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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

Schiffe offen hält, wird er durch unterseeische Minen von solcher Construction sichern, daß er sie ganz nach Wunsch aus großer Entfernung und zu beliebiger Zeit springen lassen kann. Zu diesem Zwecke bedient man sich des elektrischen Funkens. Gut isolirte Leitungsdrähte, welche unbeschadet ihrer Eigenschaft lange unter Wasser liegen können, sind hierzu unbedingt nothwendig.

Von größter Wichtigkeit ist es, die Lage jedes einzelnen dieser Torpedos genau zu kennen, um den günstigen Augenblick zur Sprengung nicht zu verfehlen. Man hat Stäbe in langer Reihe eingeschlagen und mit ihren Enden so auf den bezüglichen Punkt eingestellt, daß man über sie hin visiren konnte; diese Methode erwies sich aber nicht sicher genug. Eine sinnreiche Benutzung der Camera obscura versprach größere Genauigkeit. Die Stellen, wo Torpedos ruhten, wurden am Lande auf dem in der Camera obscura sichtbaren Miniaturbilde des Hafens markirt, und sobald ein feindliches Fahrzeug einen dieser Punkte deckte, schloß man die betreffende Leitung und zertrümmerte es. Maury, der berühmte Pfadfinder des Meeres, wandte eine dritte nicht weniger genaue Methode an; er stellte an verschiedenen Orten Beobachtungsposten auf, deren Fernrohrvisirungen sich auf den Ankerplätzen seiner Torpedos kreuzten.

Während der Nacht suchte man durch elektrisches Licht oder brennende Holzstöße und Theerfässer die nöthige Beleuchtung zu erlangen, bei Nebel aber war auch diese nicht ausreichend. Ueberdies ereignete es sich verschiedene Male, daß derartige unterseeische Minen während eines Gewitters durch den Blitz entzündet wurden. Um diesen Uebelständen abzuhelfen, ersann der Erfinder der elektrischen Zündung für Torpedos, der österreichische Ingenieur-Officier Baron Ebner, eine Verbesserung, welche seiner Erfindung fast die Unfehlbarkeit errang. Er verband die selbstthätige und die elektrische Zündung auf eine solche Weise, daß sie getrennt niemals, vereint aber stets die Explosion bewirkten. So ist selbst der Blitz jetzt dem Torpedo ungefährlich, wenn nicht gleichzeitig ein schwerer Körper gegen letzteren stößt, und wiederum kann ein Schiff dreist gegen ihn laufen, so lange am Lande die Kette nicht geschlossen ist.

Torpedos dieser Art sind im Innern mit einer complicirten Maschinerie versehen, deren verständliche Beschreibung hier zu weit führen würde. Sie gewährt auch noch den Vortheil, daß die verschiedenen Beobachter in Stand gesetzt sind, durch den Torpedo selbst auf telegraphischem Wege miteinander zu verkehren, ohne eine unzeitige Explosion befürchten zu müssen. Nähert sich aber ein Feind der Mine, so schließt man auf jedem Posten die Leitung; berührt jener dann das Hebelwerk, so ist er verloren. In jedem gut vertheidigten Hafen ist jetzt der ungesperrte Theil des Einganges durch diese Art Torpedos geschützt und zwar so, daß dieselben in mehreren Reihen hintereinander in Entfernungen von fünfzig bis hundert Fuß schachbretartig verankert werden. So besitzt man eine wahrhaft furchtbare unterseeische Batterie. Gleitet der Freund über sie hinweg, so läßt man sämmtliche Leitungen offen und die Ungeheuer sind harmlos; versucht aber der Feind zu folgen, so werden die Ketten geschlossen und er findet sein Verderben.

Außer den obenbeschriebenen festliegenden giebt es auch noch bewegliche Torpedos. Man läßt sie entweder mit der Strömung treiben, oder befestigt sie an kleinen Booten, welche, durch Menschen- oder Maschinenkraft getrieben, den feindlichen Fahrzeugen sich nähern. Diesen wird dann der an der Spitze eines langen beweglichen Mastes befindliche Torpedo unter den Bauch geschoben; er ist natürlich selbstthätig und explodirt bei der Berührung. Die Dunkelheit und Mangel an Wachsamkeit von Seiten des Gegners begünstigen einen solchen Angriff, doch ist die Sprengung zuweilen auch für die im Boote befindlichen Männer verderblich. Während des amerikanischen Bürgerkrieges wurden solche kühne Unternehmungen mehrmals mit glücklichstem Erfolge ausgeführt.

Ein Torpedo vermag nicht nur das stärkste Panzerfahrzeug schwer zu beschädigen und zum Sinken zu bringen, sondern er zertrümmert es zuweilen so vollständig, daß Theile desselben – in einem Falle sogar das losgerissene Mittelschiff nebst der kolossalen Maschinerie – hoch über Wasser geschleudert werden und die ganze Mannschaft ihren Tod findet. Die Wirkung nach der Seite erstreckt sich nicht über einen Radius von zwanzig bis dreißig Fuß; nach oben ist sie aber um so kräftiger. Es ist dies natürlich. Das Wasser selbst bildet im Augenblick der Explosion gewissermaßen ein Geschützrohr mit einem der Sprengladung entsprechenden Kaliber, denn nach unten und seitwärts finden die sich im Nu entwickelnden Gase den meisten Widerstand, treiben also die auf ihnen ruhende Flüssigkeit nach oben hinaus.

Derartige Sprengversuche gewähren ein prächtiges Schauspiel. Mit Donnergetöse, oft auch nur mit einem einzigen dumpfen Schlage, steigt eine Wassersäule von zwanzig bis fünfzig Fuß Durchmesser weit über hundert Fuß Höhe empor, steht einen Augenblick hoch aufgerichtet in ihrer ganzen Majestät und stürzt dann, wie ein Niagara Alles zermalmend, zurück.

Hieraus läßt sich ermessen, ein wie furchtbarer Feind der Torpedo selbst für das mächtigste Panzerschiff ist. Und so groß ist schon seine moralische Wirkung, daß der Angreifer schwerlich Muth genug besitzt, den Eingang in einen mit unterseeischen Minen vertheidigten Hafen zu erzwingen. Dem schwersten Geschützfeuer würde er kühn die Stirn bieten, aber der verborgen lauernden Gefahr gegenüber ist selbst der Seemann furchtsam.

Zu diesen gewissermaßen abwartenden und auch auf bestimmte Orte beschränkten Vertheidigungsmitteln gesellt sich noch ein sehr wichtiges actives, die eigene Seemacht. Im Hafen wird sie bei einem stattfindenden Angriffe nicht nur so manövriren, daß sie die Strandbatterien auf das Wirksamste unterstützt, sondern sie wird auch, wie schon früher angedeutet, dem Feinde auf die hohe See entgegengehen und ihn von den Küsten abzuhalten suchen.

Ist nun auch die französische Panzerflotte bedeutend zahlreicher als die unsrige, so besteht sie doch nur zum Theil aus Fahrzeugen, welche seefähig sind und in unseren Gewässern wirklich kreuzen können. Um die Blokade wirksam aufrecht zu erhalten, müssen sie sich auf verschiedene Strecken vertheilen und so mehrere Geschwader bilden. Das zahlreichste derselben und aus den stärksten Fahrzeugen bestehend wird sich natürlich da aufhalten, wo entweder der Angriff auf einen Kriegshafen beabsichtigt wird, oder wo man unsere Panzerschiffe in Schach halten will.

Die feindliche Flotte kreuzt nun aber an unseren Küsten unter immerhin schwierigen Verhältnissen. Jederzeit muß sie eines überraschenden Angriffs unserer Seemacht gewärtig sein; sie ist den berüchtigten Stürmen unserer Meere ausgesetzt und Zufluchtshäfen, in denen sie sich dauernd aufhalten und beliebig ausrüsten kann, findet sie in den von neutralen Ländern umschlossenen Gewässern nicht, sondern nur in Frankreich. Kriegsdampfer aber müssen sich nach je zehn bis zwölf Tagen – einige früher, andere später mit Kohlen versehen, deren Zufuhr keine Kleinigkeit und doch eine Lebensfrage ist.

Das noble England befreit Frankreich von dieser Sorge und liefert dem Feinde vor unseren Häfen jetzt die nöthigen Kohlen – in diesem Falle ein nothwendiges Kriegsmaterial – und obgleich neutral, unterstützt es doch die eine Partei zum Schaden der andern. Noch schwebt die berüchtigte Alabamafrage, dieser Rostfleck auf Albion’s Ehrenschild, und schon läßt es sich auf ein anderes Geschäft ein. Führten wir dem unsere Küsten bedrohenden Feinde unsere eigenen Kohlen zu, wir könnten uns nicht ärger schädigen, als England es thut.

Aber noch weht die deutsche Flagge von der Gaffel unserer Kriegsschiffe, und sie wird auch mit Hülfe englischer Kohlen nicht besiegt werden. Unsere Seemacht ist noch jung, aber schon gewaltig; Englands Eifersucht ist ein vortreffliches Zeugniß für sie. In diesem Kriege wird sie ihre Feuertaufe empfangen, denn sie wird von Männern geführt, welche nicht geschaffen sind, eine passive Rolle zu spielen. Und deutsche Seeleute werden selbst die Uebermacht nicht scheuen, wenn es gilt, auf dem deutschen Meere die ersten Lorbeern zu erringen.

Unsere Geschütze sind in jeder Beziehung den feindlichen überlegen, Frankreichs „Eisenwällen“ aber werden die Leistungen des Krupp’schen Gußstahls mustergültig in ihre Panzerplatten eingegraben werden. Der „König Wilhelm“ dagegen ist für französische Geschosse nahezu unverwundbar. Seine überlegene Geschwindigkeit, seine furchtbare Armirung – wie sie kein zweites Schiff der Welt besitzt – wird sich auch den meistberufenen französischen Panzerschiffen gegenüber glänzend bewähren.

So sind Deutschlands Küsten hinreichend geschützt, und König Wilhelm wird nicht nur an dem deutsche Flusse, sondern auch auf dem deutsche Meere ein Schrecken der Feinde sein.



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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 538. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_538.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)