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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)

mir ergreifen. Nachdem ich ihr unter das Gefieder meine Miniaturdepesche festgebunden habe, lasse ich sie los. Aber – ruhig setzt sie sich zu meinen Füßen nieder und bleibt hier sitzen. Ich wiederhole das gleiche Manöver mit der zweiten Taube – sie nimmt neben ihrer Gefährtin Platz. Wir betrachten sie aufmerksam. Ein paar Augenblicke rührt sich keine von der Stelle. Plötzlich beginnen beide mit den Flügeln zu schlagen und schießen mit einem Schwunge hoch in die Luft empor, wohl dreihundert Fuß hoch. Dort kreisen sie zunächst nach allen Richtungen der Windrose herum, um sich zu orientiren. Ihr Schnabel oscillirt wie die Magnetnadel eines Compasses, als suche er einen geheimnißvollen Punkt. Bald aber haben sie den Weg erkannt, welchen sie einschlagen müssen; wie Pfeile fliegen sie davon, in gerader Linie gen Paris.“




Die Sternwarte eines Privatmannes.


Von Dr. Osw. Lohse.


Das Gebiet der Astronomie, einer Wissenschaft, deren Resultate zu den glänzendsten Errungenschaften des menschlichen Geistes gehören, hat in der Neuzeit bedeutende Erweiterungen erfahren.


Die Sternwarte des Herrn von Bülow in Bothkamp.


Die Entwickelung anderer Theile der Naturwissenschaft blieb nicht ohne Einfluß auf die Sternkunde, und es gelang Fragen zu lösen, welche man früher kaum aufzustellen gewagt hätte.

Während man sich bisher auf die Bestimmung der Bewegung, Gestalt, Größe und Farbe der Himmelskörper beschränken mußte, so ist man jetzt mit Hülfe der Spectralanalyse im Stande zu erforschen, aus welchen Stoffen dieselben bestehen, und ob diese Stoffe mit den auf unserer Erde vorhandenen übereinstimmen.

Ferner mißt man mit empfindlichen Photometern (Lichtmesser) die Helligkeit der Gestirne und bestimmt auf diese Weise, ob dieselbe sich verändert oder nicht, und macht photographische Aufnahmen von Sonne und Mond, die zu genauen Messungen dienen können und außerdem der Nachwelt ein getreueres Bild dieser Körper überliefern, als es der beste Zeichner im Stande sein würde zu fertigen.

Es ist gelungen, die interessantesten Aufschlüsse über die Natur und physische Beschaffenheit der Himmelskörper zu erzielen, und es eröffnet sich die Aussicht auf eine Menge neuer Entdeckungen und Wahrnehmungen. Die Astronomie ist in ein ganz neues Stadium getreten und schon ist es nicht mehr möglich, daß ein Astronom das ganze Gebiet beherrscht. Es wird auch hier eine Theilung der Arbeit eintreten müssen, zumal da die astronomischen Instrumente, welche zu diesen neueren Beobachtungen Verwendung finden sollen, nicht unwesentliche Veränderungen und Neugestaltungen erfahren müssen.

Hieran, sowie an dem Umstande, daß die meisten älteren Sternwarten von ihren bisherigen Beobachtungsplänen, welche gewöhnlich schon auf Jahre hinaus fixirt sind, nicht plötzlich abweichen können, mag es wohl liegen, daß es bis jetzt nur wenige Stationen in Deutschland giebt, auf welchen derartige Beobachtungen ausgeführt werden.

Mit um so mehr Freude muß die Gründung einer Sternwarte begrüßt werden, welche bestimmt ist, hauptsächlich zum Ausbau dieser neuen Richtung der Astronomie beizutragen. Die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 788. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_788.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)