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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

(den Lichtbrechungsapparat) werden die vor dem Auge auseinanderstrahlenden Lichtwellen nach und nach so gebrochen und dadurch einander genähert, daß sie endlich auf der Netzhaut in einem Punkte (Bild) zusammentreffen. Hier ist es nun, wo die sogenannten optischen Endorgane (Stäbchen und Zapfen) durch die auffallenden Lichtwellen mechanisch gereizt, zu Molecularbewegungen veranlaßt und in Schwingungen versetzt werden, welche sich auf die Sehnervenfasern übertragen und von diesen dem Gehirn (Bewußtsein) mitgetheilt werden. Daselbst kommen dann die Sehempfindungen zu Stande.

Der Weg, welchen die Schallwellen zu machen haben, um zum Gehörnerven zu gelangen und durch diesen im Gehirn Gehörsempfindungen zu veranlassen, ist folgender: die auf das Ohr fallenden Schallwellen pflanzen sich durch den äußern Gehörgang

Schema der Netzhautschichten nach Max Schultze.
1. Innere Begrenzungsschicht. 2. Sehnervenfaserschicht. 3. Ganglienzellenschicht. 4. Innere granulirte Schicht. 5. Innere Körnerschicht. 6. Aeußere granulirte Schicht. 7. Aeußere Körnerschicht. 8. Aeußere Begrenzungsschicht. 9. Stäbchen- und Zapfenschicht. 10. Pigmentschicht.

zum Trommelfelle fort und bringen dasselbe in Schwingungen. Diese letzteren werden, mit Hülfe der mit dem Trommelfelle verbundenen Gehörknöchelchen (Hammer, Ambos, Steigbügel), durch die (von der Ohrtrompete mit Luft gespeiste) Paukenhöhle dem Wasser des Labyrinthes mitgetheilt und gelangen so zu den akustischen Endorganen (Hörhaaren und Haarzellen).

Was den Bau und die Thätigkeit der genannten Endorgane betrifft, so verdanken wir vorzugsweise den Forschungen von Max Schultze die Kenntniß der optischen, denen von Corti, Kölliker, Helmholtz u. A. die der akustischen Endorgane. – Stäbchen und Zapfen sind vollkommen durchsichtig und bestehen aus einer gleichartigen fettigglänzenden, weichen und sehr zarten Masse; sie hängen mit den feinsten Enden (Primitivfäserchen) des Sehnerven zusammen. Ihre (durch die Lichtwellen veranlaßten) Schwingungen versetzen die Nerven mechanisch durch Erschütterung in Erregung. Die Stäbchen sind cylindrisch, stehen dicht nebeneinander und nehmen in regelmäßigen Abständen die kürzeren und flaschenförmigen Zapfen zwischen sich. Die verschiedene Vertheilung der Stäbchen und Zapfen im menschlichen Auge und bei verschiedenen Thieren unterstützt die Hypothese über die verschiedene Function derselben. So befinden sich im menschlichen Auge (und in dem der Affen) da in der Netzhaut, wo das schärfste und deutlichste Sehen stattfindet (neben dem hinteren Ende der Augenaxe, an und rings um den gelben Fleck mit seiner Centralgrube), nur Zapfen und diese nehmen nach dem vordern Rande der Netzhaut mit dem scharfen Farbenunterscheidungsvermögen stetig ab. Bei den Nachtvögeln (Eulen) überwiegen die Stäbchen an Zahl; ausschließlich zapfenführend oder doch sehr reich daran ist dagegen die Netzhaut vieler Eidechsen, Schlangen, Schildkröten, und wahrscheinlich aller Reptilien. Bei Säugethieren, welche die Nacht oder die Dämmerung dem Tage vorziehen, fehlen die Zapfen gänzlich (wie bei der Fledermaus, dem Igel und Maulwurf) oder sie treten in einer sehr auffallenden Weise gegen die Stäbchen zurück. Ratte, Maus, Siebenschläfer, Meerschweinchen besitzen nur wenig und unvollkommene Zapfen.

Die Hörhaare sowie die Härchen der Hör- oder Haarzellen sind kleine elastische Anhänge an den feinsten Nervenfäserchen des Gehörnerven, ihre (durch die Schallwellen erzeugten) Schwingungen erregen die Nerven mechanisch durch Erschütterung. Die zwischen den Haarzellen stehenden Corti’schen Bogen scheinen keine nervösen Endorgane zu sein. Dafür spricht auch, daß die scharfhörenden Vögel diese Gebilde gar nicht besitzen. Sie sind wohl nur als Resonatoren anzusehen, welche die (durch die Wellen des Labyrinthwassers erzeugten) Schwingungen der Grundmembran, auf welcher sie aufstehen, aufnehmen,

Schematischer senkrechter Durchschnitt durch die vergrößerte Schnecke.
a. Vorhofstreppe. b. Schneckengang. c. Paukentreppe. d. Reißner’sche Haut. e. Grundmembran mit dem Corti’schen Organ. f. Spindel der Schnecke mit den Nerven. g. Kuppelblindsack.

selbst in Schwingungen gerathen und diese den Haarzellen mittheilen. Als Dämpfungsapparate könnten angesehen werden: die Ohrsteinchen im Labyrinthwasser, ebenso des Vorhofs, der Ampullen, wie der Schnecke, sowie die Corti’sche oder Deckhaut, welche wie ein durchlöcherter Gallertschleier über dem Corti’schen Organe ausgebreitet ist. – Das Corti’sche Organ liegt auf der Grundmembran und besteht aus den Corti’schen Bogen mit äußeren und inneren Pfeilern, aus inneren und äußeren Haarzellen, aus der Netzhaut und der Deckhaut.

Die Helmholtz’sche Theorie, daß der Vorgang des Hörens auf dem Phänomen der Mitschwingung specifischer akustischer Endapparate beruhe, wurde durch die Versuche Hensen’s glänzend bestätigt, indem es diesem gelang, die Hörhaare durch Töne in Mitschwingungen zu versetzen. Durch einen dem Trommelfell und den Gehörknöchelchen nachgebildeten Apparat leitete er den Schall

Schematischer senkrechter Durchschnitt der Schneckentreppen und des Corti’schen Organs.
a. Schneckengang. b. Vorhofstreppe. c. Paukentreppe. d. Knöcherne Spiralplatte. e. Häutige Spiralplatte und Grundmembram. f. Schneckengehäusewand. g. Schneckennerv. 1. Reißner’sche Haut. 2. Huschke’s Gehörzähne. 3. Corti’sche oder Deckhaut. 4. Innere Haarzelle. 5. Innerer und 6. äußerer Pfeiler eines Corti’schen Bogens. 7. Aeußere Haarzellen, überdeckt (ebenso wie 4., 5. und 6.) und von der * * durchlöcherten Netzhaut, durch welche die Hörhärchen der Haarzellen heraussehen. 8. Hensen’sche Stützzellen. 9. Oberhäutchen.

eines Klapphorns in das Wasser, in welchem er unter dem Mikroskop einen Geiselkrebs (Mysis) beobachtete. (Die Krustenthiere haben nämlich an ihrer Körperoberfläche Hörhaare, die eine nach der Größe geordnete Reihenfolge von größeren und dickeren zu kürzeren und feineren Härchen übergehend bilden.) Es ergab

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 585. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_585.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)