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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

Aber ich war wie lebendig begraben. Wäre die Schießscharte nicht unverletzt geblieben, an die ich zufällig mit dem Kopfe zu liegen kam, so hätte ich ohne Zweifel das Schicksal meines armen Zickleins getheilt, das die einstürzenden Erdmassen erstickt hatten.

So blieb ich bis zum Morgen liegen. Ich schlief sogar, unglaublich, aber wahr, einen Augenblick ein und zwar kurz vor Sonnenaufgang. Plötzlich weckte mich das Geschrei jubelnder Stimmen. Es waren die Araber, die den Tod des Panthers mit Jubeltönen begrüßten. Aber wo war der Jäger? Sie sahen das eingestürzte Silo und mußten glauben, ich hätte dort mein Grab gefunden. Aber mein Geschrei belehrte sie vom Gegentheil. Sie entdeckten die Schießscharte und reichten mir etwas zu essen. Mich befreien, das konnten sie erst, nachdem sie Schaufeln aus ihren Zelten geholt hatten. Endlich brachten sie dieselben und ich feierte meine Auferstehung.

Nun ging’s daran, den Panther zu besichtigen. Es war ein schönes, großes Thier von etwa dreihundert Pfund Gewicht, ein vollkommen, aber eben erst ausgewachsener männlicher Panther, sehr wohlgenährt und von riesiger Körperkraft. Der Schuß hatte ihn links am rechten Auge getroffen, den Knochen zerschmettert und war in’s Gehirn eingedrungen. Er hätte bei jedem kleineren Thier augenblicklich tödten müssen. Aber, wie gesagt, nur eine Explosionskugel vermag dies bei solch kräftigen Körpern. Es mag vielleicht Manchem unbegreiflich scheinen, wie ein so tödtlich getroffenes Thier noch Kraft behielt, einen Sprung zu machen. Aber die Erfahrung hat diese Möglichkeit alle afrikanischen Jäger gelehrt. Darum und aus keinem andern Grunde mußte die „Balle Decisme“ erfunden werden.

Im Triumph wurde nun Jäger und Wild in’s Zeltlager der Ulad Nayl zurückgebracht. Die Beschreibung der Festlichkeiten, die jetzt erfolgten, übergehe ich. Die Araber glaubten allgemein, ich müsse einen Talisman besitzen, um so richtig getroffen zu haben. Es war unmöglich, sie von der Wahrheit zu überzeugen. Sie selbst sind gewohnt, so viel Pulver unnütz zu verschießen, daß sie gar nicht begreifen können, wie ein Jäger so an sich zu halten vermag, daß er nur dann schießt, wenn er seines Schusses, in so weit dies überhaupt möglich, vollkommen gewiß sein kann. Geduld, Berechnung, Ruhe und Sicherheit im entscheidenden Augenblick, diese Dinge bildeten den Talisman, dem ich den Glücksschuß verdankte. Aber es wäre leichter gewesen, die Araber von einer Eisenbahn im Monde zu überzeugen, als davon, daß so einfache Dinge ein solches Resultat erzielt hätten.

Nur Ein Mann freute sich nicht über den glücklichen Ausgang meiner Jagd. Das war Ammen, der Araber, welcher seine Stute gegen meinen Hengst gewettet hatte, daß ich den Panther nicht schießen würde. Ammen hätte zwar nun, wie dergleichen schon öfter vorgekommen, sich der Erfüllung seiner Pflicht durch schleunige Flucht auf seiner Stute entziehen können, um erst nach meiner Abreise zu seinem Stamm zurückzukehren. Die Araber glaubten allgemein, daß er dies thun werde; einige behaupteten sogar, er habe es schon gethan. Aber Ammen war eine ehrliche Haut. Das, was die Araber für seine Flucht gehalten hatten, war nur ein letzter Ritt gewesen, den er auf seiner geliebten Stute machen und mit welchem er gleichsam von ihr Abschied nehmen wollte, ehe er sie mir auslieferte. Dies letztere that er wirklich.

Ich sah ihn mit tiefbetrübtem Gesicht, die Stute am Halfter, vor mich treten. „Allah,“ so sprach er, „hat es so gewollt, daß dieses Thier, mein ganzes Hab und Gut, nun Dir gehören soll. Nimm es und Gott gebe Dir Glück dazu, mehr Glück, als mir fortan beschieden ist. Denn mein Leben ist gebrochen!“

So schwer empfindet ein Araber den Verlust eines Lieblingspferdes, namentlich wenn es von so edler Race ist, wie Ammen’s Stute, denn edle Pferde sind in Nordafrika sehr selten. Jedoch, wie sehr mich auch der Besitz der Stute unter anderen Umständen gefreut hätte, ich konnte es nicht über’s Herz gewinnen, sie Ammen zu rauben. So viel sie mir auch gelten mochte, ihm galt sie unendlich viel mehr. Sie war sein Leben, seine Ehre, denn ein edles Pferd verschafft dem Besitzer oft hohes Ansehen. Ich wußte, daß er, hätte ich auf den Wettpreis bestanden, von nun an sein Haupt nicht mehr unter seinen Stammesgenossen hätte erheben können. Spott und Verachtung wäre sein Loos gewesen. Ich gab ihm seine Stute zurück. Der ehrliche Mann traute seinen Ohren kaum. Endlich begriff er es, und nun war des Jubels und des Preisens meiner Großmuth kein Ende. Ich besaß fortan in Ammen einen treuen erprobten Freund, der schwur, sein Leben für mich zu lassen. Ich glaube, er hätte seinen Schwur im Nothfalle gehalten.

Ich mußte noch acht Tage bei den Ulad Nayl bleiben, um den Festlichkeiten beizuwohnen, die sie mir zu Ehren veranstalteten. Dann verließ ich diesen Stamm. – Seitdem habe ich nie wieder Gelegenheit zu einer Pantherjagd gehabt.




Ein überall beliebter Pfaffe.


Wir erzählen diesmal von einem Liebling des Volkes. Seine außerordentliche Befähigung, Lieder pfeifen zu lernen, hat dem Dompfaffen den Weg selbst über Meere in ferne Welttheile und Länder gebahnt. Um seinen Besitz buhlen bei uns auf dem Vogelsberg Hunderte von Händlern und Auswanderern. Die Erzieher und Pfleger der jungen Dompfaffen wetteifern mit einander in Hingebung und Sorgfalt. Man muß Augenzeuge gewesen sein, um die Gewissenhaftigkeit und die aufopfernden Bemühungen würdigen zu können, welche in den Dompfaffenschulen walten. Dort sitzt der alte Leinweber an seinem Webestuhl, und sein einziger Gedanke, der ihn von seiner Arbeit ablenkt, umschwebt das kleine Nest mit den hülflosen Vögelchen. In vielen Fällen theilen Frau und Kinder mit dem Manne die Sorge um die zarten Nestlinge. In einem Tassenschälchen befindet sich das Futter, welches aus Sommerraps, der mit den Zähnen fein zermalmt und mit Speichel vermischt wird, und aus zu Brei bereitetem hartgesottenem Hühnereigelb besteht. Ein Federkiel oder ein Hölzchen, in welches vorn eine löffelartige Rinne geschnitten ist, dient dazu, den Vögelchen in regelmäßigen Zwischenräumen von einer halben oder dreiviertel Stunde mehrere Gaben Futters zu reichen. Reinlichkeit wird als Grundbedingung angesehen, unter welcher der junge Vogel gedeiht. Nach der Fütterung deckt man die Kleinen mit einem wollenen Lappen zu. An rauhen Tagen wird der Ofen mäßig erwärmt und das Nest in dessen Nähe oder auch in ein auf demselben angebrachtes Kästchen gesetzt. Scheint die Sonne warm zum Fenster herein, so findet das Nest seinen Platz auf dem Fenstergesimse, wo jedoch die Strahlen nicht unmittelbar die Vögelchen treffen, sondern durch Erwärmung der Decke wirken. Die Erfahrung hat den Pfleger gelehrt, den Pfleglingen die geeignete ihnen zusagende Temperatur zuzuführen; ebenso weiß er das Quantum des Futters richtig abzuwägen und die Pausen ohne Uhr einzuhalten. Ein vortreffliches Mittel wird hier zu Lande angewendet, um etwa im Kropfe sitzen gebliebenes und zu einem Klümpchen verhärtetes Futter, welches die Ursache von Entzündung und dem unausbleiblichen Tod sein würde, zu entfernen. Man gießt dem Vogel einige Tropfen Thran ein, worauf Erbrechen erfolgt. Sollte Durchfall bei einem der Jungen sich zeigen, so wird dieses unverzüglich allein gesetzt und sehr warm gehalten, denn es würde sonst das Nest beschmutzen, und die Feuchtigkeit wäre ein Verderben für die Geschwister, welche außerdem von der Krankheit noch angesteckt werden würden.

Unter solcher unausgesetzt treu und gewissenhaft vollzogenen Pflege und Wartung gedeihen die jungen Dompfaffen vortrefflich, und es kommt in der That nur selten vor, daß eins derselben stirbt. Täglich decken die aus den Kielen sich entfaltenden Federn als immer breiter werdende Fähnchen die Blößen des Körpers, und bald sind die Vögel flügge, das heißt, das Gefieder deckt den ganzen Körper, obwohl das Schwänzchen erst zur Hälfte gewachsen und die Schwungfedern noch nicht ihre vollkommene Länge erlangt haben. Wenn nun die Decke vom Neste oder dem Kästchen, worin sie sich befinden, gehoben wird, so schnurren sie mit den Flügeln und streben, dem engen Behälter zu entrinnen. Noch kurze Zeit, und sie sind reif, in Käfige versetzt zu werden. Sobald sie allein zu fressen vermögen, werden sie strenge von

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_177.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)