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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

Lockt Dich das? Sieh, wie die Alte
Ueberredend zu Dir spricht,
Daß Dein Herz nicht Treue halte!
Und wie leuchtet ihr Gesicht!
Haus und Mühle und Gesinde
Fällt Dir zu – da fliegt Dein Blick
Drüben zu dem bleichen Kinde
Mit dem traurigen Geschick.

Liebliche Gedanken neigen
Sich Dir zu in alter Huld –
Laß die Mutter! Heiß’ sie schweigen!
Ehrlich sühne Deine Schuld.
Horch, der Bote! Nun entschieden
Wird der Streit – Hans, hab’ Verstand!
Laß den Amtmann drin in Frieden
Und dem Mädchen reich’ die Hand.




Ueber den Kreislauf des Stoffes durch die drei Reiche der Natur.


Vortrag, gehalten den 19. März l. J. im Amphitheater seines physiologischen Privat-Laboratoriums zu Leipzig


von Prof. Joh. N. Czermak.


(Schluß.)


Die Thierwelt kann also nirgendwo anders als in den organischen Stoffen, welche die Pflanzen gebildet und aufgespeichert haben, das ihr unentbehrliche organische Stoff- oder Nahrungsmaterial finden – und wenn auch in den Säften und Geweben der Thiere eigenthümliche organische Stoffe enthalten sind, welche in den Pflanzen nicht vorkommen, so sind dieselben nicht etwa vom Thiere selbst aus unorganischen Elementen neugebildet worden, sondern nur Modificationen jener organischen Pflanzenstoffe, welche das Thier entweder unmittelbar in seiner Pflanzenkost aufgenommen hat, oder welche das Thier, wenn es, wie die reinen Fleischfresser – Löwen und Tiger z. B. – niemals Pflanzenkost genießt, mittelbar aus solcher erhält, indem es andere Thiere verzehrt, die entweder selbst Pflanzenfresser sind oder sich von Pflanzenfressern nähren.

Kurz also: das Thier entnimmt das ihm unentbehrliche organische Stoffmaterial in Form von Kohlehydraten, Fetten und Eiweißkörpern, mittelbar oder unmittelbar, somit letzten Endes immer nur der Pflanzenwelt.

Auch die unorganischen Stoffe, welche das Thier zur Erhaltung seines Lebens noch weiter bedarf – Wasser und Mineralsalze – findet es zum Theil ebenfalls schon in den Pflanzen, zum Theil eignet es sich dieselben unmittelbar aus der unorganischen Welt an. Unter diesen letzteren Stoffen ist es vor Allem der freie Sauerstoff, welchen das Thier als wichtigstes und unentbehrlichstes Lebenselement der Atmosphäre oder – wie alle im Wasser lebenden Thiere – der im Wasser absorbirten Luft vermittelst seiner Athmungsorgane unmittelbar entnimmt.

Der freie Sauerstoff dringt durch die Athmungsflächen in die Blut- oder Säftemasse des Thieres und wird im ganzen Körper desselben vertheilt; so gelangt er mit allen Bestandtheilen der lebenden thierischen Gewebe, so wie mit den durch die Verdauung modificirten und ebenfalls in und durch die circulirende Blut- und Säftemasse aufgenommenen und im ganzen Körper vertheilten Nahrungsstoffen in innige Berührung.

Die nothwendige Folge davon ist, daß im Thiere alle die organischen Substanzen, die es letzten Endes aus der Pflanzenwelt bezieht, einer langsamen Verbrennung, einer allmählichen Oxydation verfallen und, durch Spaltung in immer einfachere und höher oxydirte Verbindungen zerlegt, endlich die uns schon bekannten unorganischen Zerstörungsproducte der organischen Substanzen liefern, welche fortwährend an die Außenwelt abgegeben werden.

Wie die rasche künstliche Verbrennung und die träge verlaufende Fäulniß, so liefert der Lebensproceß selbst genau dieselben letzten Zersetzungs- oder Zerstörungsproducte unorganischer Natur – nämlich: Wasser, Kohlensäure, Ammoniak und Mineralsalze.

Das Thier scheidet in der That während seines lebendigen Bestehens ununterbrochen nebst Mineralsalzen Kohlensäure, Wasser und stickstoffhaltige, alsbald in Ammoniak und Kohlensäure zerfallende Zerstörungsproducte aus – und Sie erkennen, daß das Thier ein chemischer Apparat ist, welcher, im Gegensatze zur Pflanze, Sauerstoff verzehrt, und die organische Substanz durch die – der Desoxydation und Synthese entgegengesetzten – Vorgänge der Oxydation und Spaltung schließlich in dieselben unorganischen Verbindungen zerlegt, aus welchen sie die Pflanze ursprünglich aufgebaut und erzeugt hat.

Während wir die Rolle und Bedeutung der Pflanzenwelt im großen Haushalt der Natur dahin formulirten, daß sie es sei, welche aus unorganischem Stoffmaterial unter Sauerstoffentbindung organische Substanz erzeugt, sehen wir jetzt, daß die Thierwelt es ist, welche der regressiven Stoffmetamorphose dient, d. h. unter Sauerstoffbindung die organische Substanz zerstört und vernichtet, und aus ihr dasselbe unorganische Stoffmaterial wiederherstellt, welches die Pflanze zur organischen Synthese, zur progressiven Stoffmetamorphose braucht.

Es ist aber auch hier hervorzuheben, daß im Thiere die Vorgänge dieser regressiven Stoffmetamorphose nicht die ausschließlich vorkommenden, sondern nur die überwiegenden und bedeutungsvollsten sind und daß neben diesen auch im Thiere gewisse Synthesen vorkommen; immerhin liegt in der regressiven Stoffmetamorphose die Rolle und Bedeutung des Thierreichs im großen Haushalte der Natur.

In ihren Beziehungen zur Atmosphäre unserer Erde sind Thier und Pflanze daher nothwendig in ununterbrochenem Antagonismus.

Die Pflanze entnimmt derselben fortwährend Kohlensäure, zerlegt dieselbe, behält den Kohlenstoff für sich zurück und erstattet ihr dafür freien Sauerstoff.

Unter dem Einflusse der von der Sonne bestrahlten Vegetation sucht sich die Atmosphäre ihres ganzen Kohlensäuregehaltes zu entledigen und dagegen an freiem Sauerstoff reicher zu werden.

Das Thier im Gegentheil bemächtigt sich des Sauerstoffs der Luft, verbrennt damit die organischen Bestandtheile seiner Körpersubstanz und Nahrung und haucht dafür eine fast gleiche Menge Kohlensäure aus. Durch die Lebensthätigkeit der Thiere wird die Atmosphäre fortwährend sauerstoffärmer und kohlensäurereicher. Nichtsdestoweniger haben genaue und zahlreiche chemische Analysen sichergestellt, daß die Zusammensetzung der Atmosphäre in allen Regionen der Erde merklich dieselbe ist, und daß, wenn das relative Mischungsverhältniß der drei Hauptbestandtheile der atmosphärischen Luft, Stickstoff, Sauerstoff und Kohlensäure, auch nicht absolut constant ist, doch nur Schwankungen innerhalb sehr enger Grenzen vorkommen. Die Entwickelung und Vertheilung der Organismen muß daher heutzutage auf einem Punkte angelangt sein, daß sich die oxydirende Thätigkeit der Thiere und die reducirende der Pflanzen das Gleichgewicht halten, denn aus der Gleichzeitigkeit dieser beiden antagonistischen Thätigkeiten resultirt nothwendig der jeweilige Zustand, in welchem sich die Atmosphäre thatsächlich befindet.

Unzweifelhaft war es nicht immer so wie jetzt mit der Zusammensetzung der Atmosphäre bestellt. In früheren Epochen der Entwickelung unseres Planeten war der Kohlensäuregehalt der Luft ein ungleich größerer als jetzt. Ihn hat nur die anfangs überwiegende und kolossale Entwickelung und Verbreitung des vorweltlichen Pflanzenreichs so bedeutend herabgemindert; und dabei ist der Kohlenstoff, der früher im kohlensauren Gas der Atmosphäre in den Lüften schwebte, in fester Form und vom Sauerstoff befreit in die Tiefen der Erde gelangt, wo wir ihn heute in den ungeheuren Steinkohlenflötzen und Braunkohlenlagern wiederfinden und, indem wir ihn als Brennmaterial benutzen, zum mächtigsten Bundesgenossen für die Entwickelung der Industrie und des Weltverkehrs machen.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 354. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_354.jpg&oldid=- (Version vom 27.8.2018)