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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


fließend, theils mit lebhaftem Geplätscher durchströmt das Quellwasser mehrere tausend Brutapparate, auf welchen während des ganzen Winters vier bis sechs Millionen Edelfischeier zur Entwickelung gebracht werden. Diese Eier werden der Anstalt durch mehrere Beamte, welche bei Beginn des Herbstes die ganze Schweiz und das südliche Deutschland bereisen, zugeführt. Eine Million Lachseier wiegt gegen fünf Centner, und hat einfach befruchtet einen Werth von circa achthundert, angebrütet hingegen von mindestens zweitausend Thalern.

Wie Bedeutendes die Anstalt durch das massenhafte Versenden angebrüteter Salmonideneier für die Hebung der Fischzucht geleistet, wird man erst so recht begreifen, wenn man hört, daß von den freigelegten Eiern kaum ein Procent zur Entwickelung kommt, wogegen die von hier versendeten angebrüteten Eier sämmtlich entwickelungsfähig waren. Und setzt man jetzt noch hinzu, daß ein Pfund Forellen- oder Salblingsfleisch in den Badeorten Süddeutschlands oft mit einem bis anderthalb Thaler bezahlt wird, so kann man den Segen, welchen diese Anstalt alljährlich ausgestreut hat, nur nach Hunderttausenden, ja Millionen von Thalern berechnen. Wenn diese Erfolge nicht immer erreicht wurden, so liegt dies einzig daran, daß die Fischzucht noch nicht allgemein genug bekannt ist und selten richtig ausgeübt wird.

Für den zweiten Theil der Fischzucht, „Schutz den jungen Fischen etc.“, hat die Anstalt weniger Beendigendes leisten können. Die Anstalt liegt in einer völligen Ebene, und so ist das Wasser des geringen Gefälles wegen für die meisten Salmoniden zu wenig lufthaltig. Die jetzige deutsche Verwaltung hofft zwar diesem Uebelstande hier und da abhelfen zu können, doch wird es immerhin rathsam sein, in nicht zu großer Entfernung von dieser Centralbrutanstalt eine besondere Musterzuchtanstalt zu gründen, damit der Besucher ein vollständiges Bild der Fischzucht erhält und die Anstalt ein großartiges Lehrinstitut werde.

Die Schätze, welche in unseren zahlreichen deutschen Flüssen, Bächen, Seen und Teichen noch ungeweckt schlummern, sind unberechenbar, besonders wenn durch ein gutes Schongesetz der Fischzucht zu Hülfe gekommen wird. Hoffen wir nun, daß bei uns in Deutschland durch die mächtige Anregung und Unterstützung, welche durch das jetzt deutsche Hüningen gegeben wird, bald an allen Orten Privat-Fischzuchtanstalten erstehen, und die edeln Fische, wie Lachse und Forellen, nicht mehr ein Leckerbissen für die Reichen allein, sondern ein allgemein beliebtes und billiges Volksnahrungsmittel werden.

H–k.




Quartiermachers Leiden und Freuden.
Aus dem Tagebuche eines Artilleristen.


Unweit des durch sein Franctireurswesen oder vielmehr Unwesen berüchtigten Städtchens Chaumont mußten die Quartiermacher der in den benachbarten Ortschaften untergebrachten Truppen sich in einem Centralorte sammeln, und wir ritten dann oft zu dreißig bis fünfzig, zuweilen noch durch leichte Cavallerie bedeckt, bis zum nächsten Centralort, das heißt bis zu einer Stelle, von wo aus jeder eine möglichst kurze Strecke bis zu seinem Abendquartier zurückzulegen hatte. Da ging es denn oft sehr lustig zu, es kreiste auf den Pferden die Cognacflasche, jeder wetteiferte mit dem Andern, ein möglichst solennes Frühstück aufweisen zu können, was mancher Gans und Ente das Leben kostete – Hühner waren bereits zu gemein. Selbst bis zum Champagner verstiegen wir uns. Ich hatte schon oft in dieser Gegend Champagner trinken hören, das heißt vom Champagnertrinken reden hören, da kommt eines Tages ein mir sehr zugethaner Wehrmann mit zwei Flaschen zu mir in’s Quartier und erzählt mit freudestrahlendem Antlitz, daß man soeben wieder einen Champagnerkeller entdeckt habe, er bringe mir hier nur ein bescheidenes Pröbchen, um ein für allemal meinen Zweifel zu beseitigen. Es war mir nämlich stets wunderbar gewesen, daß aller Champagner in ärmlichen Häusern gefunden wurde. Er schenkt den perlenden Wein in’s Glas; „sehen Sie, wie er moussirt!“ und ich sehe und trinke, was ich stets vermuthet, Cider, schlichten Apfelwein, ein allerdings sehr schätzbares Getränk, wenn man nichts anderes hat. Ich wollte dem Mann nicht wehe thun, lobte daher seinen Champagner, rieth ihm aber, von demselben aus Gesundheitsrücksichten nicht viel zu trinken. Mit besagtem Champagner hatte ich nun am folgenden Tage meine Feldflasche gefüllt und credenzte sie meinen Cameraden. Mein Getränk erntete allgemeinen Beifall, bis die Reihe des Trinkens an den Quartiermacher einer Proviantcolonne kam, der, indem er gleich nach dem ersten Schlucke den noch vorhandenen Rest fortgoß, mir erklärte, daß man bei der Proviantcolonne hinreichend Zeit und Gelegenheit habe, Weinstudien zu machen, und es daher unmöglich sei, ihm Cider als Champagner in seinen Gaumen einzuschmuggeln. Um mich übrigens wegen des Verlustes meines Ciderrestes zu entschädigen, holte er ein Paar Flaschen des edelsten Burgunders vor, die denn alsbald die Pferderunde begannen.

An diesem Tage sollte ich aber nicht nur Cider in Champagner umwandeln, ich hatte noch eine schwierigere und ernstere Aufgabe zu lösen.

Wir hatten uns bald nach allen Richtungen der Windrose zerstreut und ich ritt allein in Begleitung eines Obergefreiten auf ein etwa zehn Minuten vor mir liegendes Dorf, das Ziel unseres heutigen Marsches, los, als uns eine Cavalleriepatrouille begegnete und uns die Warnung gab, nicht zu Zweien in’s Dorf einzureiten, da am vorhergehenden Tage in einem sehr nahen Dörfchen ein Officier in Begleitung eines Unterofficiers meuchlings erschossen und die Stimmung in der ganzen Gegend eine äußerst gereizte sei. Wie sollten wir aber hier warten und der nach drei bis vier Stunden ankommenden Colonne mittheilen: „Ihr findet heute nichts vorbereitet, kein Quartier, kein Essen, auch ist weder Hafer noch Heu für Eure Pferde aufgebracht, weil wir Angst hatten vor dem Todtschießen.“ Hinein mußten wir, niederschießen lassen wollten wir uns nicht; wir hielten großen Kriegsrath und beschlossen nach kurzem Sinnen mit überwiegender Stimmenmehrheit, das Dorf auf allen Seiten anzugreifen und im Sturme zu nehmen. Kurz vor dem Dorfe gaben wir unseren Pferden die Sporen und ritten dann im schärfsten Carrière bis etwa zum fünften oder sechsten Hause; hier wendeten wir unsere Pferde und galoppirten jählings wieder zum Dorfe hinaus, trennten uns dann, indem mein Obergefreiter sich rechts wandte, ich aber die Richtung nach links einschlug. Unserem im Kriegsrath gefaßten Beschlusse gemäß führte jeder von uns an dem nun zunächst von ihm erreichten Dorfeingange das eben beschriebene Manoeuvre aus, um dann in der schärfsten Rittart den dem ersten Eingange entgegenliegenden Ausgang zu gewinnen. Nachdem wir nun auch von dieser vierten Seite uns den Einwohnern des Dorfes bemerkbar gemacht, hatten, zogen wir uns bis zum vordersten Hause der Straße zurück, stellten unsere Pferde unter und begaben uns nun in das Küche, Kammer und Stube auf’s Zweckmäßigste in Eins vereinigende einzige Zimmer des Hauses.

Es galt noch, der soeben vollzogenen gewaltsamen Einnahme des Ortes die moralische Eroberung hinzuzufügen. Unser Ein- und Ausreiten war stets mit solcher Geschwindigkeit ausgeführt worden, daß die Bewohner kaum die Fenster hatten gewinnen und sehen können, wie viele wir unser waren; sah man nun auch einen, respective zwei Mann zurückreiten, so konnte doch Niemand wissen, ob und wie viele Prussiens in das Innere des Dorfes geritten seien. Unser „Pisang“ (paysan), der es noch nicht einmal der Mühe werth hielt, bei unserm Eintritt in sein Zimmer sich zu erheben, und der deshalb auch sogleich das für den Franzosen stets tief empfindliche „pas poli“ von mir hören mußte, konnte natürlich noch keine Kenntniß davon haben, daß schon auf drei anderen Stellen des Dorfes Prussiens sich gezeigt hatten. Auf meine Bitte, er möge mir den Maire rufen, – es wäre ja zu gewagt gewesen, sich weiter in das Dorf hineinzubegeben – entgegnete er denn auch in höchst trockener Weise und mit ziemlich herausfordernder Miene: „mais non, je ne veux pas.“

Als ich jedoch in eben so ruhiger, aber bestimmter Weise ihm sagte: „Mein Herr! Wenn der Maire nicht binnen einer halben Stunde von jetzt ab hier sein wird, so werde ich meinen Leuten

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 590. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_590.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)