Seite:Die Gartenlaube (1872) 708.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

Da kam im October 1808 Friedrich Arnold Brockhaus, welcher in Amsterdam eine Buchhandlung unter der Firma „Kunst- und Industrie-Comptoir“ besaß, zur Leipziger Messe. Seine Aufmerksamkeit wurde auf das Conversationslexikon gelenkt und mit richtigem Blicke erkannte derselbe sehr bald, daß dem ganzen Werke eine vortreffliche Idee zu Grunde lag und daß dasselbe bei richtiger Bearbeitung und bei einer umsichtigen geschäftlichen Ausbeutung der weitesten Verbreitung fähig sei. Nachdem es aus einer Hand in die andere übergegangen, war Richter, bei dem es zuletzt verblieb, wahrscheinlich froh, dasselbe los zu werden und sich dadurch für seine Forderung an Herzog zu decken; Brockhaus dagegen war zum Ankaufe schnell entschlossen, und so gingen denn, noch bevor der sechste Band ausgegeben und im Drucke vollständig beendet war, die gesammten, freilich wohl nicht bedeutenden Vorräthe des Werkes für die Summe von achtzehnhundert Thalern an denselben über.

Mit diesem Augenblicke beginnt nun für das Werk eine ganz neue ungeahnte Aera. Brockhaus läßt es schnell im Druck vollenden und veranstaltet sofort unter dem Titel „Conversationslexikon, oder kurzgefaßtes Handbuch für die in der gesellschaftlichen Unterhaltung aus den Wissenschaften und Künsten vorkommenden Gegenstände mit beständiger Rücksicht für die Ereignisse der älteren und neueren Zeit“ eine neue Ausgabe davon. Er bringt sehr bald (1809–1811) die im Vorworte zum fünften Bande versprochenen Nachträge, welche unser Franke bearbeitet und redigirt und wofür er für sich und seine Mitarbeiter ein Honorar von acht Thalern für den Bogen erhält; er geht überhaupt mit einer den bisherigen Verlegern ganz unbekannten Energie, mit Thatkraft und großem Verständniß an die Bekanntmachung und Verbreitung des Werkes, und – sein Wirken hat einen nicht vorausgesehenen Erfolg. So unvollkommen auch das Conversationslexikon in seiner ersten Auflage erschien, so bewies der Anklang, den es jetzt im Publicum fand, daß das Bedürfniß eines solchen Buches wirklich vorhanden war, denn schon im Jahre 1812 stellte sich die Nothwendigkeit einer zweiten Auflage heraus, und an die Spitze der Redaction trat Brockhaus selbst.

Ueber den weiteren großartigen Erfolg des Unternehmens zu berichten, geht über die Grenzen dieses Aufsatzes hinaus. Wer sich specieller dafür interessirt, der findet Ausführliches darüber in einem unlängst erschienenen, vom Verfasser dieses Aufsatzes auch mehrfach benutzten Werke über Friedrich Arnold Brockhaus. Dasselbe wurde zur Feier des hundertjährigen Geburtstages des Letzteren ausgegeben und in ihm setzt der Enkel (Heinrich Eduard Brockhaus) dem würdigen und allgemein geschätzten Großvater ein Denkmal der Liebe und Dankbarkeit. In dem vorstehenden kleinen Aufsatze versucht es der Sohn, seinem theuren Vater, dem Advocaten Christian Wilhelm Franke, ein Gleiches, wenn auch im bescheidensten Maße, zu thun. Franke war ein Ehrenmann im vollsten Sinne des Wortes; voll der liebenswürdigsten Eigenschaften, geistig befähigt und vielseitig gebildet, besaß er trotz einer sehr schwankenden Gesundheit eine unermüdliche Arbeitskraft und eine Ausdauer, wie sie nur Wenigen vergönnt ist. Vielfach von Mißgeschick und Unglücksschlägen verfolgt, war sein ganzes Leben der aufreibendsten Thätigkeit und Arbeit und der sorgsamsten Erziehung seiner Kinder gewidmet, bis ihn der Tod am 7. April 1831 den Seinen entriß.

Aus der bisherigen Schilderung geht wohl hinreichend hervor, daß Franke mit Recht zu den Gründern des Conversationslexikons zu rechnen ist, und wenn es, wie in der oben erwähnten Brockhaus’schen Schrift gesagt wird, bei buchhändlerischen Unternehmungen viel weniger auf die erste Idee, als auf die geschickte und praktische Ausführung derselben ankommt, so gilt dies wohl vorzugsweise von der geschäftlichen, von der pecuniären Seite der Sache und in dieser Auffassung trifft jenes Wort wohl nirgends so zu, wie in dem vorliegenden Falle. Das Conversationslexikon wurde, wie Brockhaus wörtlich fortfährt, zum Grundstein seines endlich fest begründeten Hauses und zum Mittelpunkt der umfassendsten Thätigkeit desselben; für unsern Franke war es ein Quell der unendlichsten Sorgen, die frühzeitig seine Gesundheit untergruben, ein Quell, der allein nicht hinreichte, um ihm und den Seinen den nothwendigen Lebensunterhalt zu gewähren. Wie sehr er übrigens mit der dem Conversationslexikon zu Grunde liegenden Idee verwachsen war, geht daraus hervor, daß er später, wahrscheinlich nach Abbruch seiner Verbindung mit Brockhaus, im Jahre 1813 ein neues „kleines Conversationslexikon oder Hülfswörterbuch für Diejenigen, welche über die beim Lesen sowohl, als in mündlicher Unterhaltung vorkommenden mannigfachen Gegenstände vorher unterrichtet sein wollen“, herausgab, welches in vier Bänden bei Gerhard Fleischer dem Jüngeren erschien. In der Vorrede dazu sagt er, daß er zu dessen Herausgabe wohl nicht unberufen erscheine, da er vom Anfange an von dem Herausgeber jenes (des Löbel’schen) Lexikons zur thätigsten Theilnahme gezogen wurde und später nach dem Tode Löbel’s die Herausgabe der letzten Theile, sowie der Supplementbände, allein übernahm. Eine zweite Auflage dieses kleineren Conversationslexikons erschien im Jahre 1829, eine dritte nach dem Tode des Verfassers 1834, eine vierte 1844 bis 1846. –

Ist es dem Verfasser gelungen, vor dem Auge seiner Leser ein treues Bild von dem Entstehen eines so bedeutenden Buches, wie es das Brockhaus’sche Conversationslexikon ist, zu entrollen, so bittet er sie, sich im Geiste noch einmal in die oben geschilderte Zeit zurückzuversetzen und dann einen Blick in die Gegenwart zu werfen. Vielleicht steht, lieber Leser, auf Deinem Schreibtisch die neueste oder eine neuere Auflage jenes Buches, welches seinen Weg durch die Welt fand, vor Dir. Dann denke beim Anblick derselben an die bescheidene Ausstattung der oben beschriebenen ersten Ausgabe, denke der unsäglichen Mühen derer, die sie schufen, versetze Dich mit mir in die erbärmliche, in einem engen und finsteren Gäßchen Leipzigs gelegene Geschäftsstube Leupold’s und begieb Dich dann in die großartigen Werkstätten und Räume des Hauses Brockhaus, in denen die vor Dir stehende Auflage geschaffen wurde, – in jene Räume, die wenigstens nicht zum kleinsten Theil ihre Entstehung und Erweiterung der mit Umsicht und Geschick ausgeführten Ausbeutung einer glücklichen Idee verdanken.

Hermann Francke.




Bühnen-Erinnerungen.


1. Bogumil Dawison.


„Das Virtuosenthum schadet der wahren Kunst!“ ist eines der modernen Schlagworte. In gewissem Sinne ist das richtig. Die Einheit der Darstellung geht unter Mitwirkung berühmter Virtuosen fast immer in die Brüche. Solche gastirende Koryphäen legen sich den Dichter und sein Stück je nach Bedarf zurecht. Die Bedeutung der übrigen Rollen aber wird sehr gern, wenn irgend möglich, auf ein Minimum reducirt, damit nichts die Wirksamkeit der Leistung des betreffenden Souverains im Reiche der Kunst schwäche. Der Schauspieler, dem eine so zusammengestrichene und der besten Pointen beraubte Rolle zu Theil wird, geht mit Unlust an dieselbe, was man ihm nicht verargen kann. Wir können natürlich nicht Alle Matadore sein, aber es giebt, Gott sei Dank, außer den landläufigen Grüßen noch eine recht respectable Zahl wahrer Künstler im lieben Vaterlande, die jedenfalls bessere Repertoireschauspieler sind und nicht nur auf zehn bis zwölf Paradepferden reiten, wie unsere Ehrenpassagiere. Wer verrichtet aber gern Handlangerdienste, wenn er das Zeug in sich fühlt, einen Bau selbstständig leiten zu können?

In diesem Sinne, in dem Zerstückeln des Werkes und der Wirkung ist das obige Schlagwort richtig. Das Virtuosenthum ist aber in Etwas – und darin liegt seine Stärke – dennoch berechtigt, denn es wurzelt im Geiste der Zeit. Unsere ganze materielle und realistische Richtung begünstigt es und macht es lebensfähig. Hätte der große Ludwig Devrient zum Beispiel zur Zeit der Eisenbahnen und Dampferlinien gelebt, ich bin überzeugt, auch er würde einen ausgiebigen Gebrauch dieser großartigen Verkehrserleichterungen zu Gastspielzwecken gemacht haben. Das Publicum findet sich am zahlreichsten beim Auftreten berühmter Größen ein, und die Theorien der Leute vom Fach lassen dem Unternehmer die Casse leer. Grund genug, das Virtuosenthum fortwährend

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 708. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_708.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)