Seite:Die Gartenlaube (1872) 841.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

Staub und Asche in der kühlen Erde, so lebt ewig Freundschaft, Lieb’ und Wein.“

So war also der fröhliche Lebemann, der Verehrer von Lieb’ und Wein, der rücksichtslose Humorist, am Ende seines Lebens noch unter die Zweifler und Philosophen gegangen.

Ob er aber auch „hinuntergefahren in die unterirdische Erde“, er konnte dort nicht lange ruhen. In den langen, dunkeln Gängen der Hofapotheke, die rings um das Hinterhaus derselben führen, ging er noch lange um als schreckendes und drohendes Gespenst für – uns Kinder. Und das war eine gute Zeit danach. Da hatte indeß der „alte Ritter“ die Apotheke auch wieder seinem treuen Provisor und Schwiegersohn Osann vermacht, dessen Lehrherr noch Wilhelmi war, und Haus und Gänge hallten wieder von den sonst drin ungewohnten Klängen lauter Kinderstimmen. Noch immer gehörte die Gastfreiheit zur Signatur des Hauses, und so sammelte sich um die beiden blühenden Söhne die ganze Schaar der Nachbarskinder, und wenn nun der Lärm und das Toben auf Flur und Gängen zu toll wurde, so rief es aus einer der vielen finsteren Stellen der bedeckten Holzgalerie, namentlich da, wo es hinaufging nach den Kräuterkammern, mit hohler Stimme plötzlich uns zu: „Ruhe, Ihr Rangen! Wilhelmi ist da!“ – und der Lärm verstummte wie durch ein Zauberwort. Eduard, der aufgeweckte älteste Sohn des Hauses,[1] wollte zwar herausgefunden haben, es sei die verstellte Stimme der alten Christiane, die uns immer die großen Butterbrode strich, oder Wilhelm’s, des langen Stößers; aber er hatte nicht Recht. Wir sahen von dem dunkeln Raume ganz deutlich die Figur des alten Commerzienraths mit Schlafrock und Zipfelmütze und mit der nach uns gerichteten drohenden Rechten sich abheben.

Fr. Helbig.


  1. Derselbe starb früh als Docent der Geschichte in Gießen in Folge ein gräßlichen Unfalls.




Die Kometen und die Erde.
Von Dr. Hermann J. Klein.


Die Kometen haben in früherer Zeit den Völkern große Angst und neuerdings den Gelehrten viel Kopfzerbrechen verursacht. Heute weiß man ganz genau, daß die Schweifsterne keine Zuchtruthen Gottes sind, daß sie auch zu Seuchen und Kriegen in keinerlei Beziehung stehen, aber ihr Wesen an und für sich hat viel Räthselhaftes für uns. Es sind in der That seltsame Weltkörper, diese Kometen. Unangemeldet steigen sie aus den Tiefen der Himmelsräume zu unserer Sonne hernieder, glänzen eine kurze Zeit am nächtlichen Firmamente und verlieren sich dann auf Nimmerwiedersehen. Nur eine ganz kleine Anzahl dieser „Gaststerne“ kehrt regelmäßig nach Ablauf einer gewissen Jahresreihe zurück; aber ihre heutigen Bahnen sind, wie hervorragende Astronomen glauben, vielleicht nicht die ursprünglichen, sondern im Laufe der Zeit durch die Anziehung der Planeten unsers Sonnensystems entstanden. Diese Kometen würden also hiernach gewissermaßen Eroberungen unseres Sonnensystems sein.

Obgleich die Zahl der mit bloßem Auge sichtbaren Kometen nicht groß ist, so muß doch aller Wahrscheinlichkeit nach die Menge dieser im Weltraum herumschwärmenden Himmelskörper eine beträchtliche sein; in der nächsten Umgebung unseres Sonnensystems circuliren gewiß Tausende. Man schließt dies daraus, weil überhaupt nur diejenigen Kometen für uns sichtbar sind, welche der Sonne und Erde verhältnißmäßig sehr nahe kommen, während andrerseits gar kein Grund zu der Annahme vorliegt, daß in größeren Entfernungen keine Kometen vorhanden seien. Man hat sich früher viel mit der Frage herumgeplagt, ob die Erde mit einem Kometen zusammenstoßen könne und welches die Folgen davon sein würden.

Da diese Gestirne aus allen Richtungen her sich gegen die Sonne hin bewegen und da ihre Anzahl beträchtlich ist, so kann die Möglichkeit eines Zusammentreffens mit der Erde nicht in Abrede gestellt werden. Die Rechnung zeigt, daß die Wahrscheinlichkeit eines solchen centralen Zusammenstoßes indeß außerordentlich gering ist, selbst eine sehr beträchtliche Annäherung eines Kometen an die Erde ist sehr unwahrscheinlich, und fände sie je statt, so könnte sie in Folge der raschen Bewegung beider Himmelskörper nur ganz kurze Zeit dauern. Wenn die Erde mit einem Kometen zusammentreffen soll, so muß sich dieser gleichzeitig an der Stelle befinden, welche unser Planet eben einnimmt. Der Astronom Weiß in Wien hat diejenigen Kometen zusammengestellt, bei welchen diese Bedingungen ziemlich nahe erfüllt waren, und was hat er gefunden? Weiter Nichts, als daß um dieselbe Zeit zahlreiche Sternschnuppen wahrgenommen worden sind. Sternschnuppen haben aber bekanntlich noch keinem Menschen etwas zu Leide gethan, ja zum großen Aerger der Naturforscher kommen sie niemals auf den Boden herab, sondern verschwinden Meilen hoch in der Luft.

Aber die Schweife der Kometen? Es ist wahr, diese sind in vielen Fällen von ganz respectablen Dimensionen, und wenn auch die kleinen Kometen keine Lichtschweife zeigen, so besitzen doch in anderen Fällen manche „Haarsterne“ Besen – wie die Chinesen die Kometenschweife nennen – von zwanzig Millionen Meilen Länge. Die Wahrscheinlichkeit, daß unsre Erde mit einem solchen Kolosse zusammentreffen könne, ist nicht ganz Null; aber wir dürfen uns über die Folgen einer solchen Katastrophe beruhigen. Die Rechnungen der Astronomen haben nämlich ergeben, daß der Fall schon dagewesen ist und Niemand etwas davon bemerkt hat. Die Kometenschweife sind keine compacten Körper, sondern Wesen von großer Feinheit, die wahrscheinlich aus Staub- und Dampftheilchen bestehen und deren durchschnittliche Dichtigkeit weit geringer ist als die unserer Luft in großer Höhe.

Der Kopf, die Nebelhülle mit dem Kerne, ist der wichtigste Theil des Kometen, von ihm geht der Schweif aus und zwar ist es merkwürdig, daß sich die Nebelhülle sammt dem Schweife in dem Maße vergrößert, als sich der Komet der Sonne mehr und mehr nähert. Daneben erkennt man mittelst kräftiger Fernröhre auch noch andere Veränderungen an den Kometenköpfen, z. B. ein Hin- und Herschwenken heller Lichtstrahlen, die fontainenartig mit dem Kerne aufsteigen, kurz, die Kometenköpfe erscheinen uns in der Sonnennähe stets im Zustande großartiger Revolutionen und diese nehmen an Ausdehnung ab, wenn der Komet sich wieder von der Sonne mehr und mehr entfernt. Solche gewaltige Veränderungen können aber nach unserem heutigen Wissenszustande nicht wohl als ohne Lichtentwicklung vor sich gehend gedacht werden, und in der That hat man mittelst des sogenannten Spectroskops gefunden, daß die Kometen eignes Licht aussenden, daß sie bis zu einem gewissen Grade selbstleuchtend sind. Das Spectroskop hat uns sogar auch über die Natur der Substanzen belehrt, welche in den Kometen glänzen, und wir wissen, daß der Kohlenwasserstoff dort eine große Rolle spielt.

Es ist sehr schwierig, die zahlreichen an den Kometen wahrgenommenen Erscheinungen zusammenzufassen und eine ihnen genügende Theorie der physischen Beschaffenheit dieser Himmelskörper aufzustellen. Mehrere Forscher haben sich bereits daran versucht, aber Keiner mit solchem Erfolge wie der Leipziger Astronom Zöllner.

Ich müßte nun eigentlich dem wißbegierigen Leser eine Auseinandersetzung dieser Theorie geben; allein das ist eine außerordentlich schwierige Sache, wenn ich dabei nicht gewisse Vorkenntnisse voraussetzen will, was ich gegenüber der Mehrzahl der Leser nicht darf. Ich will daher den Kelch, welcher die Beziehungen zwischen Masse, Temperatur und Aggregationszustand (Verbindung der Theile) der Körper enthält, an dem Leser vorbeigehen lassen und gleich bemerken, wie Zöllner gezeigt hat, daß eine tropfbar flüssige Masse, welche sich durch den Weltraum bewegt, in der Nähe der Sonne alle diejenigen Erscheinungen darbieten muß, welche uns die Kometen in der That zeigen. Die Licht- und Schweifentwickelungen dieser Gestirne betrachtet Zöllner als Wirkung elektrischer Processe. Zur Erklärung der Kometenschweife macht dieser Gelehrte die Annahme einer bestimmten Sonnenelektricität, worauf auch gewisse andere Thatsachen hinweisen, und andererseits zeigt er, daß auf den Kometen eine ununterbrochene elektrische Erregung stattfinden müsse als Folge der ungeheuren Verdampfungs- und Siedeprocesse, welche die Sonnenwärme

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig., 1872, Seite 841. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_841.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)