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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

Benedict schien das nicht zu bemerken, er wartete schweigend auf weitere Fragen seines Vorgesetzten, und als diese nicht erfolgten, neigte er sich wie vorhin, schritt durch den Kreuzgang, und verschwand durch die entgegengesetzte Thür.

Der Prior blickte ihm eine Weile nach und wendete sich dann mit dem Ausdruck unverstellten Hohnes zu seinem Begleiter.

„Da sehen Sie, Reverendissime, unseren zukünftigen Abt und Herrn – nach dem Willen des Prälaten und seines Bruders nämlich, die ihn schon als solchen betrachten.“

Der alte Pfarrer sah ihn fast erschreckt an. „Sie scherzen, Hochwürden! Dieser junge Priester!“

„Ist das Schooßkind des Prälaten, das Wunder des ganzen Klosters, man hat sehr hochfliegende Pläne mit ihm. Es ist nur ein Glück, daß mit dem Tode eines Abtes auch dessen Regiment aufhört, und die Freiheit der Wahl an uns zurückfällt. Pater Benedict müßte etwas weniger hochmüthig sein, und sich vor allen Dingen weniger Feinde unter den Brüdern machen, wenn er im Ernste von einer dereinstigen Erhebung träumen wollte, auf die jeder Andere denn doch mehr Anspruch hat, als er.“

„Mir schien in dem Wesen des jungen Paters nichts von Hochmuth zu liegen,“ wendete der Pfarrer schüchtern ein, „ich fand seine Haltung im Gegentheil unterwürfig und durchaus geziemend.“

Der Prior zuckte verächtlich die Achseln. „Ja, die Klostervorschriften hat er trefflich eingelernt, und dennoch gebe ich Ihnen mein Wort, es ist der hochmüthigste Starrkopf, der je eine Kutte getragen. Sie haben es ja gehört. ‚Ja‘ und ‚Nein‘ und ‚Ich weiß nicht‘, weiter ist überhaupt nichts aus ihm herauszubringen. Blicken Sie einmal in seine Augen, ob da etwas von Demuth und Unterwerfung geschrieben steht, ich lese ganz andere Dinge darin. Wir werden noch etwas erleben an diesem Eindringling, der von Rechtswegen in einen Bettelorden gehört, und nicht in ein Herrenstift, das sich immer nur aus den ersten und besten Familien des Landes recrutirte und dies Privilegium bisher festgehalten hat, trotz aller Klosterregeln. Aber unser Herr Prälat wollte und Seine Gnaden haben uns Alle so trefflich in Zucht, daß kaum Einer es mehr wagt, sein Veto noch geltend zu machen, diesem allmächtigen Willen gegenüber, genug, die Aufnahme ward durchgesetzt.“

„Pater Benedict ist also von sehr niedriger Herkunft?“

Ein boshaftes Lächeln glitt über die unangenehmen Züge des Priors. „Wie man’s nimmt! Es heißt, er sei der Sohn eines ehemaligen Dieners des gräflich Rhaneck’schen Hauses. Bah, wozu geben solche Leute den Namen nicht her, wenn man es ihnen gut bezahlt! Thatsache ist, daß Graf Rhaneck ganz vernarrt ist in diesen – Schützling; er liegt seinem Bruder fortwährend mit Briefen, und jetzt sogar persönlich an, ihm das Kleinod nur ja recht zu behüten, und Pater Benedict weiß nur zu gut, unter welcher mächtigen Protection er steht. Er versteht es meisterlich, das noli me tangere im Kloster zu spielen, keinen von den Brüdern würdigt er seiner Unterhaltung oder seines Umganges, Alle hält er sie sich vornehm fern, er, der Jüngste, der nur aus besonderer Gnade hier Aufgenommene! Freilich, er weiß, daß er sich schlechterdings Alles erlauben darf und in Allem geschützt wird.“

„Aber ich hörte bereits den Eifer und den Fleiß des jungen Bruders rühmen,“ wagte der Pfarrer mit seiner leisen schüchternen Stimme zu bemerken.

Das häßliche Lächeln von vorhin trat wieder auf die Lippen des Priors. „O ja, daran fehlt es ihm nicht, aber gerade dieser Eifer ist mir verdächtig. Er denkt zu viel! Das ist an und für sich schon gefährlich im Kloster, am gefährlichsten aber unter dem Regiment unseres Prälaten. Nicht wahr, Herr Mitbruder,“ ein halb mitleidiger, halb verächtlicher Blick glitt dabei über die dürftige Erscheinung des Greises, „damit haben Sie sich wohl niemals abgegeben?“

Jener verstand den Spott nicht. „Nein,“ sagte er treuherzig. „Ich habe redlich und treulich meines Amtes gewartet, aber mich nie an Grübeleien gewagt, die für mein geringes Wissen und Verstehen zu hoch waren.“

Der Prior legte ihm mit gönnerhafter Miene die Hand auf die Schulter. „Recht so! Deshalb werden Sie auch dereinst ruhig auf Ihrer Pfarre sterben, während Pater Benedict – nun, ich mag nicht zum Propheten werden. Lassen Sie uns gehen, soeben läutet die Mittagsglocke. Ich will sehen, daß ich Ihnen nach der Tafel die gewünschte Audienz beim Prälaten auswirke.“


(Fortsetzung folgt.)




Schloß Scharfenberg bei Meißen.



Je öfter ich alte Schlösser und Denkmale der Vorzeit besuche, desto einleuchtender scheint es mir, wie es Pflicht jeder Regierung, jeder Behörde und Gemeinde wäre, dieselbe auf’s Sorgsamste zu erhalten, und ebenso sollten Künstler und Schriftsteller sich beeifern, die immer seltener werdenden und mehr und mehr zerfallenden wenigstens in Bild und Wort für die Zukunft zu bewahren. Leider geschieht dies viel zu wenig, ja man ist vielmehr bemüht, in angekränkelter Neuerungssucht, oder aus „Utilitätsprincipien“, jene Rudera einer grauen, altehrwürdigen Vorzeit mit aller Gewalt vom Erdboden zu vertilgen, oder sie zu profanen, ja entwürdigenden Zwecken zu verwerthen, in dem eiteln Wahne, der Neuzeit durch solchen Vandalismus besonders Rechnung zu tragen. Wer das Aeußerste dieser Art sehen will, dem kann nicht mehr die „Marienburg“ genügen, weil dort sich ein Heumagazin eingenistet hat: dieses Aeußerste wird jetzt in Nürnberg, das die Liebe, der Stolz, der nationale Schmuck von ganz Deutschland ist, geleistet durch den Abbruch der Ringmauern mit ihren Thürmen. Da blutet selbst dem einfachen Handwerksburschen das Herz über einen Verlust, in welchem der speculirende Geldsack nur klugen Gewinn sieht. Möchten doch die Herren Bürgermeister, Stadträthe und Stadtverordnete, und wie sie heißen mögen, die den Stab hierüber zu brechen haben, nur ein wenig bedenken, daß sie ihren Städten mit solch nie zu entschuldigender Demolirungswuth den empfindlichsten Schlag in’s Gesicht geben und ihren Säckel nicht wenig schädigen. Möchten sie in Betracht ziehen, daß der wahrhaft gebildete, sinnige Reisende selten eine Stadt besucht wegen einer neuen Fabrik, einer Kaserne, oder eines modernen Rath- oder gar eines imposanten Zuchthauses, sondern um jener Denkmale willen, der stummen und doch so beredten Dolmetscher der Geschichte unserer Väter, unseres Landes. Nur allzu viele Geister der Gegenwart sympathisiren mit jenem speculativen Kopfe, der die Heidelberger Ruine rasiren und an ihrer Stelle ein elegantes Etablissement à la Kroll in Berlin errichten wollte!

Das uralte „Scharfenberg“, von welchem wir dem Beschauer in nebenstehendem Bilde zwei Ansichten geben, den Haupteingang und eine Sicht vom Park aus, blieb glücklicher Weise von der Fürsorge gewisser Väter der Stadt verschont, einfach weil sie hier Nichts zu sagen hatten. Der Familie von Miltitz, in deren Besitz es sich befindet, gebührt das Verdienst, das Schloß ihrer Ahnen vor dem gänzlichen Verfall bewahrt zu haben, obwohl der derzeitige Besitzer nicht hier, sondern auf dem nahen nicht minder romantischen Siebeneichen wohnt.

Scharfenberg ist nächst der Meißner Albrechtsburg unstreitig eines der ältesten Bergschlösser des Meißnerlandes. Einige Schriftsteller wollen den Ursprung desselben in die Zeit König Heinrich’s des Vogelstellers verlegen, als er längs der Elbe eine Reihe von Burgen zum Schutz gegen die Sorben anlegte. In seiner jetzigen Gestalt besteht dieser ehrwürdige Rittersitz erst seit 1618, indem Sigismund von Miltitz ihm auf den Trümmern der alten Burg seine gegenwärtige Gestalt gab. Die örtliche Lage des felsigen Berges, auf dem Scharfenberg zweihundert Fuß hoch über der Elbe liegt, verbunden mit einigen anderen archäologischen Wahrnehmungen, lassen annehmen, daß heute noch wesentliche Baulichkeiten aus ältester Zeit herrühren, namentlich ein Theil der Ringmauer, der Brücke und der unterirdischen Räume, wie Pferdeställe, Gefängnisse und Burgverließ. Die Geschichte des Schlosses hängt in frühester Zeit mit dem Dasein der alten einst so berühmten Silberbergwerke zusammen; noch im vorigen Jahrhundert arbeiteten hier hundert Knappen, bis der Bau 1769 durch einen Wolkenbruch ersoff, und erst nach vollen hundert Jahren wieder in Betrieb gebracht wurde. Ob das Schloß im Hussiten- oder dreißigjährigen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_026.jpg&oldid=- (Version vom 17.1.2018)