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Vorurtheile; am 9. März 1796 wurde die Civilehe vollzogen. Man verdachte Josephine in gewissen Kreisen sehr diese Heirath und nannte sie spottweise die „ci-devant vicomtesse“, eine stolze Marquise verschmähte sogar auf einem Ball den Stuhl neben ihr, weil sie „ihr Unglück verhandelt habe“, und konnte ihr nicht verzeihen, daß sie ihren ersten guillotinirten Ehemann aus reinstem Adelsblute nicht wie eine römische Kaiserin lebenslänglich betrauert hatte. Für Napoleon aber wurde seine Verbindung mit der anmuthigen Frau ein mächtiger Hebel seines Glückes; ihre Geschicklichkeit und Menschenkenntniß ebneten dem kühnen Emporkömmling seine Wege; er wäre schwerlich erster Consul geworden ohne ihre Hülfe; sie wurde seiner Größe unentbehrlich, da in Frankreich stets die Intrigue das Verdienst unterstützen muß; dabei war sie das Muster einer treuen Gattin, einer zärtlichen, sich aufopfernden Freundin.

Es giebt fast keine schöne weibliche Eigenschaft, die Josephine nicht besessen hätte; ihre Liebenswürdigkeit ist berühmt geworden; sie sagte Niemandem etwas Unangenehmes, sie erpreßte Keinem Thränen. Sie milderte die Härten ihres Mannes, sie erwirkte Amnestie für die Verbannten und Verurtheilten und gewann ihm aus Feinden Freunde. Für Literatur und Kunst besaß sie Liebe und Verständniß und einen lebhaften Sinn für alles Schöne. Namentlich war sie eine große Blumenfreundin; sie verpflanzte die erste Camelia aus ihrer Antillenheimath nach Europa und bürgerte zugleich auch jenen eigenthümlich poetischen Zaubervogel, den schwarzen Schwan, bei uns ein.

Die Briefe, welche der General Bonaparte an die Neuvermählte aus Italien schrieb, athmen die größte Leidenschaft:

„Weib! Traum, Qual, Glück meiner Seele, Deine Briefe waren kalt, sie haben nicht den Pulsschlag der Seele. Alles liebst Du mehr als mich, Du versäumst meinetwegen nicht die erste Aufführung eines neuen Stückes im Theater, sagst kein Diner bei Barras ab, um an mich zu schreiben. Mir, dem Ehemanne, zollst Du nur so ein Bischen Achtung, ein Tröpflein der holden Liebenswürdigkeit, von der Dein Herz überströmt … ich beneide Fortuné (der Lieblingskater), ja Fortuné um Deine Liebkosungen …“ Einmal sandte er ihr vom Kriegsschauplatz die hübschen anerkennenden Worte: „Während ich Schlachten gewinne, gewinnst Du mir daheim die Herzen!“

Diese Liebe hatte aber die Schattenseite der heftigsten Eifersucht. Bonaparte bestellte seiner Frau Sittenwächter in der Person seiner Adjutanten und Secretaire, selbst ihren Kutscher und ihre Bedienten ernannte er zu ihren Aufpassern. Das Uebermaß der Liebe führte ihn mehrmals nahe zu demselben Schritt, den er zwölf Jahre später unter dem Einfluß des entgegengesetzten Gefühls wirklich that, er drohte mehrere Male mit Ehescheidung. „Ich will die Bande von Lockenköpfen und blonden Gecken, die Dir schmeichelt, vernichten, ja ich will einen Eclat, einen öffentlichen Bruch, eine gerichtliche Scheidung!“ schreibt der eifersüchtige Napoleon. Einmal ließ er sämmtliche Sachen seiner Frau in die Portiersloge setzen und ihr selbst den Eintritt in sein Cabinet durch die Domestiken verwehren, und er gab nur sehr zögernd den Bitten und Flehen seiner Stiefkinder Eugène und Hortense von Beauharnais nach, die weinende, geängstigte Josephine wieder in seine Arme zu nehmen. Als Friedenspfand schenkte er ihr nach einer solchen Scene den ersten türkischen Shawl, der überhaupt nach Europa kam. Er gefiel Josephinen so, daß sie sich im Laufe ihres Daseins nicht weniger als hundertfünfzig Stück derselben anschaffte.

Aber auch mit seinem Geize quälte Napoleon die arme Josephine. Sie verstand es meisterhaft, sich gut zu kleiden und mit gebührendem Prunk und Glanz ihre Rolle als Kaiserin zu spielen, aber sie brauchte natürlicher Weise dazu sehr viel Geld. Der stolze reiche Kaiser schalt und tobte ärger über ihre hohen Putzmacherinnenrechnungen, als ein armer Bourgeois, der fürchten muß, durch seine verschwenderische Frau ruinirt zu werden. Dennoch gab er ihr bei Hoffesten den ausdrücklichen Befehl, „durch ihre Schönheit und die Pracht ihrer Toilette zu blenden! Gefiel ihm ihr Kleid nicht, so goß der Barbar sein Tintenfaß darüber aus. Ihre Lieferanten sperrte er in’s Gefängniß, anstatt sie zu bezahlen, bei Gelegenheit seiner Weigerung, eine Rechnung von einem Monat für dreihundert Hüte zu berichtigen, zerschlug er in der Aufwallung eine kostbare Vase und ein prachtvolles Kaffeeservice, die zusammen etwa den Werth der fraglichen Summe repräsentirten. Besonders warf Napoleon Josephinen ihre Verschwendung bei der Restauration Malmaisons vor, dieses Schlosses, das einst in seinen Mauern sein schönstes häusliches Glück schützte, dann Zeuge des rührendsten Napoleonscultus der geschiedenen Frau war und jetzt von französischen Kanonen zerstört worden ist. Die Wände Malmaisons waren mit Gobelintapeten, von Josephinens eigener Hand gestickt, bekleidet, im Treibhause zog sie in tausendfältigen Exemplaren die Bonapartea speciosa, eine südamerikanische Prachtpflanze, vom Botaniker Palisot dem Kaiser zu Ehren so genannt. Das Arbeitscabinet Napoleon’s durfte nie ein Fremder betreten, sie selbst reinigte die getragenen Kleidungsstücke, die dort auf Stühlen ausgebreitet waren, vom Staube, ihre Reliquien nannte sie dieselben. Auf dem Schreibtisch lag ein historisches Werk, an der Stelle gezeichnet, wo er aufgehört hatte zu lesen. Wunderbarer Weise brachte Napoleon nach der Schlacht von Waterloo vier Tage, vielleicht die bittersten seines Lebens, in Malmaison zu. Von dort begab er sich nach Rochefort, um sich den Engländern auszuliefern. Was mag er empfunden haben in diesen Räumen, denen noch die der Fußspur der einst geliebten Frau aufgedrückt war, in denen noch ihr Seufzer wehte? Diese Frau, die sein guter Engel gewesen, der seine Grausamkeit die Todeswunde gegeben und die dennoch sein Unglück nicht überleben konnte!

Das erste Scheltwort zwischen Ehegatten ist fast immer das erste Körnlein einer ganzen Lawine von Schmerz und Zank. Bald schalt Napoleon nicht nur über Josephinens Verschwendung, sondern über alle anderen unangenehmen Vorkommnisse, sogar über die Ungunst des Wetters. Er ließ sie seine Launen fühlen; das Gewaltsame in seiner Liebe löste sich in den crassesten Despotismus und Egoismus auf. In empörender Weise zwang er sie auf Kosten ihrer Freiheit und Gesundheit zum Dienste der Etiquette; selbst als er sich bereits ernstlich mit Scheidungsgedanken trug, spannte er alle ihre Kräfte für huldvolle Einwirkung und glänzende Repräsentation in seinem Interesse an. So riß er einst die fieberkranke Kaiserin am Arm aus dem Bette, zwang sie Toilette zu machen und in vollem Glanz auf einem Balle zu erscheinen. In Folge dieser Barbarei bekam Josephine eine bösartige Hautkrankheit.

Die Scheidung Napoleon’s von seiner Frau bleibt ein schwarzer Fleck in seinem Leben, von welcher Seite sie auch beleuchtet werde; sie war eine schlechte und eine unnütze Handlung. Als im Cabinetsrath die Lösung der Ehe beschlossen war, verkündete der Kaiser selbst der unglücklichen Josephine das Schreckenswort. Er speiste noch einmal mit ihr zusammen, nach beendeter Mahlzeit erfolgte die peinlichste Scene. Sie erzählt dieselbe folgendermaßen:

„Nach dem Kaffee schickte Bonaparte die Diener fort, ich blieb mit ihm allein. Gott, welchen Blick hatte er! er zitterte am ganzen Körper, mich schüttelte der Schauder bis in’s Herz. Er nahm meine Hand, legte sie auf seine Brust und nun sprach er die Worte: ‚Meine Josephine! Du weißt, wie sehr ich Dich geliebt habe. Dir allein, Dir verdanke ich das Glück meines Lebens, aber meine Bestimmung ist größer als mein Wille. Zu Gunsten Frankreichs entsage ich meiner liebsten Neigung! …‘ ‚Nicht weiter!‘ hatte ich die Kraft zu rufen, ich wußte dies, ich erwartete dies, dennoch war der Schlag tödtlich! … plötzlich hatte ich das Gefühl, ich müßte wahnsinnig vor Schmerz werden, die Dinge drehten sich um mich, ich stürzte ohnmächtig zu Boden.“

Die übrigen Präliminarien zur Scheidung ließ der Kaiser durch Mittelspersonen vollbringen, er war zu feige, persönlich weiter mit seinem Opferlamm zu verhandeln. Nach der Scheidung jedoch suchte er ein friedliches Freundschaftsverhältniß mit Josephinen sich zu erhalten. Er schrieb Briefe voll zarter Rücksicht an sie, besuchte sie zuweilen und schickte ihr sogar seinen Sohn, den König von Rom. Nach seinem Sturze, als neben dem Unglück sich ihm auch der schwärzeste Undank nahte, äußerte sich bei ihm wirkliche rührende Sehnsucht nach der treuen Freundin, es rächte sich die begangene Grausamkeit durch die Einsamkeit seines Herzens. „Ich suchte den Tod in mehreren Schlachten, er würde mir heute eine Wohlthat sein, aber einmal, einmal möchte ich noch Josephine wiedersehen!“ so lauten die Schlußworte des letzten Briefes, den sie von ihm empfing.

Nachdem Napoleon von der Großfürstin Anna von Rußland, Kaiser Alexander’s jüngster Schwester, einen Korb erhalten, heirathete er am 2. April 1810 Maria Louise von Oesterreich. Würde ihm auch die Hand dieser Erzherzogin versagt worden sein, so hätte er,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1871, Seite 233. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_233.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)