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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


Das böse Haus.
Historische Erinnerungen von Georg Hiltl.


Der Schreiber dieser Zeilen hat oftmals Gelegenheit und Veranlassung gehabt, sich mit der Geschichte von Paris und dessen Umgebungen zu beschäftigen; manche Aufzeichnungen sind in seinem Besitze. Malmaison der Lust- und Leidensort der Kaiserin Josephine, war ihm von allen Orten, welche die Riesenstadt umgeben, der liebste, der anziehendste. Warum? – weil inmitten der Pracht, des Luxus, den Versailles, St. Cloud, St. Germain etc. aufweisen oder aufgewiesen haben, das stille und reizende, geschmackvoll heimische Malmaison doppelten Werth erhält. Die Ueberladung und der Pomp vermochten nicht die wohlthuende Stimmung zu erzeugen, welche des Beschauers der Räume von Malmaison sich bemeisterte. Es war so natürlich, so selbstverständlich, daß dereinst große und mächtige Gestalten, edle und liebenswerthe Persönlichkeiten hier sich eine Stätte bereitet hatten, wo sie ruhen, genießen, endlich weinen konnten.

Und dieses Malmaison, diese berühmte Stätte so schöner, strahlender und zugleich so schmerzlich wehmüthiger Erinnerungen, ist nicht mehr. Was die Revolution, was der Sieger von 1815 schonte, das zerstörten die Machthaber von Paris im Jahre 1870 durch ihre plumpen Geschosse; in ohnmächtiger Wuth zertrümmerten sie das Eigenthum Frankreichs, zu dessen besten und interessantesten Kleinodien Malmaison gehörte. Französische Geschosse haben die Mauern zerstört und französische Kugeln sausten durch die Gänge des Parks, in denen einst die Personen lustwandelten, heiter und ernst plauderten, auf welche der Franzose so stolz war. Die Macht, die Gewalt, die Liebenswürdigkeit und die Grazie hatten ihre Erinnerungen in Malmaison hinterlassen; die Schatten der Gefeierten schienen durch diese Räume und Gärten zu schweben; die platzenden Granaten haben sie wohl verscheucht. Malmaison ist ein von den Söhnen Frankreichs verstümmeltes Glied geworden und die Kugellöcher starren gleich drohenden Augen hinein in diese Verwüstung.

Husaren und Franctireurs in Rimogue.
Nach einer Skizze des Freiwilligen Knackfuß im Husaren-Regiment Nr. 15.


Malmaison hat eine Geschichte, welche sich bis in die Nebelregionen der Sage verliert. Gewöhnlich gilt der Ort als eine Stätte, die bei den räuberischen Einfällen der Normannen zur Bergung des entwendeten Gutes diente. Es ist richtig, daß eine Anzahl von Orten in der Nähe der Seine jene Silbe „Mal“ ihrem eigentlichen Namen vorgesetzt haben, und daß daher wohl auf trübe Erinnerungen geschlossen werden darf, die an solche Zusätze sich knüpfen. So bezeichnet auch der Name Malmaison (von mala mansio stammend) einen schlimmen Ort. Bestimmtes verlautet darüber Nichts, und die Verantwortung dafür müssen wir den Herren Delort, Saint Fargeau und dem gelehrten Historiker von Rueil, einem Abbé, überlassen, der für gegenwärtige Zeiten so unglücklich ist, einen Namen zu führen, welcher wie mala mansio an trübe Momente erinnert: jener Gelehrte heißt nämlich Leboeuf. Alle die Genannten haben weitläufige Abhandlungen über den Ursprung des Namens Malmaison geschrieben, ohne etwas Anderes als scharfsinnige Kritiken zu geben.

Vielleicht ist dem Leser aber auch eine andere Sage nicht unwillkommen, nach welcher der Name durchaus viel jüngeren Ursprungs sein soll. In einer finstern Nacht des Jahres 1631 trafen sich in der Nähe des heutigen Malmaison in dem kleinen räucherigen Wirthshause an der Seine zwei Männer am gastlichen Heerde. Einer von ihnen war ein schöner, lebenslustig dreinschauender Cavalier, der Andere ein Mann in gereiftem Alter mit finsteren, unheimlichen Zügen, dessen dunkle Kleidung ganz zu den buschigen Augenbrauen paßte, welche der finstere Gast fortwährend runzelte. Jugend und Lebensmuth fragen aber meist nicht nach solchen Erscheinungen, und so kam es denn, daß der junge Cavalier bald mit dem Griesgrämigen Bekanntschaft machte. Der Wein öffnete Mund und Herz, und der Finstere hatte schnell genug erfahren, daß sein junger Tischgenosse ein Edelmann aus La Rochelle und auf Ladung des Ehrengerichtes nach Paris berufen sei, um sich wegen eines scharfen Pamphletes gegen den Cardinal Richelieu zu verantworten. Der junge Cavalier galt als Verfasser, obwohl er das auf’s Bestimmteste leugnete. Die Jugend und Schönheit des Bedrohten hatten auf den Finstern sichtlich Eindruck gemacht. Er ward unruhig und konnte kaum das Ende der Mahlzeit erwarten. Er winkte dem Cavalier, schritt mit ihm hinaus und blieb auf einem kleinen Hügel stehen.

„Sehen Sie dort das Schloß?“ fragte er.

„Gewiß,“ entgegnete der Cavalier. „Es ist ein Haus, welches der böse Mann bewohnt.“

Unter diesem Titel verstand man den Cardinal Richelieu, der auch „Blutige“ oder „Rothe Eminenz“ genannt wurde. Jenes Haus war das heutige Schloß.

„Gut also,“ fuhr der Finstere fort. „Wissen Sie, wen Sie vor sich haben?“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_132.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)