stand gegenüber und hielt ihr Auge fest auf ihn gerichtet … unter seinem Banne vermochte er nicht, seinen innersten Gedanken Worte zu geben.

Der Einzige, der bei der Gerichtshandlung etwas gewonnen hatte, war der Leinwandhändler; beim Wegräumen des Schuttes und der Kohlen war zwar nicht sein Kasten aufgefunden worden, wohl aber ein Theil des Inhalts, Stoffe und Zeuge, die in einen Lederumschlag eingehüllt gewesen, der dem Feuer längeren Widerstand geboten hatte und dann durch einige Holzstücke geborgen worden war, welche sich darüber zu einem hohlen Raume verschoben hatten. Bis dahin hatte der Gleichmuth des Mannes Stand gehalten; als er die Reste seiner Habe vor sich sah, gewannen Schmerz und Rührung in ihm die Oberhand – er schämte sich der Thränen nicht mehr, die ihm über die Backen rollten, und sammelte die angebrannten werthlosen Stücke, die geschwärzten Ringe und zerschmolzenen Kettentrümmer mit einer Sorgfalt zusammen, als hinge davon das Wohl und Weh seines ganzen Lebens ab. Das versengte Lederstück diente ihm, die Sachen zusammenzupacken, und er wurde eben noch rechtzeitig damit fertig, um den Sitz, den ihm der menschenfreundliche Beamte in seinem Wagen anbot, einnehmen zu können – er begann es jetzt erst zu spüren, daß die Beine ihn auf der Fußwanderung nicht weit würden getragen haben.

Ueber Allem war der Abend herangekommen und die letzten von den Landleuten, die zu etwaiger Hülfe zurückgeblieben, begannen ebenfalls, sich auf den Heimweg zu machen, von Christel’s herzlichem Dank begleitet, die das traurige Amt für den Vater versah, der, von Anstrengung und Aufregung erschöpft, sich in das Zubauhaus zurückgezogen hatte.

Unter denen, welche gingen, war auch Susi mit dem ihr richtig zugekommenen Zettel über die Erkrankung ihrer Verwandten; Christel war gütig genug, ihrem Verlangen nichts in den Weg zu legen – sie sprach ihr Bedauern aus und trug ihr auf, die Base zu grüßen. „Wäre mir nicht Alles verbrannt,“ sagte sie, „würde ich Dir von der Lebensessenz mitgeben – die thut alten Leuten über die Maßen gut! Geh’ nur und komm’ bald wieder

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