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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

des Schädels über das Gesicht. Durch Angewöhnung an den aufrechten Gang, die Entwickelung des Armes und der Hand und die vollständigere Enthaarung der Haut bildeten sich dann aus den Menschenaffen die Affenmenschen, denen bei ihrer niedrigen Gehirnbildung noch die articulirte menschliche Sprache fehlte. Man könnte die Hypothese aufstellen, daß sich die Anthropoiden nach und nach in fleisch- und pflanzenfressende schieden; erstere schritten zum Menschen fort, letztere conservirten sich als Affen (Gorilla etc.).

5) Die Quartärzeit, das Zeitalter der Menschen und Culturwälder (anthropolithisches oder anthropozoisches Zeitalter), nur gegen fünf- bis siebenhundert Fuß dick und an verschiedenen Stellen von der verschiedensten Dicke, besteht aus der älteren Quartär- oder Eiszeit, Glacial-Periode – aus der mittleren Quartär- oder Postglacial-Periode – und aus der neueren Quartär- oder Culturzeit. – Die untersten Schichten, das Diluvium, Aufgeschwemmtes, Schwemmland der Vorzeit (Pleistocen), bestehen aus Sand, Kies, Gruß, Geröllen und Geschieben mit Lehm und Flöß und sind aus den verschiedenen Schichtgesteinen entstanden. Ueber der Diluvialschicht lagert das Alluvium, Angeschwemmtes, Schwemmland der Jetztzeit (Recent), aus Sand- und Schuttlagern (Tuffe), abwechselnd mit Lehm- und Mergelschichten, Moorland und Ackererde.

Die Quartärzeit erzeugte Menschen mit articulirter (gegliederter) Sprache und zeichnet sich überhaupt durch fortschreitende Entwickelung und Ausbreitung des menschlichen Organismus, zumal des Gehirns und Schädels aus. Thiere und Pflanzen wurden von dem vollkommner gewordenen Menschen durch Züchtung veredelt. – Im Diluvium (mit der Eiszeit) finden sich von Thieren: der Höhlenbär (in der ältesten Periode); das Mammuth (vorweltlicher Elephant), eine Art Elephant, aber mit viel längeren und stärker gekrümmten Stoßzähnen und einer borstigen, langbehaarten, der des wilden Schweines ähnlichen Haut. Vom Mammuth wurden in Sibirien im Eise und gefrornen Boden vollständige Thiere mit allem Zubehör so gut erhalten gefunden, daß man deren Fleisch noch essen konnte. Das Nashorn, die Höhlenhyäne, der Höhlenlöwe, der Riesenhirsch mit großem Geweihe, der Auerochs, das Rennthier sind ebenfalls Diluvialthiere. – Das Alluvium producirte aus verwesenden Pflanzen Moorland (Wald-, Wiesen-, Haide- und Moostorf), sowie durch Verwitterung der verschiedenartigsten Gesteine und durch Zersetzung organischer Substanzen die Dammerde, als ein Gemenge von organischen und unorganischen Stoffen.

In der Quartärzeit entwickelte sich beim Affenmenschen das Gehirn (mit Vergrößerung des Schädels, zumal in seinem Stirntheile) immer mehr, die Sprache ging aus der thierischen Lautsprache in die articulirte (gegliederte) Wortsprache über, und höheres Bewußtsein mit Begriffsbildung charakterisirt nun den jetzigen Menschen, aber in den verschiedenen Racen in verschiedenem Grade.

Schließlich muß nun aber nochmals erwähnt werden, daß die genannten fünf Zeitalter durchaus nicht etwa durch scharfe Grenzen von einander geschieden sind, – denn „die Natur macht keinen Sprung“, – sondern ebenso in ihren Gesteinsformen, wie in ihren Organismen ganz allmählich in einander übergehen, und daß also von einem zeitweiligen Eintreten großer, gewaltiger, Alles vernichtender Erdrevolutionen nicht die Rede sein kann.

Bock.


Jagd-Romantik in Nordafrika.
Von Heinrich Freiherrn von Maltzan.
Haarsträubende Jagdlügen. – Ungefährlichkeit der Schakals und Hyänen. – Löwenjagd-Schwindel. – Löwenjagd der Araberstämme. – Jagd im Silo. – Gérard. – Charakteristik des algierischen Panthers. – Das Schinden seiner Schlachtopfer. – Sein Einbrechen in die Dörfer. – Bonbonnel. – Humoristischer Ausgang einer sogenannten Pantherjagd.


„Erzählen Sie uns etwas von Ihren Jagden in Afrika!“ Wie oft erging nicht diese Aufforderung an mich! Nun liebe ich allerdings auch das edle Waidwerk und habe ihm oft obgelegen. Aber ich merkte gleich, daß meine Zuhörer etwas ganz Anderes von mir verlangten, als ich ihnen auftischen konnte. Sie wollten haarsträubende Mordgeschichten hören, Schilderungen von blutigen Kämpfen mit den Riesen der Thierwelt, von Kämpfen, in denen mein Leben wo möglich immer nur an einem Faden, und noch dazu an einem sehr dünnen Faden, gehangen hätte. Da ich ihnen dergleichen pikante Gerichte nicht zu bieten vermochte, so rettete ich mich gewöhnlich in’s Stillschweigen; aber wenn sie mir gar zu arg zusetzten und ich durchaus erzählen sollte, so mußte ich damit anfangen, ihre nun auf’s Gräßliche gerichteten überspannten Erwartungen vorerst durch einen kleinen geographischen Excurs zu ernüchtern, indem ich ihnen auseinandersetzte, daß „Afrika“ ein sehr weiter Begriff sei, daß der Erdtheil sehr verschiedenartige Jagdgebiete aufweise und daß es ungerecht sei, von einem Reisenden, der in Algerien, Marokko, Tunesien und der Sahara gereist, zu verlangen, daß er in diesen Ländern Elephanten umgebracht haben solle. Zu Strabo’s Zeit war das vielleicht noch möglich. Damals soll es in Marokko noch Elephanten gegeben haben und zwar sehr kluge Elephanten, die sogar die Sonne anbeteten und deren Aufgang mit ausdrucksvollen Pantomimen begrüßten. Aber diese Elephanten waren wahrscheinlich „zu klug, um lange zu leben“, und zu philosophisch, um daran zu denken, Nachkommenschaft zu hinterlassen. Heut zu Tage sind sie ganz ausgestorben und nördlich von der Sahara giebt es keinen einzigen, ebensowenig wie Rhinocerosse, Giraffen und andere kolossale Bestien, deren massenhafte Tödtung man Jedem zumuthet, der im Geruch steht, in „Afrika“ gewesen zu sein.

In der Sahara und den Ländern nördlich von ihr giebt es von solcherlei „Hochwild“, wie es die Aufregung liebende Phantasie verlangt, nur Löwen und Panther; Hyänen und Schakals sind nicht der Rede werth. Sehr oft freilich begegnete ich der Anschauung, als ob auch diese Thiere höchst gefährliche Bestien seien. Aber diese Anschauung entstammt aus den Menagerien, wo die Thiere, den Tag über ausgehungert, am Abend ihr Fressen unter Schlägen und Stößen mit eisernen Stangen bekommen, wobei sie denn allerdings eine gewisse Wildheit entwickeln und haarsträubende Töne von sich geben, die manchen Menageriebesucher die angenehme Aufregung unschädlicher Schauderscenen empfinden lassen. Aber in der Freiheit sind beide Thiergattungen höchst unschuldig. Die Menge der Schakals in Nordafrika spottet aller Zahlen. Trotz dieser Unzahl habe ich jedoch nie vernommen, daß eines dieser Thiere einem Menschen etwas zu Leide gethan hätte. Selbst der angeschossene Schakal wendet sich nicht gegen seine Verwunder, sondern entflieht feige in die Steppe. Wer das Todtschießen massenhaft zusammengetriebener Thiere aus sicherem Hinterhalte Jagd nennt, der kann sich dieses Vergnügen in den Abdeckereien jeder algierischen Stadt allabendlich verschaffen. Der Geruch der Abdeckerei genügt dort, um die Thiere zusammenzutreiben; einer andern Triebfeder bedarf es nicht.

Aehnlich ist’s mit der „Entweiherin der Grüfte“, der Hyäne. In Friedhöfen kann man ihr ohne alle Gefahr auflauern und sie todtschießen, wenn man sein Schießgewehr entehren will. Der Araber hält es nämlich für Schändung einer edlen Waffe, wie Flinte oder Säbel, wenn damit einer Hyäne der Garaus gemacht wird. Die Hyäne ist nur des Knüttels würdig. Die Araber, die diesen häßlichen Thieren auf ihren Jagdzügen begegnen, schlagen sie mit ihren Knotenstöcken todt. Keiner aber denkt daran, auf eine „Hyänenjagd“ eigens auszugehen. Auch die Europäer, die nach Algerien kommen, verlieren bald ihre anfängliche Lust, Schakals und Hyänen zu jagen, wenn sie sehen, wie feige diese Thiere sind und daß es weder Jagdruhm, noch einen eßbaren Braten einträgt, sie zu erlegen.

Anders ist es mit den zwei zuerst genannten Thieren. Löwen und Panther, das sind die einzigen größeren Raubthiere, die es noch in Nordafrika giebt. Diese Jagd ist also die einzige, die dem dortigen Reisenden lebhafte, oft freilich allzu lebhafte Aufregungen bereiten kann. In Europa indessen macht man sich recht seltsame Begriffe über diese Jagd. Namentlich scheint man der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 156. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_156.jpg&oldid=- (Version vom 19.11.2021)