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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


Gartenlaubendichter Albert Traeger manches rührende und kräftige Lied gelungen. Die Eckhardtsburg hat sich seit beinahe einem Jahrtausend gut erhalten und sieht von dem Wachthügel gar stattlich, wenn auch ohne Stolz, auf das Schlachtfeld von Auerstädt herab.

Durch die Finner Eichen- und Buchenwälder gelangen wir von Rastenberg aus plötzlich auf die Höhen von Wolmirstädt, wo sich das prachtvollste Panorama blühender Städte und Dörfer mit großen Fabrikgebäuden auf grünen üppigen, vom Silberbande der Unstrut durchzogenen welligen Feldern, Fluren und Obstgärten weithin eröffnet. Fern im Westen ragt der verwitterte Thurm des Kyffhäusers und rechts der Brocken aus blau-dämmeriger Ferne empor. Lernt hier sehen, mit freudiger Andacht sehen und genießen, denn das ist die güldene Aue Thüringens mit unsterblichen, versteinerten Erinnerungen an die große, lebensbunte Kaiserzeit des alten deutschen Reiches! Hier ist der Boden und gleichsam ein Museum der besondern thüringischen und großen deutschen Geschichte.

Seht da Burgscheidungen, von Fröhlich sehr treffend „das berühmte Troja Thüringens“ genannt. Hier unterlag die letzte Königin des thüringer Reiches, Amalaberga, 531 im Vernichtungskampfe gegen die Franken, aber erst nachdem die Unstrut so mit Leichen ausgefüllt war, daß die Franken trockenen Fußes darüber hinwegschreiten konnten. Die waldigen Höhen hinter Memleben bergen den denkwürdigen Vogelherd, wo Heinrich der Erste sich den Namen „der Vogelsteller“ erworben hatte, um sich von hier aus 919 auf den deutschen Kaiserthron berufen und endlich, wie ebenfalls seinen großen kaiserlichen Sohn, Otto den Ersten mit seiner geliebten Frau, begraben zu lassen. Die Klosterkirche bei Memleben ist eine stolze, classische Ruine der schönen Griechin Theophania, der Gemahlin Otto des Zweiten. Die deutsch-kaiserlichen Otto’s leben groß und unsterblich in der deutschen Geschichte fort, und hier zwischen den steinernen Pfeilern sieht sie die historische Phantasie ohne Mühe wie hingehauchte Schattengestalten mit ihren geisterbleichen Gemahlinnen dahingleiten.

Nun noch eine Wallfahrt weiter und wir besteigen den Kyffhäuser, den alten Sagenberg, in welchem der greise Rothbart sechshundertachtzig Jahre geschlafen und geträumt hat. Im vorigen Jahre feierte Alldeutschland sein lang und schmerzlich ersehntes Erwachen; von dem morschen Thurme des Kyffhäuser aber flatterte deß zum Zeichen eine riesige deutsche Reichsfahne, mit Lebensgefahr aufgepflanzt und von den unten harrenden Schaaren mit jauchzendem Zuruf begrüßt.

H. B.


Des Sees Opfer.
Ein Reise-Abenteuer.

Ein Gastfreund weilte ich in liebem Kreise,
Wo meines langentbehrten Vaterhauses
Vertraute Sitte mir entgegenkam;
Wo mir, dem Fremdling, der von ohngefähr.
Fußwandernd durch’s Gebirg, dorthin verschlagen,
Ein hold Willkommen ward bei lieben Menschen.
Es war ein Abend, sonnig, still und klar;
Und rings am Tische unter duft’ger Linde,
Da saßen wir, des goldnen Abends froh.
In leichten Wolken schwebte um den Baum
Der Mücken wimmelnd Volk mit leisem Summen.
Zuweilen drang vom fernen Dorf herüber
Ein Hundebellen oder Sensendengeln,
Gesang und Lachen, Feierabendklänge,
Gedämpften Schalles durch den Abendduft.
Umher die Kinder – froh in Busch und Hecken –
Versteckten sich und haschten sich mit Jubel.
Doch jezuweilen stahl ein Blick zum Tisch sich,
Zum bärt’gen Fremdling – öfter noch zur Mutter:
Ob sie nicht bald zum Tische freundlich winke,
Austheilend weisen Maßes Brod und Früchte.
Wir saßen so in traulichem Gespräche,
Gedenkend froh der eignen Kinderzeit,
Und dann – wie sich Gespräche manchmal fügen –
So mancher Sage, die der Volksmund kündet;
Wie sie an einen Fels, an einen Quell,
Ein dornumranktes altes Hünengrab
Aus märchengrauer Zeit Erinn’rung knüpft;
Ja, wie noch jetzt das sagenliebe Volk
Mit so geheimnißvollen Schauerreizen
Des Zufalls Walten zu umkleiden liebt.
Da zeigte denn, wo nah in Busch und Baum,
Von alten Uferweiden überhangen,
Ein See im Abendsonnenglanze ruhte,
Der alte Hausherr auf den klaren Spiegel.
„Das Wasser,“ sprach er, „ist der Weidensee,
Der fordert sich ein Opfer jedes Jahr.
So sagt das Landvolk, und ein Jeder glaubt es.
Im vor’gen Sommer – kaum verging ein Jahr –
Da zog man einen Greis aus seiner Fluth,
Der von des steilen Ufers losem Rand
Bei’m Fische-Angeln war hinabgeglitten.
Und weiter spinnt die Sage, daß im Jahr
Vorher ein junges Opfer ihm verfallen.
So manche Mutter hütet d’rum ihr Kind
Und hält es fern von seinen blum’gen Ufern.“
Fast ängstlich schaut die Hausfrau jetzt hinaus,
Das Auge schattend vor der Sonne Blendung. –
Da plötzlich zuckt ihr die erhob’ne Hand,
Ein Todesschrecken auf erblaßter Wange.
Wir, schnell der Richtung folgend ihres Blicks,
Wir sehen schaudernd dort: – in heller Luft
Sich schaukelnd auf dem schwanken Weidenast,
Der weit sich neigte über jenen See,
Das jüngste Kind, ein lieblich holdes Mädchen!
„Hedwig!“ – So ruft die Mutter, in der Angst
Besinnungslos, die Klugheit nicht bewahrend.
Das Kind erschrickt – es wendet sich – es taumelt –
Greift in die Luft – ein Schrei und lautes Plätschern.
„Des Sees Opfer!“ schreit der Alte ahnend.
Fort stürzen wir, von Sorg’ und Angst beflügelt.
Ich eilte schnell voran, und in die Fluth
Mich werfend, wo der Kleider lichter Schein
Durch’s Wasser schimmerte, erfaßt’ ich glücklich
Des Röckchens Saum und ruderte empor
Und schwamm zum Ufer mit der zarten Last.
Voll Angst und Zittern standen Eltern – Kinder.
Die Mutter riß den Liebling mir vom Arm
Mit todesbleichem Antlitz – ängstlich lauschend,
Ob es noch athme, – athemlose Spannung. –
Da hebt sich sanft die kleine Brust und langsam
Schlägt es die Augen auf und schließt sie wieder.
Und stürmisch brach der Jubel aus, doch mich
Erstickte fast das Küssen und Umarmen. –

*          *

*

Am andern Morgen – heimlich in der Frühe –
Nahm Tasche ich und Stab und schlich mich fort
Und zog von dannen, weiter in die Welt.
Dort lag der blaue See im Morgenduft
Gar klar und freundlich. – In der blauen Luft
Dem Blick verloren schmetterte die Lerche
Ihr fröhlich Lied und sang und jubelte.
Am Ufer aber hob und senkte sich,
Der leichten Wellen Spiel, ein Sommerhütchen …
Und zur Erinn’rung löste ich von ihm
Das blaue Band – und lustig mir am Hut
Im Winde flog es, als ich zog von dannen.

Heinrich Seidel.

Die Industrie im Waldbache. (Nachtrag.) Die unter diesem Titel in der Gartenlaube geschilderte künstliche Forellenzucht zwischen Sayda und Kämmerswalde im Erzgebirge (nicht in Schlesien, wie in einem Theile der Auflage fälschlich gedruckt stand) ist von Dr. Brehm, Director des Berliner Aquariums, begründet und stets wissenschaftlich geleitet worden. Herr Stahlschmidt hat dagegen das Verdienst, die Hälfte des Capitals dazu gezahlt zu haben. Der Lehrer Maier, von Brehm vorbereitet und angestellt, hat bereits Tausende von Eiern befruchtet, resp. verkauft, und die Anstalt mit den jungen Fischchen gedeiht zu einer immer lohnenderen Wirksamkeit. Daß Forellen erst vom vierten Jahre an ein guter Verkaufsartikel werden, hält nur solche Capitalisten von Betheiligung zurück, welche nicht nur gleich nach der Saat, sondern überhaupt ohne Saat und That ernten wollen. Wegen Bezugs befruchteter Forelleneier wolle man sich an Herrn Maier, Lehrer in Neuwernsdorf (bei Sayda) wenden.

H. B.

Eingesandt. Dem hochherzigen unbekannten Freunde unserer Anstalt, dem Leser der Gartenlaube in Dortmund Y. herzlichen Dank für seine wiederholte reiche Gabe an arme Schnitzschüler. Die Sendung traf am 30. April, dem Tage der feierlichen Grundsteinlegung zur großen Arbeiterhalle und Fournirsäge, ein und trug wesentlich zur Erhöhung der freudigen Stimmung an dem für den Amtsbezirk Werdenfels so bedeutungsvollen Tage bei.

Für die nunmehr sechsunddreißig Schüler der Anstalt:

Hochachtungsvollst

Partenkirchen, Mai 1871.

Michael Sachs.

Berichtigung. In der ersten Strophe des Gedichtes „Die unfehlbare Bowle“ (Nr. 22 der Gartenlaube) ist in einem kleinen Theile der Auflage ein unliebsamer Druckfehler stehen geblieben. Es muß statt: „Pfingsten, das geliebte Fest“ selbstverständlich heißen: „Pfingsten, das liebliche Fest“. Wir bitten unsere Leser, dieses Vorkommniß freundlichst zu entschuldigen; erklärlich ist es nur dadurch, daß der Text der Gartenlaube bei der Höhe unserer Auflage gleichzeitig drei Mal im Satze hergestellt werden muß und daß sich trotz der sorgfältigsten Aufmerksamkeit leicht genug ein Satzfehler einschleichen kann.


Kleiner Briefkasten.

Fl. in W. Ueber die Stellung der neuesten Philosophie zur Unsterblichkeitsfrage finden Sie eine vortreffliche Arbeit in Rudolf Gottschall’sPortraits und Studien“, einem erst vor Kurzem (bei Brockhaus) erschienenen zweibändigen Werke, auf dessen gediegenen, vielseitigen und interessanten Inhalt die gebildete deutsche Leserwelt bereits in unserer literarisch-politischen Beilage „Deutsche Blätter“ ausführlicher verwiesen wurde. So elegant und lebendig gehaltene Essays, wie sie Gottschall in diesem reichhaltigen Buche über die verschiedensten Persönlichkeiten und Bewegungen der neuesten Dichtung, Literatur und Forschung nebeneinander gestellt hat, bieten dem Leser neben dem Genusse einer anregenden Lectüre auch einen besonderen Nutzen für seine gründliche Orientirung. Die einzelnen Fragen und Erscheinungen werden hier eingehender beleuchtet, treten in der Schilderung schärfer und charakteristischer aus ihren Zusammenhängen hervor, als dies in zusammenfassenden Darstellungen ganzer Perioden geschehen kann.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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