Seite:Die Gartenlaube (1873) 073.JPG

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

No. 5.   1873.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 16 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Glück auf!
Von E. Werner.


(Fortsetzung.)


Es war wieder Baroneß Windeg in jedem Zoll, die den bürgerlichen Millionär in seine Schranken zurückwies, aber, ob der Anlaß des Streites diesen zu sehr gereizt hatte, oder ob der beim Diner reichlich geflossene Wein nicht ganz ohne Wirkung geblieben war, er zeigte diesmal nicht den sonst unbedingt beobachteten Respect, sondern erwiderte ziemlich erregt:

„Wirklich? Nun, dann möchte ich Sie doch bitten zu bedenken –“ Weiter kam er nicht, denn Arthur, der sich bisher theilnahmlos im Hintergrunde gehalten, stand auf einmal an der Seite seiner Frau und sagte ruhig:

„Vor allen Dingen möchte ich Dich bitten, Papa, diesen unerquicklichen Streit ruhen zu lassen. Ich habe Eugenien bisher die vollste Freiheit des Handelns gelassen, und ich wünsche nicht, daß sie von irgend Jemand darin beschränkt wird.“

Berkow sah seinen Sohn an, als habe er nicht recht gehört; er war gewohnt, daß Arthur alle wichtigen und unwichtigen Scenen mit derselben passiven Gleichgültigkeit an sich vorübergehen ließ, und die plötzliche Einmischung desselben befremdete ihn daher ebenso sehr, wie seine offene Parteinahme.

„Du scheinst ja heute ganz und gar in der Oppositionslaune zu sein!“ spottete er. „Vor diesem vereinten Widerstande werde ich wohl die Flucht nehmen müssen, umsomehr, da ich noch einiges Geschäftliche zu erledigen habe. Ich hoffe, Sie morgen etwas weniger streitsüchtig zu finden, Eugenie, und meinen Herrn Sohn etwas lenksamer, als er den ganzen Tag über gewesen ist. Ich wünsche Euch einen guten Abend!“ –

Berkow hatte, als er mit unterdrücktem Aerger den Salon verließ, wohl keine Ahnung davon, daß er durch seinen plötzlichen und heftigen Aufbruch die beiden Zurückbleibenden in eine Verlegenheit brachte, in welche sie seit dem Abende ihrer Ankunft noch nicht wieder gekommen waren, in die Verlegenheit nämlich, allein mit einander zu sein. Sie hatten sich seitdem nur immer im Beisein Fremder oder bei Tische in Gegenwart der Dienerschaft gesehen, und dieses unerwartete tête-à-tête schien Beiden gleich unwillkommen. Arthur mochte doch wohl fühlen, daß er seinem Vater nicht so auf dem Fuße folgen konnte, ohne vorher wenigstens einige Worte an seine Gattin zu richten, aber es vergingen mehrere Secunden, ehe er sich dazu entschloß, und als es endlich geschah, kam Eugenie ihm zuvor.

„Es war nicht nöthig, daß Du mir zu Hülfe kamst!“ sagte sie kalt. „Ich hätte meine Selbstständigkeit Deinem Vater gegenüber wohl auch allein behauptet.“

„Ich zweifle nicht im Geringsten an Deiner Selbstständigkeit!“ gab Arthur in dem gleichen kühlen Tone zurück, „aber ich zweifle an dem Zartgefühl meines Vaters, gewissen Dingen gegenüber. Er stand im Begriff eine Erinnerung auszusprechen, die ich Dir und mir denn doch zu ersparen wünschte. Das war der alleinige Grund meiner Einmischung.“

Die junge Frau schwieg und lehnte sich in ihren Sessel zurück, während ihr Gatte, der am Tische stand, den dort liegenden Fächer ergriff und mit anscheinender Aufmerksamkeit die Arabesken desselben studirte. Es trat eine zweite noch unbehaglichere Pause ein, bis er endlich wieder das Wort nahm.

„Was übrigens die Angelegenheit des Hartmann betrifft, so bewundere ich aufrichtig die Selbstverleugnung, die Du dabei entwickelst. Dir grade müssen doch solche Kreise und solche Persönlichkeiten im höchsten Grade antipathisch sein.“

Eugenie schlug das große Auge voll und finster auf. „Mir ist nur die Schwäche und die Gemeinheit antipathisch, sonst nichts! Ich achte Jeden, der voll und energisch seinen Platz im Leben ausfüllt, gleichviel ob es oben auf der Höhe oder unten im Thale geschieht!“

Es war ein harter Klang in ihrer Stimme. Arthur’s Hand spielte noch immer achtlos mit dem Fächer, aber es lag etwas Nervöses in diesem Spiel und in dem leichten Zittern seiner Lippen. Er war leise zusammengezuckt, als sie von der „Schwäche“ und der „Gemeinheit“ sprach, obgleich sein Antlitz noch immer die vollkommenste Gleichgültigkeit zeigte.

„Eine sehr erhabene Anschauung!“ sagte er nachlässig. „Nur würde sie, fürchte ich, einige Aenderung erleiden, wenn Du in näherer Berührung mit dem wilden rohen Wesen kämst, das gewöhnlich unten im Thale herrscht.“

„Dieser junge Bergmann gehört aber nicht zu den blos Gewöhnlichen!“ erklärte Eugenie sehr entschieden. „Er mag wild und unbändig sein, wie eine Naturkraft, die zur Gefahr werden kann, wenn sie nicht in die rechte Bahn gelenkt wird – roh habe ich ihn nicht gefunden.“

Ihr Ton hatte unwillkürlich einige Wärme angenommen. In Arthur’s Auge zeigte sich wieder das eigenthümliche, halb verschleierte Aufglimmen, als er es jetzt auf sie richtete.

„Du scheinst ja bereits eine ganz wunderbare Macht über diese ‚wilde ungebändigte Naturkraft‘ auszuüben! Sie war im Begriff meinem Vater gegenüber in etwas ungeziemender Weise hervorzubrechen. Du hobst nur den Fächer, und der gereizte

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_073.JPG&oldid=- (Version vom 28.5.2018)