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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

übergeführt, während auf Plätzen und Märkten, Bahnen und Heerstraßen fortan der Soldat herrschte.

Ganz anders, als ehedem, wo der Bote mit den Einberufungsordres gemüthlich zu Fuß ging, sah man diesmal die Boten unserer Gerichtsämter hoch zu Roß aus allen Thoren Leipzigs davon jagen. Und im selben Tempo, ohne Rast und dennoch ohne Hast, geschahen die Musterungen und Einstellungen.

Am Mittwoch (zwanzigsten Juli) machte der Roßplatz seinem Namen Ehre. Für Reiterei, Artillerie und Train hatten sich die nöthigen Pferde zur Musterung gestellt. Auch hier der neue Fortschritt: Gleichheit vor dem Gesetz wie Gleichheit vor der Gefahr. Früher war kriegsdienstfrei, wer’s bezahlen konnte, jetzt muß selbst das vornehmste, geliebteste Pferd sich neben den Ackergaul in Reih’ und Glied stellen, der betreßte Reitknecht und der blaukittelige Fuhrmann sitzen auf ihren Rossen nebeneinander. Und als ein solcher mit seinem dürren Gaul daherkam und von der Heiterkeit der bunten Volksmenge begrüßt wurde, genügte seine einzige Bemerkung: „Respect, meine Herren, der da ist ein Franzosenfresser!“ – um seinem Rößlein das beste Zeugniß auszustellen.

Am Donnerstag und Freitag trat endlich, nach all’ der freudigen Erregtheit, die dunkle Seite des Kriegs aus den stillen Winkeln des Hauses, wo sie bisher gejammert, heraus auf die Straße, hervor an die Sammelplätze. Wer an den Thoren der Stadt oder den Aussteigehallen unserer Bahnhöfe harrte, der konnte Bilder malen vom stillen, sich verkriechenden Weh bis zum laut austobenden Schmerz der Trennung. Saht Ihr das arme Weib mit ihren fünf kleinen Kindern? Sie wollte das geliebte Haupt des Mannes und Vaters nicht aus der Umschlingung lassen. „O Gott im Himmel, heute gehst Du fort und morgen haben wir keinen Bissen Brod mehr!“ Da ward geholfen, und nicht nur ihr allein. Denn nicht blos, daß der armen Frau manche schöne Gabe in die Hand floß, das Bessere kam aus einem Mannesmund, der allen anwesenden Landwehrmännern und verheiratheten Soldaten es zusicherte, daß ihre Lieben die sorgsamste Pflege aus freier bürgerlicher Dankespflicht finden würden. Bedenkt, wie wohl Das den Vaterherzen unterm Waffenrock thun mußte, und haltet Wort!

Wenn auch mit dem höchsten Entzücken, dennoch nicht ohne Zähneknirschen überschaut man die Schaaren, die Blüthe unserer Nation, die der Möglichkeit der Vernichtung entgegengeführt wird. Jeder Beruf ist hier vertreten, ob wir zum Schützenregiment auf dem Roßplatz oder zu den Jägerbataillonen am alten Theater, ob zu den Artillerieregimentern auf dem Fleischerplatz oder zu den Reiterregimentern auf dem Königsplatz eilen; überall die frischeste Mannes- und Jugendkraft, hier bei den Handwerker- und Proviantcolonnen, wie dort bei den Pionnier- und den Trainbataillonen. Und überall, wo die Cameraden bei einander stehen, zeugt Auge, Hand und Mund von der Heldenhaftigkeit, die nur in einem braven Herzen wurzelt. Da ist redliche Zuversicht in die eigene Kraft und feste Siegeshoffnung, da ist bei aller Kampflust Mannesernst und bewundernswürdiger Opfermuth!

Die schönsten Beispiele stehen uns vor Augen. Wer jubelt ihnen nicht zu? Auf dem Wege vom Königsplatz zum Petersthor sehe ich einen jungen Mann in voller Reiseausrüstung dahereilen. Ein Bekannter streckt ihm die Arme entgegen. „Was, Du, Du auch hier? Woher kommst denn Du?“

„Direct von England. Wo steht mein Bataillon?“

„Dort am Roßplatz.“

„Gottlob, ich komme noch zurecht!“

Und fort rennt er, direct von England, zu seinen Kampfgenossen. –

Und dort wieder ein Anderer, von seinen Freunden begrüßt, ein Leipziger Buchhändlerssohn. Aus der angenehmsten, glänzendsten Geschäftsstelle in Turin riß er sich los, ohne eine etwaige Einberufungsordre abzuwarten. – Ein Landmann im nahen Dorfe Lindenau, selbst einst sächsischer Soldat, hat vier Söhne zu den Fahnen geführt, und wahrlich, kein Spartaner, kein Römer konnte stolzer auf diese Ehre sein, wie dieser deutsche Mann!

Ein Leipziger Blatt (die „Deutsche Allgemeine Zeitung“) ruft „unseren ausrückenden Kriegern“ einen Gruß zu. Sie sagt unter Anderm: „Leider war es dem sächsischen Soldaten - seit jener Schlacht von Jena, wo er tapfer, aber unglücklich an der Seite preußischer Bundesgenossen für ein deutsches Interesse kämpfte - nicht mehr vergönnt, in einen großen vaterländischen Kampf zu ziehen, in welchem sein ganzes Herz mit der Sache hätte sein können, für die er focht. – Jetzt zum ersten Male steht er unter einer Fahne, der nicht blos sein soldatisches, sondern auch sein patriotisches Herz voll und ganz entgegenschlagen kann. Die erbetene Ehre, mit in erster Linie der großen einigen deutschen Armee zu fechten, ist ihm gewährt worden, und er wird diese Ehre zu verdienen wissen.“

Ja, nicht mehr „Norddeutsche Bundesarmee“, sondern „das deutsche Heer“ heißt officiell von nun an die Streitkraft des einigen Vaterlandes.

Und um die Erinnerung an das große Jahr Dreizehn vollständig zu machen, hat des Reiches Schirmherr auch „das eiserne Kreuz“ wieder als Tapferkeitszeichen erneut. Das alte hat keine sächsische Brust schmücken können, aus Ursachen traurigsten Andenkens; möge das neue eiserne Kreuz der Stolz vieler Sachsen zur Ehre Deutschlands werden!

Friedrich Hofmann. 




Die unschuldige Ursache. Wenn wir heute das Bild des Erbprinzen Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen in unserem Blatte bringen, so geschieht dies weniger darum, weil wir hoffen dürfen, unsere Leser mit demselben jetzt noch zu überraschen als vielmehr der Vollständigkeit wegen und um in unseren Berichten und Bildern aus der so reich bewegten Gegenwart das Portrait desjenigen nicht vermissen zu lassen, dessen Name als Vorwand und Ausgangspunkt zu einem verbrecherischen in seinen Folgen unberechenbaren Krieg benutzt und so für immer auf das Innigste mit der Geschichte unseres Vaterlandes verknüpft wurde. Die Geschichte, wie Prim dem Erbprinzen Leopold die Königskrone der spanischen Nation angeboten und wie der Prinz dieselbe abgelehnt hat, nachdem ihre Annahme von dem Corsen auf Frankreichs Thron als Kriegsfall erklärt worden, ist bekannt; ebenso bekannt ist, wie Napoleon trotzdem in eitler Lüge und Niedertracht den von ihm gewollten Krieg heraufzubeschwören verstand, und wie ihm das deutsche Volk mit dem einmüthigen Rufe antwortete: „Nach dem Rhein!“ Wir brauchen auf diese Ereignisse, in deren Mitte wir noch stehen, hier nicht näher einzugehen und wollen an dieser Stelle auch nicht untersuchen, warum die Spanier, nachdem sie doch der immer fruchtlosen Jagd auf einen Nachfolger Isabella’s schon längst müde sein könnten, sich nicht kurzweg zur Republik zu entschließen vermögen. Vielleicht aber hätte man ihnen zur Berufung des Erbprinzen Leopold wirklich Glück wünschen können. Denn derselbe ist, wie man versichert, von Haus aus nach humanen und freiheitlichen Gesinnungen erzogen. Geboren am 22. September 1835 gehört er der älteren Linie Hohenzollern an, deren an Würtemberg und Baden grenzende Besitzungen Hechingen und Sigmaringen bekanntlich 1849 von Preußen mediatisirt worden sind. Er liebte es von jeher, seine Zeit mit philosophischen und historischen Studien auszufüllen, und folgte dieser Neigung selbst während seiner militärischen Laufbahn, die er, nunmehr seit neun Jahren mit der Prinzessin Antonie von Portugal verheiratet, als Oberst à la suite des ersten preußischen Garderegiments beschloß. Daß seine Bereitwilligkeit, dem Rufe der spanischen Nation zu folgen, in Paris solche Aufregung verursachte, könnte fast befremden, da der Prinz durch seinen Großvater, der mit der Prinzessin Antoinette Murat verheiratet war, sowie durch seinen Vater, der mit einer Tochter der Prinzessin Stephanie von Beauharnais vermählt gewesen, mit dem französischen Hofe eng verwandt ist. Immerhin verdient die angesichts der auflodernden Kriegsfackel sofort von ihm gegebene Verzichtleistung volle Anerkennung, wenn es auch nicht gelang, dadurch das entsetzliche Unglück eines Krieges zu verhüten. Wir aber vertrauen den prahlerischen Reden, den Chassepots und der Kugelspritze der Franzosen gegenüber auf die Wahrheit der an diesem Orte und in dieser Einfachheit doppelt erhabenen Worte, die zu Leipzig auf dem „Napoleonstein“ zu lesen sind: „Der Herr ist der rechte Kriegsmann; Herr ist sein Name.“




Bevor wir die erste Quittung der bei uns für die Frauen und Kinder unserer unbemittelten Wehrleute eingegangenen Gaben veröffentlichen, geben wir, obgleich nach unserer Bekanntmachung in Nr. 45[WS 1], des vorigen Jahrgangs nicht mehr dazu verpflichtet, ausgesprochene Wünsche berücksichtigend, nachstehend einen Schlußbericht über die letzteingegangenen noch nicht speciell quittirten Beiträge

für die Hinterbliebenen der verunglückten Bergleute des Plauenschen Grundes.

Lehrer Müller für die Schule zu Heckelberg 1 Thlr. 8 Ngr. 5 Pf; aus Ottilienhof bei Papenheim in Ostpr. durch L. T. 1 Thlr. 18 Ngr.; Sammlung der Redaction der Peiner Zeitung in Stadt- u. Amtsbez. Peine 125 Thlr. 15 Ngr. 3 Pf; G. B. in Schleitheim (Ct. Schaffhausen) 2 Thlr. 21 Ngr.; ein Niederbayer 2 Thlr. 27 Ngr. 5 Pf; G. P. Lanz u. Co. in Genua 9 Thlr. 2 Ngr. mehrere Mitglieder des deutschen geselligen Vereins Eintracht in Pest-Ofen durch G. Nadler 157 Thlr. 24 Ngr. 5 Pf. (290 Fl. ö. W.); E. in Königsberg, Neum. 1 Thlr.; G. v. Gauger in Szelo Fjuschino 4 Thlr.; von Deutschen in Milwaukee 434 Thlr. 6 Ngr.; Ueberschuß der Humboldt-Feier in Columbus (Ohio) durch Dr. J. B. Schüller 40 Thlr.; F. S. in Paris 2 Thlr.; von einigen Deutschen in Tiflis durch F. B. Culitz in Leipzig 78 Thlr.; eingegangen bei der. Exped. des Gunzenhauser Anzeigeblattes 1 Thlr. 21 Ngr. 5 Pf.; Sammlung unter den Deutschen in Santa Fe, Neu-Mexico, durch D. Bernhard Koch 129 Thlr. 20 Ngr. (126 Doll. 50 Cent.); Sammlung in den Schulen zu Soltau durch Rector G. Meyer 11 Thlr.; Sammlung in Thorn durch Buchhändler E. Lambeck

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 46
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 511. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_511.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)