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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)

die Cernirung, Beschießung und förmliche Belagerung von Belfort eine der ehrenvollsten Stellen einnehmen; und ein besonderes Gewicht wird man darauf legen, daß es gerade Landwehr war, welcher diese schwere Aufgabe zufiel: der in Stettin formirten ersten Landwehrdivision unter dem General von Treskow. Die Cernirung begann, nachdem die Umgegend von Franctireurs gesäubert war, am dritten November. Zwanzig Tage später war der Cernirungsgürtel schon so eng um die Festung geschlossen, daß der Bau der Batterien und die Aushebung der Tranchéen für die Deckungstruppen beginnen und damit die zweite Periode der Belagerung, die Beschießung des Platzes, beginnen konnte. In dieser Zeit waren bereits drei starke Ausfälle der Besatzung glücklich zurückgeschlagen worden. Man begann mit der Beschießung am dritten December, aber ohne daß man damit vorwärts kam; man mußte sich erst zweier verschanzter Bergkuppen, Haute-Perche und Basse-Perche, bemächtigen, um sich dadurch der Citadelle (oder dem Schloß, dem mittelsten Hauptgegenstande unserer Abbildung) bis auf achtzehnhundert Schritte zu nähern. Dahin gelangte man, nach sehr harten und blutigen Kämpfen erst, nachdem die Lunette Nr. 18 völlig zerstört, die Eröffnung der Laufgräben gegen die beiden Perches, die zum Theil in Felsen gesprengt werden mußten, gelungen und ein erster Angriff (am 26. Januar) vergeblich gemacht worden war, am 8. Februar. Von diesem Augenblick an dehnte die Beschießung sich auch auf das Schloß aus, welches achtzig Fuß über die Stadt sich erhebt, und schon dadurch starke Widerstandskraft zu äußern vermochte.

Die Besatzung hielt sich in der Festung so tapfer, wie die vom Präfecten Grosseau angefeuerte Bürgerschaft in der Stadt. Da jedoch mit dem Schloß auch die Stadtenceinte und das große neue Fort Des Barres, auf dem rechten Ufer des Savoureuse-Flusses, den unsere Abbildung zeigt, im Bereiche unserer Batterien lag, so war die Uebergabe ohne Sturm so gut wie sicher. Gleichwohl drängte der deutsche General und drohte, beide Perches in die Luft zu sprengen, wenn die Stadt nicht bis zum Fünfzehnten sich unterwerfe. Schon am 11. Februar erschien vor dem General von Treskow der Maire Grosjean mit Capitulationsanträgen. Blattern und Typhus wütheten in der unglücklichen Bevölkerung. Dennoch spannte man noch die französischen Saiten sehr hoch, aber nicht lange. Am Vierzehnten wurde ein Waffenstillstand abgeschlossen, welcher am 16. Februar zu der Capitulation führte, kraft welcher der zwölftausend Mann starken Besatzung freier Abzug gestattet war. Am 18. Februar wurde auf dem Schlosse die preußische Fahne aufgezogen und mit hundert und einem Schuß aus den französischen Kanonen von allen Forts begrüßt.

Einen schweren Dämpfer hat diesem Siegesjubel allerdings der Paragraph der Friedenspräliminarien aufgesetzt, nach welchem Belfort an Frankreich zurückgegeben werden muß. Vor der Hand ist’s aber noch in deutscher Gewalt und wird es bleiben, bis die deutschen Friedensbedingungen von Frankreich bis zum letzten Punkt befriedigt worden sind.

Innig mit den Belagerungskämpfen vor Belfort verknüpft sind die dieselben an Bedeutung noch weit überragenden Feldherrn- und Heeresthaten, mit welchen Werder und seine tapferen Schaaren den großen Doppelplan Bourbaki’s, mit der Entsetzung Belforts einen Einfall ins Elsaß und nach Baden zu verbinden, unter den allerschwierigsten Umständen zu Schanden machten. Diesen wunderbaren Großthaten werden wir einen besonderen Artikel mit Illustrationen widmen.


Die Mutter ist gefunden. Wir haben heute dem in Nr. 15 suchenden Sohne einen Brief seiner Mutter übersenden können, die ihn „mit großer Sehnsucht erwartet“. Glück auf zum Wiedersehen nach sechszehn Jahren!


Ein verlorener Sohn wird von seiner alten Mutter gesucht, die Tag und Nacht über ihn weint. Karl Boltze ist 1863 von Leipzig nach Amerika ausgewandert, nahm dort den Namen Charles Römer an, arbeitete dritthalb Jahr als Bäcker, dann als Handarbeiter auf Eisenbahnen und Farmen, ließ sich aber als Soldat auf drei Jahre anwerben, und kam zuerst in das elfte Infanterieregiment nach St. Louis, später mit demselben Regiment nach Richmond (Virginien). Den dritten Brief schrieb er aus Washington (Mai 1867) und vom 10. October 1867 datirt ist sein letzter Brief aus Fayetteville, Lincoln County (Tennessee), er war damals noch Soldat, aber im Regiment 29. Comp. H. Weitere Nachrichten fehlen ganz.


Kleiner Briefkasten.

F. v. W. in M. Auch uns ist als die brutalste von allen Drohungen der Pfaffenschaft im Rheinlande bei den Reichstags-Wahlumtrieben die eines Priesters erschienen, welcher dem Ortsvorsteher, der seine Abstimmung für „seine Sache“ erklärt, zu sagen wagte: „Sie sind fünfzehn Jahre älter als ich und werden auch wohl früher sterben, und wenn Sie in der Todesstunde meiner bedürfen, dann sprechen wir uns weiter, dann werde ich auch sagen: das ist meine Sache.“ – Ja, es ist eine empörende Rohheit, dieses Bangemachenwollen mit Tod und ewiger Verdammniß, – aber „erschreckend“, wie Sie sich ausdrücken, sollte die einfältige Phrase denn doch für keinen vernünftigen Menschen mehr sein. Der Herr Ortsvorsteher, wie jeder brave und tüchtige Mann, ist vollkommen sicher vor der pfäffischen Drohung, wenn er einen solchen „Beistand“ in seiner letzten Stunde nicht braucht und wenn er zu der männlichen Ueberzeugung kommt, daß die Erlangung seiner ewigen Seligkeit nicht des Pfaffen, sondern seine Sache ist.

M. in R. So viel wir uns entsinnen, ist der Dichter Alexander Rost in seinen thüringer Dramen der Geschichte – so weit das in einem Schauspiel überhaupt möglich – ziemlich treu geblieben. Namentlich ist das Volksschauspiel „Landgraf Friedrich mit der gebissenen Wange“, welches den historisch-tragischen Conflict zwischen Albrecht dem Unartigen und seinem Sohne Friedrich behandelt, mit großem dramatischen Geschick und in vielen Scenen mit überwältigender Poesie gearbeitet. Die Scene auf Schloß Tenneberg (bei Waltershausen) ist von ergreifender Wirkung.

H. C. B. in St. Louis. Der Betreffende lebt und ist auch noch bei d. L. Bank beschäftigt.

E. Ors d’Italia. (Eingesandt.) Wir befinden uns wohl, verzeihen Dir von Herzen und sehen Deinen weiteren Nachrichten mit Freuden entgegen.


Aufruf.

Im August vorigen Jahres trat in Crefeld ein Ausschuß von Männern zusammen, welche den Entschluß faßten und öffentlich aussprachen: für Karl Wilhelm, den Componisten des Nationalliedes unserer glorreichen Zeit, durch Beiträge aus allen Kreisen des deutschen Volkes ein Capital zu beschaffen, das dem kränkelnden Tondichter einen ruhigen, sorgenfreien Lebensabend bereiten sollte. Leider hat denselben in den letzten Tagen abermals ein schwerer Krankheitsfall betroffen und uns um die Hoffnung gebracht, den allerwärts verehrten Musiker noch ferner in seinem Berufe thätig zu sehen. Um so nothwendiger ist nun die Durchführung unsers Plans, und um so eifriger klopfen wir jetzt, wo der so hoch Gefeierte ganz hülflos geworden ist, während wir uns des theuern Guts des Friedens erfreuen, an die Herzen des deutschen Volkes und rufen ihm zu:

„Vergiß Deinen Karl Wilhelm nicht!“

Bei den begeisternden Klängen der „Wacht am Rhein“ ist das deutsche Volk in Waffen ausgezogen, um den übermüthigen Feind zu strafen, der unsere Ehre anzutasten wagte; durch den Donner der Kanonen schwebten die Töne jener herzerhebenden Melodie beim Lagerfeuer im fernen Welschland empor und dieselbe Weise geleitet jetzt die lorbeergeschmückten Krieger heimwärts zum trauten Familienkreise.

Eine „Deutsche Karl-Wilhelm-Stiftung“ möchten wir in’s Leben rufen! Die Beiträge sollen zinstragend angelegt und die jährlichen Einkünfte dieses Capitals unserem Karl Wilhelm in Schmalkalden ausgezahlt werden. Nach seinem Tode aber sollen diese Ehrengaben in eine Stiftung zur dankbaren Erinnerung an das neuerstandene deutsche Reich und die Einigung des ganzen Volkes bei den Klängen der „Wacht am Rhein“, des Nationalliedes von 1870, verwandelt werden und dem Namen des Componisten noch späte Kränze der Dankbarkeit erwerben, denn die Zinsen sollen, je nach der Größe des Capitals, als Stipendien für junge, im deutschen Geiste schaffende deutsche Musiker das strebende Talent unterstützen.

Der Haupt-Ausschuß, unter Vorsitz des jedesmaligen Vorstandes der Liedertafel, mit Wohnsitz in Crefeld, der zweiten Heimath Wilhelm’s, behält sich die weiteren Beschlüsse über Verwaltung etc. vor und wird dieselben veröffentlichen.

Möchten sich in allen deutschen Städten baldigst Orts-Ausschüsse bilden, welche in geeigneter Weise zur Erreichung des erwähnten Zweckes zu wirken suchen! Vor Allem werden die deutschen Männergesangvereine, Militärgesangvereine und Militärcapellen gebeten, durch Veranstaltung von Concerten das Unternehmen fördern und die Erträge an den Cassirer des Haupt-Ausschusses, Herrn F. A. Müller in Crefeld, gelangen lassen zu wollen.

Alle Zeitungen von redlicher deutscher Richtung bitten wir um die Nachdruckung obiger Mittheilungen.

     Crefeld, im März 1871.

Der Haupt-Ausschuß für die Deutsche Karl-Wilhelm-Stiftung.

Professor Dr. Blum (Stuttgart). – Ernst Buchleidner.Jos. Etzbach. – Musikdirector Aug. Grüters.Heinr. Hartwig (Dresden). – Ernst Keil (Leipzig). – Wm. van Kempen.Julius Krüger. – Geh. Commissionsrath E. Litfaß (Berlin). – Aug. von Lumm.F. A. Müller. – Oberbürgermeister Ondereyck.Friedr. Pastor.Andreas Pütz (Köln). – Emil Rittershaus (Barmen). – R. A. Scheibler.Dr. Georg Scherer (Stuttgart). – C. Fr. Schroers.Ernst Seyffardt.G. Verhuven (Weimar). – General-Musikdirector Wieprecht (Berlin). – Musikdirector Fritz Wenigmann (Aachen). – Hof-Capellmeister F. Wüllner (München). – Professor Dr. Fr. Zander (Königsberg). – E. Zillessen jun.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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